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„Gute-Kita-Gesetz“ kann Mängel in Kitas nicht beheben

Familienministerin Giffey tourt durch die Bundesrepublik und schließt Verträge mit den Ländern. Mit dem „Gute-Kita-Gesetz“ steckt sie Milliarden in die frühkindliche Bildung, doch das Geld trägt nicht überall dazu bei, die Qualität in den Kitas deutlich zu verbessern.

Eines zeichnet sich jetzt schon ab: der Effekt des sogenannten „Gute-Kita-Gesetzes“ fällt deutlich geringer aus, als erhofft. Zwar sind viele Maßnahmen, die die Länder treffen, sinnvoll, aber insgesamt ist die Wirkung zu gering, um die Arbeitsbedingungen in der Praxis nachhaltig zu verbessern.

Das liegt zum einen daran, dass rund ein Drittel der Mittel für die Elternbeitragsbefreiung verwendet werden, und damit für die Jahre 2019 bis 2022 nur rund 4 Mrd. Euro für die Qualitätsverbesserung zur Verfügung stehen. Dem stehen voraussichtliche Gesamtausgaben im gleichen Zeitraum von etwa 130 Mrd. Euro gegenüber.

Personalschlüssel in den Kitas

Trotz überwiegend gutem Willen können die Länder nur kleine Schritte gehen. Zum Beispiel die Verbesserung des Personalschlüssels in Thüringen: Das Land stellt 62 Mio. Euro und damit 44% seiner Mittel aus dem sogenannten „Gute-Kita-Gesetz“ für die Verbesserung des Personalschlüssels zur Verfügung. Dieser soll von 1:16 auf 1:14 angehoben werden.  Aber nur für Kinder zwischen dem vollendeten vierten und vor Vollendung des fünften Lebensjahres – also nur für 4-Jährige.

Die Bundesregierung empfiehlt in der Gesetzesbegründung zum Gute-Kita-Gesetz hingegen eine Fachkraft-Kind-Relation für alle Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr von 1:9.

In Brandenburg bedeutet die maßgebliche Qualitätsverbesserung, für die die Landesregierung 65% der Mittel aus dem „Gute-Kita-Gesetz“ vorsieht, dass die Träger von Kindertageseinrichtungen auf Antrag die Kosten für die Betreuungszeit von mehr als durchschnittlich 8 Stunden/Tag erstattet bekommen. Bislang haben viele Kinder zwar einen Anspruch auf bis zu 9 Stunden Betreuung pro Tag, aber den Trägern werden in der Regel nur die Kosten für maximal 7,5 Stunden erstattet. Dieser Systemfehler wird nun mit den Mitteln des „Gute-Kita-Gesetzes“ behoben. Dadurch werden Träger zwar vor der Insolvenz gerettet, aber nicht die Qualität nennenswert verbessert.

Effekt zeigt sich im Haushalt der Kommunen und nicht in der Arbeit mit den Kindern

Ein anderes Beispiel zeigt die Probleme bei der Umsetzung. In Baden-Württemberg stellt die Landesregierung den Kitas einen Grundsockel von sechs Stunden Leitungszeit pro Woche zur Verfügung und stellt dafür 144 Mio. Euro in den Jahren 2019-2020 zur Verfügung, immerhin 90% der Mittel aus dem „Gute-Kita-Gesetz“ für den Zeitraum. Inwieweit dies zu tatsächlichen Änderungen in der Praxis führt, muss sich allerdings erst noch zeigen. Denn die Kommunen gewähren schon gegenwärtig Leitungsstunden und können diese Kosten zukünftig mit den Landesmitteln bestreiten. Der Effekt könnte sich also vor allem im Haushalt der Kommune zeigen und weniger in der Arbeit mit den Kindern.

Unter den kleinen Maßnahmen sind auch solche zu finden, die für die Weiterentwicklung des Arbeitsfeldes hilfreich sein dürfen, wie beispielsweise die bessere Ausstattung von heilpädagogischen Einrichtungen in Berlin, ein Modellprojekt zu multiprofessionellen Teams in Thüringen, die Abschaffung von Schulgeld für Erzieher*innen in Ausbildung in Sachsen-Anhalt oder die landesweite Koordination der Bedarfsplanung in Niedersachsen. Aber diese Projekte verbessern nicht die notwendige grundlegende Ausstattung von Kindertageseinrichtungen, die flächendeckend dringend benötigt wird.

Aus der bisherigen Umsetzung des „Gute-Kita-Gesetzes“ in den Ländern lassen sich folgende Schlüsse ziehen:

  • Die Prozesse zur Erstellung der Handlungskonzepte auf Landesebene erfüllten vielfach nicht die im Gesetz formulierten Anforderungen. Es fehlten wirksame Beteiligungsformen und Transparenz. Bestehende Bedarfe wurden teilweise nur unzureichend erhoben bzw. berücksichtigt. Besonders eklatant zeigt sich das in Mecklenburg-Vorpommern, wo die Landesregierung gegen den erklärten Willen von Elternvertretungen die Mittel ausschließlich für die vollständige Abschaffung von Elternbeiträgen vorsieht.
  • Die Senkung von Elternbeiträgen und die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Kindertagesbetreuung sind zwei erstrebenswerte Ziele. Sie können aber nicht beide durch das „Gute-Kita-Gesetz“ erreicht werden. Wenn die Bundesregierung beide Ziele erreichen will, muss sie sich auch angemessen finanziell beteiligen.
  • Die „Verbesserung der Teilhabe“ ist durch das „Gute-Kita-Gesetz“ zu einer sinnfreien Floskel geworden. Verbessert werden sollte die Teilhabe von Familien, die bislang besondere Hürden für die Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuung haben, etwa aufgrund von Behinderung, Herkunft oder Sprachkenntnis. Das Gesetz definiert Verbesserung der Teilhabe aber lediglich als Senkung von Elternbeiträgen – damit werden Anreize für die Beanspruchung von Kindertagesbetreuung gegeben, und verlieren tun die, deren Teilhabe man eigentlich fördern müsste.
  • Die Umsetzung in den Ländern zeigt mal wieder in aller Deutlichkeit, dass die Finanzierungssysteme in der Kindertagesbetreuung aus einer Zeit stammen, in der Kindertagesbetreuung ein „nice to have“ war. Träger und Eltern finanzieren derzeit zu einem wesentlichen Teil den Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung. Träger warten oft jahrelang ob ihnen Kosten von der Gemeinde, der Kommune oder dem Land erstattet werden. In vielen Ländern würde es schon reichen, nicht mehr Geld zur Verfügung zu stellen, sondern es gerecht und transparent einzusetzen. 
  • Wie eine Maßnahme eines Landes einzuschätzen ist, hängt davon ab, ob es sich tatsächlich um eine neue Maßnahme handelt oder um die Weiterführung bestehender Maßnahmen des Landes mit den Mitteln des Bundes (wie etwa Brandenburg und Bremen im Handlungsfeld 3 - Gewinnung von Fachkräften). Relevant ist ferner, wer von den Maßnahmen profitiert. Nur wenige Maßnahmen kommen flächendeckend allen Einrichtungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zugute. Viele Maßnahmen erfolgen durch zeitlich befristete Landesprogramme, von denen nur ausgewählte Einrichtungen profitieren.
  • Das „Gute-Kita-Gesetz“ ist in sich widersprüchlich. Einerseits ist es überambitioniert. Es soll „die Qualitätsniveaus in den Ländern einander annähern“ und zur „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“ beitragen. Andererseits ist es nicht so ausgestattet, dass dies annähernd gelingen kann.

„Gute-Kita-Gesetz“: Nicht mehr als ein „guter“ Anfang

Das “Gute-KiTa-Gesetz” ist zwar ein „guter“ Anfang, wird aber den durch die Bundesregierung selbst hoch gesteckten Ansprüchen nicht gerecht. Die vorgesehenen Mittel sind insgesamt deutlich zu knapp bemessen und die Umsetzung in den Bundesländern erfolgt auch aufgrund der fehlenden Planungssicherheit über 2022 hinaus zu zögerlich.

Die Kindertagesbetreuung mit fast 800.000 Beschäftigten und rund 3,3 Millionen betreuten Kindern braucht nicht eine Vielzahl von neuen Landesprogrammen, sondern eine grundsätzliche Aufwertung des Arbeitsfeldes und eine Angleichung der strukturellen Rahmenbedingung auf hohem Niveau.

Die Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) kalkulierte vor einigen Jahren den finanziellen Mehrbedarf für dieses Ziel auf etwa 10 Mrd. Euro jährlich. Man verständigte sich darauf, dass der Bund dauerhaft und jährlich 5 Mrd. Euro zum Erreichen dieses Ziel beisteuern sollte.Wenn das so genannte “Gute-KiTa-Gesetz” seinem Namen gerecht werden soll, muss die Bundesregierung zeitnah die Mittel für Verbesserung der Rahmenbedingungen auf 5 Mrd. Euro jährlich erhöhen. Um die notwendigen Verbesserungen der Qualität und der Arbeitsbedingungen der Fachkräfte zu realisieren, braucht es eine solide Lösung zur Refinanzierung, vor allem eine dauerhafte Beteiligung des Bundes.

Autor:

Niels Espenhorst

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de