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Stellungnahme der BAGFW zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz

Das ursprünglich als Barrierefreiheitsgesetz bezeichnete Gesetzesvorhaben wurde noch einmal überarbeitet. Zum nun vorliegenden Entwurf des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz hat die BAGFW wiederholt Stellung genommen.

Erfreulicherweise wurden einige Punkte aus der Stellungnahme der BAGFW zum Barrierefreiheitsgesetz übernommen und im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz eingearbeitet. Andere Punkte wiederum wurden in dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf umformuliert und so die Vorgaben zur Barrierefreiheit aufgeweicht.

Der Entwurf des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes enthält gegenüber dem Referentenentwurf folgende Verschlechterungen:

1. Stellt die Marktüberwachungsbehörde fest, dass Dienstleistungen nicht die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen, fordert sie den anbietenden Wirtschaftsakteur unverzüglich auf, innerhalb einer von ihr festgesetzten angemessenen Frist geeignete Korrekturmaßnahmen zu ergreifen. Kommt der Dienstleistungserbringer der Aufforderung nicht nach, kann die Marktüberwachungsbehörde die erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Nichtkonformität der Dienstleistung abzustellen.

Zur Durchsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen ist hier aus Sicht der BAGFW eine Kann-Vorschrift nicht ausreichend, vielmehr ist eine Soll-Vorschrift erforderlich.

2. Anstatt die Übergangsbestimmungen zu kürzen, wurden sie für den Einsatz von Selbstbedienungsterminals noch einmal um fünf Jahre auf nun 15 Jahre nach Inbetriebnahme 2025 verlängert.

Dies führt in Zeiten rasanten technischen Fortschritts zu einer nicht akzeptablen weiteren Verzögerung bei der Herstellung von Barrierefreiheit und führt dazu, dass Menschen mit Behinderungen in einem wichtigen Themenfeld unangemessen benachteiligt werden. Die Übergangsfristen für die Dienstleistungserbringer sollten verkürzt werden.

Der Entwurf des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes erfüllt das Mindestmaß der Vorgaben durch die EU-Richtlinie. Um mit Blick auf UN BRK die volle und gleichberechtigte Teilhabe zu erreichen, sind darüber hinaus gehende Schritte nötig. Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege bedauern, dass der Gesetzgeber nicht die Möglichkeiten nutzt, noch in dieser Legislaturperiode durch umfängliche Regelungen im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz die Barrierefreiheit wesentlich voranzubringen.

Die BAGFW fordert den Gesetzgeber auf, noch im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens durch folgende Maßnahmen für eine größere Barrierefreiheit ernsthaft Sorge zu tragen:

§ Die BAGFW schlägt vor, Anforderungen an die bauliche Umwelt der Produkte und Dienstleistungen analog zu § 8 BGG aufzunehmen.

§ Der Geltungsbereich der Barrierefreiheit sollte auch regionale, städtische, vorstädtische Verkehrsdienste und Fahrzeuge umfassen.

§ Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte auf beruflich genutzte Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet werden.

§ Den Rechten von Verbraucher/innen, anerkannten Verbänden und qualifizierten Einrichtungen im Verwaltungsverfahren kommt durch § 32 eine besondere Rechtsstellung zu. Der vorliegende Regierungsentwurf ermächtigt bisher nur Menschen mit Hör- und Sprachbeeinträchtigungen ihre Verbraucherrechte zu nutzen. Menschen mit anderen Sinnesbeeinträchtigungen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten werden so vom Genuss ihrer Verbraucherrechte ausgeschlossen.

Gemäß § 7 BGG ist die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen eine Benachteiligung. Die BAGFW fordert daher ausdrücklich, dass die Kosten für barrierefreie Information und Kommunikation in wahrnehmbarerer Form einheitlich geregelt werden. Die Rechte auf barrierefreie Dokumente gemäß § 10 BGG, auf Leichte Sprache gemäß § 11 BGG im Verwaltungsverfahren und angemessene Vorkehrungen gemäß § 7 BGG sind gesetzlich zu normieren. Die Kosten hierfür sind ebenfalls von den Marktüberwachungsbehörden zu tragen.

§ Die Definition von Barrierefreiheit sollte vollumfänglich im Sinne des § 4 Behindertengleichstellungsgesetz erfolgen, ohne jedwede inhaltliche Kürzungen.

§ Darüber hinaus schlägt die BAGFW vor, begleitende Investitionen in Barrierefreiheit z.B. durch ein Bundesprogramm zu fördern. Dieses sollte vor allem auf Kleinstunternehmen ausgerichtet werden, die bisher von den EAA-Verpflichtungen weitestgehend ausgenommen sind.

Hinsichtlich der detaillierten Änderungsbedarfe aus Sicht der BAGFW verweisen wir auf die weiterhin bestehenden Kritikpunkte unserer Stellungnahme vom 12. März 2021 zum Referentenentwurf des Barrierefreiheitsgesetzes.

Die zweite und dritte Lesung des Gesetzes ist für den 20. und 21. Mai 2021 geplant.


2021-03-12 Stellungnahme Barrierefreiheitsgesetz.pdf

2021-05-10 Stellungnahme BarrierefreiheitsstärkungG.PDF

reg-barrierefreiheitsstaerkungsgesetz.pdf