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Familien dürfen, müssen, sollen funktionieren – der Internationale Tag der Familie im Zeichen von Corona

Franziska Giffey postete vor einigen Tagen auf facebook: "Viele Familien sind seit einigen Wochen am Rande ihrer Kräfte". Für mich ist dies ein Satz, den ich bis zu Beginn des Jahres vor allem mit Familien in finanziell prekären Situationen in Verbindung gebracht hätte. Nun steht er aber für das Schicksal einer überwiegenden Mehrheit von Eltern und ihren Kindern in Deutschland. Denn die Corona-Krise belastet sie ungemein. Sie fordert Familien aus allen sozialen Schichten heraus, je nach Geldbeutel in unterschiedlicher Härte. Besonders trifft diese ihre Möglichkeiten, am beruflichen und öffentlichen Leben teilhaben zu können.

Money makes the world go round - no, no, no!

Wenn vor Beginn der Corona-Krise bei so mancher Familie mit Sportverein, Musikunterricht und Kunst-AG ein Termin den anderen jagte, sind es heute die fehlenden Zugangsmöglichkeiten und der Umgang mit dem Virus, der den Stress auslöst. Was tun, wenn plötzlich zu viel freie Zeit gefüllt werden muss? Und die Möglichkeiten fehlen?

Sicherlich, die Lage hat sich bereits gebessert - es darf wieder auf Spielplätzen gespielt werden, so mancher Sportverein nimmt auch wieder seinen Betrieb auf und Kitas und Schulen öffnen schrittweise. Dennoch bleibt da eine Leerstelle im Alltag, die sich für viele Familien zu einem Krater ausweitet. Dies gilt ganz besonders mit Blick auf die Betreuungsmöglichkeiten, während die Eltern arbeiten müssen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob zu Hause oder im Betrieb.

Homeoffice = arbeiten von zu Hause - gerne auch mal konzentriert!

Das Homeoffice sollte nicht verniedlicht werden. Es bedeutet arbeiten, aber eben von zu Hause. Die Themen, die Arbeitsdichte und auch die Ansprüche sind die gleichen. Dass Kinderbetreuung da nicht parallel geleistet werden kann, ist klar. Politik und Wirtschaft gingen zu Beginn der Corona-Krise jedoch davon aus, dass das funktionieren würde. Zumindest hatten viele Betroffene dieses Gefühl. Homeoffice schien schließlich möglich, die Sache mit der Kinderbetreuung würde dabei irgendwie klappen. Aber es kam natürlich anders: Hausaufgabenzettel, zu wenige Laptops für alle Familienmitglieder und das stressige Gefühl, ohne Möglichkeiten des Ausgleichs ständig aufeinander zu hocken.

Lockerungen da, Stresslevel low?

Von wegen! Möge jetzt so manche*r denken: Was hat die denn? Es wird doch alles gelockert - ja, kann man so sehen. Aber ist der aktuelle Zustand wirklich die Basis eines "normalen" Familienlebens?: Die ständige Sorge um Infektionen - ob in der Schule, auf dem Spielplatz oder bald im Verein. Die schier endlosen Diskussionen darüber, was Kind tun darf und was nicht und weshalb Eltern eben mit Blick auf Corona und die individuelle Situation auch mal anders entscheiden als andere Eltern. Nicht zu vergessen, dass auch mit Lockerungen die Situation noch weit weg von dem ist, was vor Corona als eingespielte Normalität galt.

Welcome reality!

Wir sind weit davon entfernt, dass alle Kinder und Jugendlichen von montags bis freitags in die Schule, den Hort oder die Kita gehen können. Welcome reality! Eltern müssen nach wie vor vieles neu organisieren, sie und ihre Kinder müssen damit umgehen, welchen Stress dies fürs Familienleben mit sich bringt. Angenehm ist anders und wenn da in der Politik Vergleiche mit den sechswöchigen Sommerferien gemacht werden und der Tatsache, dass der Corona-Ausnahmezustand jetzt gerade mal zwei Wochen länger andauert, ist das zynisch. Sommerferien sind planbar. Corona, Kita- und Schulschließungen waren es nicht!

Frauenpower oder wenn es Mutti möglich macht

In den vergangenen Wochen war sehr häufig zu lesen, dass uns die Corona-Krise in Fragen der Vereinbarkeit, der Rollenverteilung und der Gleichstellung der Geschlechter erheblich zurückgeworfen hätte. Konkret heißt das: Wenn wir Frauen nicht aufpassen, müssen wir uns in der Krise verlorene Fortschritte erneut erkämpfen, die vor Corona noch als gesichert galten. Partnerschaftlich gelebte Vereinbarkeit fußte vor allem auf einem funktionierenden Betreuungssystem der öffentlichen Hand, das allen zur Verfügung stand. Als dies in der Krise wegfiel, war in vielen Familien klar, wer die Sorgearbeit zu Hause stemmen muss: Die Person, die weniger verdient und deren Arbeitsvertrag weniger Stunden aufweist. Das sind in den meisten Fällen wir Frauen.

Money makes the world go round - yes, yes, yes!

Durch Kurzarbeit und Angst um den Arbeitsplatzverlust war die Sorge groß, das Haupteinkommen zu verlieren und die Not da, dass wenigstens eine Person in Ruhe arbeiten kann - in der Regel der Mann. Doch das darf kein Dauerzustand sein: Jetzt gilt es, aus Corona lernen und die Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern nach der Krise weiter abzubauen. Diese wurde uns in den vergangenen Wochen nicht nur erneut vor Augen geführt, sondern noch verschärft. Politik und Wirtschaft müssen diesbezüglich endlich zusammenarbeiten. Der Fachkräftemangel lässt grüßen - trotz drohender Rezession.

Internationaler Tag der Familie 2020

Heute ist der Internationale Tag der Familie: Familien dürfen, müssen und sollen funktionieren, wenn es nach der Politik und der Wirtschaft geht. Allerdings ist dies für viele in der Corona-Krise ein Spagat zwischen Kinderbetreuung, Homeschooling und beruflicher Präsenz, der nicht immer und in jeder Sekunde zu leisten ist. Seien Sie nachsichtig mit sich - nobody is perfect. Familien bleibt schlichtweg zu wünschen, dass der R-Faktor immer kleiner und die damit verbundenen Lockerungen immer größer werden.

Ganz besonders wünsche ich dies den vielen Alleinerziehenden. Sie tragen die doppelte Verantwortung und spüren die doppelte Belastung. Viele familienpolitische Maßnahmen, die in Corona-Zeiten erlassen wurden, nützen ihnen kaum. Gerade weil es die bittere Wahrheit ist, dass Frauen die überwiegende Mehrheit unter den Alleinerziehenden sind, brauchen sie eine besondere familien- und frauenpolitische Unterstützung. Für mich Indiz und Aufforderung, Familienpolitik nach der Corona-Krise nicht ohne Geschlechterperspektive zu denken.

Autorin:
Katrin Frank ist Referentin für Familienhilfe/-politik, Frauen und Frühe Hilfen beim Paritätischen Gesamtverband.

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de