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5. Armuts- und Reichtumsbericht beschlossen - Paritätischer kritisiert "Politik im Konjunktiv"

Fachinfo
Erstellt von Joachim Rock

Heute, am 12. April 2017, hat das Bundeskabinett den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung beschlossen und damit einen lange währenden Abstimmungsprozess zwischen den Ressorts abgeschlossen. Sie finden den Bericht hier: www.dropbox.com/s/fo7b5gjywd3dap4/5_Armuts_Reichtumsbericht_2017-endg.pdf

Während das BMAS die Ergebnisse der Berichterstattung früh und vergleichsweise offensiv aufgriff ("Oligarchie der Reichen", Andrea Nahles) und im ersten Entwurf im Oktober 2016 weitreichende Analyse präsentierte, fielen Teile des Entwurfs der ersten Abstimmung zwischen den Ressorts zum Opfer. Dazu zählten etwa Befunde zur politischen Partizipation von Menschen mit unterschiedlichen Einkommen, die zu dem Ergebnis kamen, dass sich die Politik überwiegend an den Interessen besonders vermögender Menschen ausrichtet und benachteiligte Personengruppen nur wenig Einfluss haben. Dazu zählte auch der Befund im ersten Berichtsentwurf, dass Ungleichheit dass wirtschaftliche Wachstum gefährde.
Vehement kritisiert hatte der Paritätische, dass die Perspektive der Betroffenen keinen Eingang in die Entwürfe des Berichts fand, dass die Dunkelziffer der Armut unerwähnt blieb. Beides hat nun Eingang in den Bericht gefunden, wenn auch eher mit kurzen, beiläufigen Passagen. Eine blinder Fleck bleibt auch nach Vorlage des Berichts, wie groß das Ausmaß des Reichtums in Deutschland ist. Der Armuts- und Reichtumsbericht stützt sich hier wesentlich auf eine Befragung von lediglich 130 Hochvermögenden mit einem durchschnittlichen Vermögen von etwa 5 Millionen Euro. Während die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Grundsicherungsempfängern heute bis auf Euro und Cent erfasst werden, wissen wir über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse an der Spitze der Wohlstandspyramide nahezu nichts - auch deshalb, weil im Gegensatz zu den Lebensmitteleinkäufen von Grundsicherungsempfängern Vermögen längst nicht mehr besteuert wird. In der Zusammenfassung des Berichts, die auch politische Absichten enthält, finden sich keine Vorschläge für einen notwendigen Richtungswechsel - hier bleibt es bei einer Politik im Konjunktiv.
Der Paritätische hat bereits im Januar 2017 umfassend zu den Entwürfen des Berichts Stellung genommen und wird auch abschließenden Bericht kritisch kommentieren.

Paritaet-2017-Stellungnahme_5_ARB-E.pdf

Anlässlich der heutigen Verabschiedung kommentierte der Paritätische:
"Der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung belegt zwar faktenreich die zunehmende Ungleichheit von Einkommen und Vermögen. Zu deren Bekämpfung bieter er jedoch nur ein „Sammelsurium von Konjunktiven“. „Der Umfang der sozialen Polarisierung steht in einem krassen Gegensatz zu den nun veröffentlichten Plänen und angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung. Es wird nicht erkennbar, dass die Bundesregierung Armut entschieden bekämpfen will“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. „Wir brauchen einen sozial- und steuerpolitischen Richtungswechsel, keine heiße Luft“. Der Armuts- und Reichtumsbericht dokumentiere beispielsweise, dass 84 Prozent der Bevölkerung zwischen 2010 und 2015 eine Zunahme von Armut festgestellt hätten und dass in der Vergangenheit auch Kinderarmut und Ungleichheit gewachsen seien. Die Bundesregierung formuliere in ihrer erstmals veröffentlichten Schlussfolgerung dennoch nur wenige, unzusammenhängende Vorschläge dagegen.

Der Paritätische forderte deshalb ein Gesamtkonzept gegen Armut und Ausgrenzung, für sozialen Zusammenhalt. „Die Bundesregierung ist aufgefordert, verbindliche Ziele und Maßnahmen zum Abbau von Armut und sozialer Ungleichheit zu formulieren. Stückwerkpolitik hilft nicht “, betont Schneider. Zwingende Voraussetzung für eine effektive Armutsbekämpfung sei eine solidarische Steuerpolitik. „Wer den Leuten weismachen will, Armutsbekämpfung bekäme man zum Nulltarif, streut Sand in die Augen“, so Schneider.