Zum Hauptinhalt springen

Pflegeheime in der Corona-Krise: Generelle Besuchsverbote sind langfristig keine Lösung

Um Pflegebedürftige vor Corona zu schützen, sind Besuche in Pflegeheimen verboten. Die Schutzmaßnahmen bedeuten große Herausforderungen für Personal und Bewohner*innen. Diese fühlen sich zunehmend sozial isoliert. Wir brauchen dringend Wege, die Gesundheitsschutz und soziale Teilhabe vereinen.

Die Herausforderungen des Infektionsschutzes sind aktuell für alle Einrichtungen, in denen mehrere Menschen zusammenleben, enorm. Die derzeitig bestehenden Besuchsverbote, dienen dem Schutz besonders vulnerabler Personengruppen, zu denen Pflegebedürftige gehören. Der Schutz der Bewohner*innen und das Vorbeugen einer Ausbreitung von Infektionen in Einrichtungen stehen bei den Besuchsverboten im absoluten Fokus. Pflegeheimträger und -mitarbeitende stehen tagtäglich vor der großen Herausforderung, durch vorsichtiges Abwägen mit Augenmaß, und Kreativität unter Wahrung von maximal möglichem Schutz die Situation so gut wie möglich zu organisieren. Für viele Pflegeeinrichtungen, die sonst eine Kultur des offenen Hauses pflegen, ist gerade die momentane Situation eine drastische Umstellung.

Schutz vor dem Virus = soziale Isolation!?

Mit den Einschränkungen sind ganz erhebliche soziale Belastungen für alle Beteiligten verbunden. Wichtig und richtig ist daher, dass etwaige Besuchsverbote mit einer zeitlichen Befristung geregelt sind, so dass unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen der Pandemie, konkreter Gesundheitsrisiken und vorhandener Schutzmaßnahmen mögliche Alternativen immer wieder neu geprüft werden. Die Maßnahmen sollten regelmäßig auf Verhältnismäßigkeit und Zielrichtung überprüft und angepasst werden. Schutzmaßnahmen für vulnerable Gruppen werden noch über eine längere Zeitspanne hinweg dringend erforderlich sein, Besuche auch in Zukunft nicht in gewohnter Regelmäßigkeit und Routine möglich sein. Notwendig sind daher nun vor allem zielgerichtete Sicherheitskonzepte, die Schutz vor dem Virus und vor sozialer Isolation gewähren. Dazu gehören auch Strategien zur Prävention und zum Umgang mit von Einsamkeit betroffenen Personen und Konzepte zur Kommunikation und Beratung gegenüber Pflegebedürftigen und Angehörigen. Klar ist, dass generelle Besuchsverbote keine langfristige Lösung sein können, bis ein Impfstoff gefunden ist.

Zentral: Regelmäßige Corona-Tests und Schutzausstattung

Um Lösungen vor Ort mit einem angemessenen Konzept angehen zu können, sind flächendeckende und regelmäßige Tests von Personal und Pflegebedürftigen sowie ausreichende Schutzausstattung, auch für Angehörige, zentrale Voraussetzungen. Wichtig ist, Infektionen frühzeitig zu erkennen, Betroffene rechtzeitig zu isolieren und alle anderen zu schützen. Hier gilt es neben der stationären auch die ambulante Pflege in den Blick zu nehmen In Bezug auf die Kostenübernahme der Tests stiftet der Entwurf des zweiten Gesetzes zur Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Hoffnung. Die Frage der Kostenübernahme hat immer wieder zu Unsicherheiten geführt. Tests sollen in Zukunft in Bezug zu COVID-19 symptomunabhängig Bestandteil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung werden. Wichtig ist dabei, Anspruch und Zugang zu Tests gesondert zu regeln, damit sichergestellt ist, dass (Gesundheits-)Personal und Bewohner*innen von Pflegeheimen und Wohnstätten besondere Berücksichtigung finden. Kaum zu vermitteln wären Testungen und dementsprechende Kapazitäten für den Profifußball und fehlende, jedoch dringend benötigte, Tests für die sogenannten systemrelevanten Bereiche.

Kreative Lösungen aus der Praxis

Aus der Praxis wird berichtet, dass vielerorts bereits sehr kreativ und behutsam Lösungen gefunden werden, um die schwierige Lage zu überbrücken. Beispielsweise kleinere Gemeinschaftsaktivitäten im geschützten Raum unter Wahrung aller Hygieneregeln, Tauschtische, Mail- und Briefaktionen oder Besuchszimmer mit Plexiglastrennscheibe und Telefonen, um Angehörige wenigstens sehen und hören zu können, wenn schon kein körperlicher Kontakt möglich ist. Bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen und Lösungen, die absehbar für einen längeren Zeitraum erforderlich sein werden, sollten Pflegeeinrichtungen unterstützt werden. Um die Kontakte auch über die Distanz zu Familienangehörigen und Freund*innen aufrecht erhalten zu können, braucht es dabei auch dringend digitale Mittel in den Pflegeeinrichtungen. Die Aufwendungen dafür müssen refinanziert werden. Digitale Hilfsmittel könnten in dieser Lage helfen, denn besser ein Videotelefonat als überhaupt kein Kontakt. Doch auch das funktioniert in der Regel nur mit Hilfestellung. Und so sind letztlich auch der Personalschlüssel sowie die etwaige Einbindung von Freiwilligen zentral, um Verbesserungen möglich zu machen.

Die Politik muss aus der Krise lernen

Die Corona-Krise führt uns insgesamt überdeutlich vor Augen, wie wichtig gut ausgebildete und motivierte Pflegekräfte für unser Leben sind. Die Politik muss aus der Corona-Krise lernen, die Pflegekassen mit mehr Mitteln auszustatten. Zielführend wäre dafür die Einführung einer Bürgerversicherung. Bezüglich der aktuell diskutierten Prämien dürfen auch die Mitarbeiter*innen der Hauswirtschaft nicht vergessen werden. Sie tragen gleichermaßen die Last erhöhter Hygieneanforderungen und fangen auch das Bedürfnis nach persönlicher Begegnung der Pflegebedürftigen auf. Für solche Anerkennungszahlungen braucht es eine schnelle unbürokratische Lösung sowie eine gesicherte Refinanzierung.

Autorin:
Lisa Schmidt ist Referentin für Altenhilfe und Pflege beim Paritätischen Gesamtverband

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de