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Albtraum Miete: Statement zur Aktionswoche Schuldnerberatung

Seit Jahren kennen die Mieten in deutschen Städten nur eine Richtung: Nach oben. Sowohl in den Städten als auch in den Randbezirken und ländlichen Regionen wird Wohnen unbezahlbar. Der Paritätische Wohlfahrtsverband betrachtet diese Entwicklung mit großer Sorge.

Seit Jahren kennen die Mieten in deutschen Städten nur eine Richtung: Nach oben. In den sogenannten Top 7-Städten Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, Köln, München und Stuttgart sind die Angebotsmieten für leere Wohnungen seit 2004 um fast 70 Prozent gestiegen. Doch auch in den Randbezirken und ländlichen Regionen wird es langsam eng und Wohnen unbezahlbar. Der Paritätische Wohlfahrtsverband als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege betrachtet diese Entwicklung mit Sorge. Es kann nicht sein, dass Menschen sich für so etwas Essentielles wie eine Wohnung zunehmend verschulden müssen, um diese nicht zu verlieren und zwangsgeräumt zu werden.

Das treibt uns um, denn es betrifft genau die Menschen, die der Paritätische vertritt: Ältere Menschen mit kleiner Rente, die fragwürdige Eigenbedarfsklagen bekommen, genauso wie Student*innen, die wochenlang quer durch die Stadt couchsurfen müssen, bevor sie ein überteuertes WG-Zimmer finden. Die Krankenschwester, die vom Stadtrand lange Wege zur Arbeit auf sich nehmen muss, genau so wie das junge Paar mit Nachwuchs, welches seine Hoffnungen auf eine bezahlbare 3-Zimmer-Wohnung begraben hat. Kurz gesagt: Wir vertreten die Mehrheit der Bevölkerung, die sich nicht mal eben die Wohnung kaufen kann.

Einfach gesagt haben wir es hier mit zwei unterschiedlichen Interessen zu tun: Auf der einen Seite die Immobilienkonzerne und solche Vermieter, die Profite machen wollen, und auf der anderen Seite die Mieter, die ihre Wohnungen irgendwann nicht mehr bezahlen können. Dieser Konflikt steht stellvertretend für viele Konflikte in der Gesellschaft und dem über Jahrzehnte gepredigten neoliberalen Dogma: Lasst die Reichen nur genug Rendite machen, dann fällt für alle was ab. Aber spätestens, wenn man seine Wohnung verlassen muss, weil man sie nicht mehr bezahlen kann, merkt man: Das kann nicht stimmen.  Für mich fällt da nichts ab.

Vor wenigen Jahren wären Initiativen zur Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne noch als utopische Spinnerei abgetan worden. Heute treibt es Zehntausende auf die Straße und lässt an nur einem Wochenende 15.000 Menschen in Berlin für dieses Anliegen unterschreiben. Man kann über den Sinn des Vorhabens streiten. Es gibt richtige Argumente wie, dass so kein neuer Wohnraum geschaffen wird. Aber wenn der Verdrängung entgegengewirkt werden kann, halten wir es beim Paritätischen für eine grundsätzlich richtige Idee.

Deswegen hat sich unser Verbandsrat und damit das höchste Gremium des Paritätischen Gesamtverbandes auch dafür ausgesprochen, die Möglichkeit der Vergesellschaftungen von Immobilienkonzernen gemäß Artikel 15 des Grundgesetzes gegen Entschädigung offensiver zu nutzen, wenn damit Verdrängung vorgebeugt werden kann. Nicht gemeint sind verantwortlich agierende Wohnungsvermieter und -eigentümer. Nur kann es dabei wohnungspolitisch natürlich nicht bleiben. Wir brauchen wieder einen gemeinnützigen Wohnungssektor und endlich wieder sozialen Wohnungsbau, mehr Mieterschutz bei der Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen, eine effektive Mietpreisbremse, Schutz vorm „Herausmodernisieren“ durch die immer noch zu hohe Modernisierungsumlage und die Vergabe von Grundstücken nach sozialen Kriterien. Zur Prävention von Wohnungslosigkeit müssen kommunale Fachstellen unter Beteiligung freier Träger gefördert werden und es braucht verbindliche Kooperationen zwischen den unterschiedlichen Akteuren (Kommune, freier Träger, Wohnungsunternehmen), um Wohnungsverlust zu vermeiden. Der Paritätische spricht sich auch dafür aus, dass Mietschulden in Hartz IV als Beihilfe übernommen werden können. Nicht zu vergessen sind die kleinen Gewerbetreibenden und solche sozialen Träger, die durch das gegenwärtige Mietrecht noch schlechter geschützt sind, da ihnen kann nach Belieben die Miete erhöht und schneller gekündigt werden kann. Da hat zum Beispiel die kleine Kita oft schlechte Karten. Auch soziale Einrichtungen müssen besseren Schutz bekommen.

Der Paritätische ist an dem Thema dran auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Im April haben wir in Gelsenkirchen eine Veranstaltung mit dem Titel „Soziale Organisationen als Partner der Wohnungswirtschaft“ veranstaltet. Auf unserem Armutskongress vor wenigen Wochen hielt der bekannte Stadtsoziologe Dr. Andrej Holm einen fesselnden Vortrag über die Hintergründe der aktuellen Wohnungskrise. Für dieses Jahr haben wir uns das Thema unter dem Motto „Gutes Wohnen für Alle“ auf die Fahnen geschrieben. Denn  es ist zu fürchten, dass das Thema über das Jahr aktuell bleiben wird, obwohl die Mieten minimal geringer steigen und die Zahl der Zwangsräumungen leicht zurück geht.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband bleibt mit seinen Mitgliedsorganisationen am Ball und freut sich, dass das Grundbedürfnis Wohnen auch in der Aktionswoche Schuldnerberatung ein Thema ist.

Autor:
Ulrich Schneider

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de