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Drittes Bevölkerungsschutzgesetz in Kraft getreten

Der Bundestag hat am 18.11.2020 für das “Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ gestimmt.

Das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde am 18.11.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Der Deutsche Bundestag hatte das Gesetz entsprechend der bekannten Beschlussvorlage angenommen. Direkt im Anschluss hat der Bundesrat dem Gesetz ebenfalls zugestimmt.

Das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz trat weitestgehend am 19.11.2020 in Kraft.

Ausgewählte Regelungen im Einzelnen:

Änderungen des Infektionsschutzgesetzes

§ 5 Epidemische Lage von nationaler Tragweite

Absatz 1 wird um eine Bestimmung ergänzt. Danach liegt eine epidemische Lage von nationaler Tragweite vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik Deutschland besteht, weil

1. die WHO eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland droht oder

2. eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der BRD droht oder stattfindet.

Solange eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt ist, unterrichtet die Bundesregierung den Deutschen Bundestag regelmäßig mündlich über die Entwicklung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite.

Absatz 8 wurde neu eingefügt. Er verleiht dem BMG im Rahmen der Aufgaben des Bundes die Möglichkeit, insbesondere das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe, den Malteser Hilfsdienst, den Arbeiter-Samariter-Bund und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft gegen Auslagenerstattung zu beauftragen, bei der Bewältigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite Hilfe zu leisten.

Ursprünglich sah der Entwurf des Gesetzes Ergänzungen im Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz und andere freiwillige Hilfsgesellschaften vor, mit dem Ziel, die Eigenschaft und Anerkennungsvoraussetzung des DRK als die Hilfsgesellschaft der Deutschen Behörden im humanitären Bereich zu platzieren und deren Rechtsfolgen zu klären (Kostentragung bei Amtshilfe im öffentlichen Interesse sowie Gleichstellung der Helfer*innen des DRK mit den Helfer*innen des THW). Der Paritätische hat sich in seiner Stellungnahme dafür eingesetzt, rechtliche Änderungen für alle anerkannten Hilfsorganisationen einzuführen. In den Kabinettsentwurf wurde die kritische Regelung nicht aufgenommen, sondern oben genannter Absatz 8 eingefügt.

In der Begründung dazu heißt es:

“Im Falle einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite kann es zu Situationen kommen, in welchen es notwendig werden kann, im Rahmen der Aufgaben des Bundes, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung auf die Kapazitäten der anerkannten Hilfsorganisationen (vgl. auch § 26 ZSKG) zurückzugreifen. Die Vorschrift verleiht dem Bundesministerium für Gesundheit im Rahmen der Aufgaben des Bundes die Möglichkeit, insbesondere das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe, den Malteser Hilfsdienst, den Arbeiter-Samariter-Bund und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft gegen Auslagenerstattung zu beauftragen, bei der Bewältigung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite Hilfe zu leisten. Eine Beauftragung dieser Organisationen im Rahmen einer Amtshilfe bleibt unberührt.” (Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, S. 25).

§ 24 Feststellung und Heilbehandlung übertragbarer Krankheiten, Verordnungsermächtigung

Es wird ergänzt, dass die Ausnahmen vom Arztvorbehalt auch bei patientennahen Schnelltests in Bezug auf SARS-CoV-2 gelten. § 24 Satz 2 geht § 5a (Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch andere Personen als Ärzte bei Vorliegen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite) insoweit vor (s. Begründung).

§ 28a Besondere Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (Covid-19)

Der neue Paragraph listet anhand von Regelbeispielen notwendige Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV-2 für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite auf, die durch den Bundestag erlassen werden können. Darunter fällt bspw. in Nr. 4 die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote im Publikumsverkehr, in Nr. 12 die Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten, in Nr. 15 die Untersagung oder Beschränkung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens oder in Nr. 16 die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33, Hochschulen, außerschulischen Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Einrichtungen oder Erteilung von Auflagen für die Fortführung des Betriebes.

Es wird in Absatz 2 konkretisiert, dass Schutzmaßnahmen nur zulässig sind, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von SARS-CoV-2 erheblich gefährdet wäre.

Es wird darauf hingewiesen, dass Schutzmaßnahmen nach Abs. 1 Nr. 15 (Untersagung oder Beschränkung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens) nicht zur vollständigen Isolation von einzelnen Personen oder Gruppen führen dürfen; ein Mindestmaß an sozialen Kontakten muss gewährleistet bleiben.

Absatz 3 regelt, dass Entscheidungen über die genannten Schutzmaßnahmen insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten sind. Die Schutzmaßnahmen sollen nach dem jeweils regionalen Infektionsgeschehen und anhand der Schwellenwerte (Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) ausgerichtet werden.

§ 36 Infektionsschutz bei bestimmten Einrichtungen, Unternehmen und Personen; Verordnungsermächtigung

Die Aufnahme der Wörter “oder vergleichbarer Einrichtungen” (von mit voll- und teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen vergleichbarer Einrichtungen) in Abs. 1 Nr. 2 soll der Tatsache Rechnung tragen, dass es in der Praxis auch Einrichtungen gibt, die nicht unter die bisherige Definition zu fassen sind, die jedoch aus Infektionsschutzgründen in den Anwendungsbereich der Vorschrift aufgenommen werden sollen, da dort ebenfalls vulnerable Personengruppen betreut werden (bspw. ehemals stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe).

§ 56 Entschädigung

§ 56 regelt, unter welchen Voraussetzungen Betroffene eine Entschädigung verlangen können, wenn sie infolge eines Verbots nach diesem Gesetz an der Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit gehindert werden und deshalb einen Verdienstausfall erleiden. Bisheriger Gesetzeslage entsprach es bereits, dass eine Entschädigung nicht verlangen konnte, wer ein solches Verbot, zum Beispiel durch eine Schutzimpfung, hätte vermeiden können. Neu hinzugekommen ist nun noch ein weiterer Ausnahmetatbestand. Demnach kann eine Entschädigung (auch) nicht beanspruchen, wer durch Nichtantritt einer vermeidbaren Reise in ein bereits zum Zeitpunkt der Abreise eingestuftes Risikogebiet ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können.

Der Begriff der “Reise” umfasst sowohl Kurzaufenthalte als auch längere Aufenthalte. Die Abreise kann auch außerhalb des eigenen Wohnsitzes beginnen.

Eine Reise ist “vermeidbar” im Sinne des Gesetzes, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen. Zu einer nicht vermeidbaren Reise dürften in jedem Fall besondere und außergewöhnliche Umstände führen, zum Beispiel die Geburt des eigenen Kindes oder das Ableben eines nahen Angehörigen wie eines Eltern- oder Großelternteils oder eines eigenen Kindes. Dagegen werden vor allem sonstige private oder dienstliche Feierlichkeiten, Urlaubsreisen oder verschiebbare Dienstreisen regelmäßig vermeidbar sein, so dass auch eine Entschädigung ausgeschlossen ist.

Was unter einem „Risikogebiet“ zu verstehen ist, wird in dem neu eingefügten § 2 Nummer 17 gesetzlich definiert. Ein Risikogebiet ist demnach ein vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat festgestelltes Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, in dem ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit einer bestimmten bedrohlichen übertragbaren Krankheit besteht. Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt erst mit Ablauf des ersten Tages nach Veröffentlichung der Feststellung durch das RKI im Internet unter der Adresse https://www.rki.de/risikogebiete.

Ausgeweitet wurde auch die für erwerbstätige Eltern wichtige Regelung des § 56 Absatz 1a, die eine Entschädigung beanspruchen können, wenn sie einen Verdienstausfall erleiden, weil Betreuungseinrichtungen (Kita, Schule, etc.) aus Gründen des Infektionsschutzes geschlossen werden, und sie ihr Kind (soweit es das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist) deshalb selbst beaufsichtigen müssen. Problematisch war die rechtliche Situation der Eltern bisher, wenn nicht die gesamte Kita oder Schule geschlossen wurde, sondern nur einzelne Gruppen, Klassen oder Kinder abgesondert und unter Quarantäne gestellt wurden. Die Ergänzung in § 56 Absatz 1a Satz 1 stellt nun klar, dass ein “Betretungsverbot” im Sinne der Vorschrift auch dann vorliegt, wenn eine Absonderung nach § 30 oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 32 gegen einzelne Kinder in der Einrichtung vorliegt. Auch in diesem Fall können Eltern nun eine Entschädigung verlangen.

Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung

Im Zuge der Fragestellungen zur Umsetzung der TestV wurde problematisiert, ob gem. der oben genannten Verordnung Antigen-Tests als Invitro-Diagnostika überhaupt an Pflegeeinrichtungen abgegeben werden dürfen. In § 3 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung war bislang vorgesehen, dass Invitro-Diagnostik ausschließlich an die in den Nr. 1 bis 5 genannten Adressatenkreis abgegeben werden dürfen. Es wird mit einem neuen Absatz 4a nun klargestellt, dass diese auch an Einrichtungen nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 des Infektionsschutzgesetzes, Einrichtungen und Unternehmen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 11 oder nach § 36 Abs. 1 Nr. 7 des IfSG, einschließlich der in § 36 Abs. 1 Nr. 7 zweiter Halbsatz des IfSG genannten Angebote zur Unterstützung im Alltag und an ambulante Dienste der Eingliederungshilfe abgegeben werden dürfen. Die Klarstellung ermöglicht nun die Abgabe von Schnelltest insbesondere an stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sowie stationäre und ambulante Angebote der Eingliederungshilfe.

Die Regelung steht damit im Sachzusammenhang mit der Regelung über die Ausnahmen vom Arztvorbehalt.

Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

§ 20 i Abs. 3 wird dahingehend angepasst, dass im Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch Rechtsverordnung des BMG geregelt werden kann, dass auf bestimmte Schutzimpfungen oder bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe ein Anspruch besteht. Der Anspruch von Versicherten besteht insbesondere dann, wenn aufgrund des Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf besteht, wenn Versicherte solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen oder wenn sie in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen.

Des Weiteren kann das BMG in seiner Rechtsverordnung einen Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit einem bestimmten Krankheitserreger oder auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen diesen Krankheitserreger festlegen. Ebenso kann festgelegt werden, dass Versicherte einen Anspruch auf bestimmte Schutzmasken haben, wenn sie zu einer in der Rechtsverordnung festzulegenden Risikogruppe mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus gehören. Sofern dieser Anspruch in der Rechtsverordnung festgelegt wird, ist das Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen herzustellen und kann eine Zuzahlung durch den berechtigten Personenkreis vorgesehen werden.

Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, haben Anspruch auf Leistungen nach Nummer 1 (Schutzimpfungen).

§ 111d SGB V Ausgleichszahlungen an Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen aufgrund von Einnahmeausfällen durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2, Verordnungsermächtigung

In Absatz 1 werden nun explizit die Versorgungsverträge nach §111a Abs. 1 durch Einfügung genannt. Der Rettungsschirm, der Ausgleichszahlungen bis zum 30.09.20 ermöglichte, wird nun ab dem 18.11.20 bis zum 31.01.2021 wieder aufgespannt (Abs. 2 Satz 4). Übernommen werden nicht wie beim ersten Schirm 60 % des mit Krankenkassen vereinbarten durchschnittlichen Vergütungssatzes der Einrichtung nach § 11 Abs.5, sondern 50 % der Kostenausfälle orientiert an den durchschnittlichen Tagespauschalen. Somit wird die Lücke zwischen dem ausgelaufenen Rettungsschirm und den mit dem GPVG geplanten pandemiebedingten Anpassungen von Vergütungsvereinbarungen der Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, die erst im kommenden Jahr in Kraft treten und Verhandlungen nach sich ziehen werden, geschlossen.

§ 275 Begutachtung und Beratung

Mit einem neuen Absatz 4a wird dem Medizinischen Dienst die Möglichkeit eröffnet, Mitarbeiter*innen auf Ersuchen insbesondere in einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses, eines nach § 95 Abs. 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringern sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 SGB XI befristet (höchstens für die Zeit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, § 5 Abs. 1 IfSG) zuzuweisen. Die bisherige Unterstützung durch den Medizinischen Dienst erfolgte bislang ohne eine eigenständige rechtliche Grundlage.



3._BevSchG_BGBl.pdf

Die Fachinformation wurde von Lisa Marcella Schmidt und Dr. Ingo Vollgraf erstellt.