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Zeit zum Umdenken – Kosten für Schwangerschaftsabbrüche in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufnehmen?!

Heute ist #SafeAbortionDay, ein internationaler Aktionstag für sichere Schwangerschaftsabbrüche. Im Zuge des Lockdowns sind viele Versorgungssysteme an ihre Grenzen gestoßen, haben sich Schwächen, die schon vor Covid-19 zu beobachten waren, noch deutlicher offenbart. Auch die Situation von Frauen, die sich für den Abbruch einer Schwangerschaft entscheiden und hierfür eine Kostenübernahme durch Krankenversicherungsträger brauchen, hat sich im Lockdown noch einmal zugespitzt. Ein Appell zum Umdenken von Katrin Frank, Referentin Familienhilfe/-politik, Frauen und Frühe Hilfen sowie Marion von zur Gathen, Abteilungsleiterin des Bereiches Soziale Arbeit beim Paritätischen Gesamtverband.

Manch einer reibt sich verträumt die Augen, angesichts der Tatsache, dass uns das Corona-Virus nicht nur eine weltweite Pandemie beschert hat, sondern auch die Möglichkeiten und Grenzen unseres Gesundheitssystems in aller Klarheit deutlich gemacht hat. Dabei geht es nicht nur um Testverfahren, Infektionsraten oder die intensivmedizinische Versorgung von Menschen, die einen problematischen Krankheitsverlauf durch die Infektion mit dem Virus aufweisen. Es geht auch um die basale Versorgung von Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind. Immer wieder geraten Frauen durch eine Schwangerschaft in so schwierige Konflikte, dass sie sich dazu entscheiden die Schwangerschaft abzubrechen. Unabhängig davon welche (frauen-)politische Haltung man zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland grundsätzlich vertritt, sind die Bedingungen, unter denen ein Abbruch in Deutschland als straffrei gilt, klar geregelt. Nach diesen Regelungen muss sich eine Frau, die sich bis zur zwölften Woche für einen Abbruch entscheidet, von einer anerkannten Beratungsstelle fachkundig beraten lassen sowie eine zeitliche Frist von mindestens drei Tagen zwischen Beratung und Abbruch der Schwangerschaft einhalten.

Schwangerschaftsabbruch in Corona-Zeiten

Bereits ohne Virus ist die Zeitspanne innerhalb der zwölf Wochen einen Abbruch der Schwangerschaft für Frauen realisieren zu können, knapp bemessen. Aber in Zeiten von Corona hat sich die Situation vieler Frauen, die sich in einer Konfliktlage befinden, noch einmal verschärft. Selbst vor dem Hintergrund der Tatsache, dass viele Beratungsstellen zeitnah auch eine fachkompetente digitale Beratung zur Verfügung stellen konnten, war es oft noch schwieriger einen Termin für einen entsprechenden Eingriff in der Klinik oder ambulant bei einem Arzt oder Ärztin zu bekommen. Hinzu kam noch, dass viele Krankenkassen im Lock-Down kaum zu erreichen waren und es daher den Frauen an der notwendigen Kostenübernahme fehlte. Denn bisher gilt, dass die Kosten für den Schwangerschaftsabbruch ohne Indikation nur dann von der Krankenkasse übernommen werden, wenn die Frau nur über wenig oder kein persönliches Einkommen verfügt. Hier ist die Frau in der Nachweispflicht. Sie muss damit gegenüber der Krankenkasse ihre finanzielle Notlage auch nachweisen.

Abbruch bislang „versicherungsfremde Leistung“

Leistungen für Schwangerschaftsabbrüche gehören zu den so genannten versicherungsfremden Leistungen und werden daher nicht als Regelleistungen von den Krankenkassen übernommen. Damit wird den Frauen eine Hürde auferlegt, die ihre Absurdität gerade in Corona-Zeiten deutlich gemacht hat und eher an ein verqueres erzieherisches Moment erinnert. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da haben Frauen aufgrund fehlender anderer Möglichkeiten zu Maßnahmen, wie Stricknadel oder Seife gegriffen, um die Schwangerschaft zu beenden. Nicht selten haben sie dies mit ihrer Gesundheit oder gar ihrem Leben bezahlt. Corona hat auch auf die fehlende regelhafte Kostenübernahme für Schwangerschaftsabbrüche das Brennglas gerichtet. Was wir sehen, ist eine Regelung, die dringend überdacht und im Sinne der Frauen geändert werden sollte.

Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte

Die Geschäftsstellen vieler Krankenkassen hatten ihre Türen geschlossen. Wer auf eine Kostenübernahme angewiesen war, musste sich durch Online-Portale klicken, landete in Call-Centern und wartete oft vergeblich auf die Post. Ein nicht hinnehmbares Hin und Her in einer Zeit, in der es auf jeden Tag ankommt. Hinzu kommt, dass bislang kein bundesweit einheitliches Formular zur Verfügung steht. Gäbe es ein solches, könnte es online bei allen Krankenkassen abgerufen werden und z. B. auch durch Auslagen in medizinischen Praxen und Apotheken verfügbar sein. Frauen würden so in der ohnehin sehr schwierigen Zeit besser unterstützt. Bürokratische Hürden sollten vermieden werden. Denn sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte. Dies gilt ganz besonders auch mit Blick auf Gewissensentscheidungen. Hier sind die Rechte der Frauen unbedingt zu respektieren.

Autorinnen:
Katrin Frank und Marion von zur Gathen

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de