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Soziales im Konjunkturpaket ausbaufähig

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen, kommentiert das Corona-Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Neben viel Kritik an dessen Inhalten sieht er auch Erfolge des Paritätischen: So wird in die soziale Infrastruktur investiert werden.

Die Koalition hat sich also zusammengerauft und in der Tat ein dickes Konjunkturpaket geschnürt. Fast 130 Milliarden sind es geworden. Dass es den Koalitionären ernst war, konnte man auch daran sehen, dass auf die Inszenierungen einer Nachtsitzung verzichtet und einfach mal durchgearbeitet wurde. Sowas ist immer ein Zeichen dafür, dass wirklich gearbeitet wurde und keine Show hingelegt wurde.

Viele Fragen sind auch noch offen. Die geplanten Mehrwertsteuersenkungen von 19 auf 16 Prozent sehe ich als eine gefährliche Wette. Noch ist völlig offen, ob die gesparten drei Prozent in den Taschen der Verbraucher*innen landen oder in den Kassen der Läden bleiben. Es gibt gute Gründe Letzteres zu befürchten, weil auch der Einzelhandel in Teilen unter Druck steht und die Mehrwertsteuerentlastung lediglich als Möglichkeit einer zusätzlichen Handelsspanne genutzt werden kann. Die kann wirtschaftspolitisch durchaus Sinn machen, doch sollte man dann so ehrlich sein und das Kind beim Namen nennen: Es geht dann um die Förderung von Unternehmen, nicht um die Kaufkraft der Verbraucher.

Tatsächlich sehen wir eine Reihe positiver Punkte im Paket – auch in dem, was nicht enthalten ist. Auf Lieblingsprojekte der Neoliberalen wie die Abwrackprämie wurde verzichtet und stattdessen eMobilität gefördert. Investiert hingegen wird in die soziale Infrastruktur. Viele Mitglieder unseres Wohlfahrtsverbandes sind erleichtert, weil die bisherigen Rettungsschirme noch durchaus Lücken aufweisen. Nun gibt es ein Kredit- und ein kommunales Entlastungsprogramm. Das großflächige Wegbrechen wichtiger sozialer Infrastruktur ist erst einmal verhindert. Das freut uns und sicher auch die Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Ebenso freut uns, dass der Kinderbonus von 300 Euro offenbar nicht den Gutverdienenden zugutekommt, sondern nur denjenigen, die ihn brauchen: Familien mit kleinen und mittleren Einkommen. Dass der Bonus nicht auf Hartz IV angerechnet wird, ist in diesem Zusammenhang gut und wichtig.

Aber damit kommen wir zugleich zu einem aus unserer Sicht unverzeihlichem Manko des Paketes: Für Millionen Bezieher von Grundsicherungsleistungen, die nicht mit Kindern zusammen leben, wird überhaupt nichts getan, alte Menschen, allein lebende Menschen oder Paare ohne Kinder. Die coronabedingten Kostensteigerungen für die Armen, die geschlossenen Tafeln, werden mit keinem Cent berücksichtigt. Es bleibt unbegreiflich, warum bei 130 Milliarden Euro so viele Arme völlig unberücksichtigt bleiben.

Zum Abschluss noch ein Punkt, der mich wirklich ärgert: Das Wort "Pflege" taucht auf den 15 Seiten des Entwurfs nicht ein einziges Mal auf, obwohl hier noch viel zu tun ist, wie die letzten Krisenmonate offenbar werden ließen. Bleibt zu hoffen, dass dahinter nicht die Ansicht steht, mit dem einmaligen Zuschlag von 1.000 Euro für Pflegekräfte und Standing Ovations im Deutschen Bundestag wäre es getan. Denn das bleibt es garantiert nicht.

Autor:
Ulrich Schneider

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de