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Abschlussbericht der Kommission "Verlässlicher Generationenvertrag" und erste Bewertung des Paritätischen

Fachinfo
Erstellt von Joachim Rock

Die im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien vorgesehen und im Mai 2018 durch das BMAS eingesetzte Kommission "Verlässlicher Generationenvertrag" hat heute ihren Abschlussbericht vorgelegt. Ihre Aufgabe war es, Vorschläge für einen "verlässlichen Generationenvertrag" vorzulegen. Hier finden Sie den Bericht und eine erste Paritätische Bewertung.

Der heute durch die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ vorgelegte Abschlussbericht ist eine Enttäuschung. Nach fast zweijähriger Tätigkeit legt die Kommission nur sehr allgemeine Empfehlungen vor und verzichtet dabei vollständig auf Empfehlungen zur Bekämpfung der stark angestiegenen Altersarmut. Zu einem „verlässlichen Generationenvertrag“ gehört aus Sicht des Paritätischen vor allem, dass die Rente am Ende eines langjährigen Arbeitslebens im Alter sowie bei Erwerbsminderung zu einem Leben ohne Armut ausreichen muss. Der Bericht der Kommission liefert dazu keine neuen Ideen. Die Kommission lässt den Bundesarbeitsminister angesichts der anstehenden Herausforderungen buchstäblich im Regen stehen.
Die Kommission sollte Empfehlungen für die Rente ab 2025 abgeben. Schon im Koalitionsvertrag war damit die Erwartung verbunden, mit einer „doppelten Haltelinie – für Rentenniveau und Beitragssätze“ zu arbeiten. Die Kommission hat nun nur für den Zeitraum von 2026 bis 2032 eine konkrete Empfehlung ausgesprochen, und zwar in Form von Korridoren: das Rentenniveau soll in dieser Zeit zwischen 44 und 49 Prozent liegen, die Beiträge zwischen 20 und 24 Prozent. Das ist deshalb eine Nullempfehlung, weil nach dem Rentenversicherungsbericht 2019 für diesen Zeitraum als Prognose ein Rentenniveau zwischen 47,2 - 44,9 Prozent vorhergesagt wird, bei den Beiträgen zwischen 19,9 und 21,7, kurz: die Kommission empfiehlt, was ohnehin erwartet wird.
Die Kommission schlägt mehrheitlich vor, dass Standardrentenniveau langfristig mit 47 Entgeltpunkten zu berechnen, statt bisher 45. Begründet wird das mit der Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67. Das ist aber pure Kosmetik, denn die Leistungen steigen nicht, dass Rentenniveau würde aber dadurch etwa zwei Prozentpunkte höher ausgewiesen. Da schon jetzt mehr als die Hälfte der jüngeren Jahrgänge Hochschulzugangsberechtigungen erwerben, Bildungszeiten aber nicht mehr rentenrechtlich angerechnet werden, ist es künftig viel schwerer, auf die für die Standardrenten nötigen Jahre an Beitragszahlung zu kommen.
Für die Folgejahre gibt es lockerere Empfehlungen, darum soll sich aber insbesondere ein zu gründender Rentenbeirat kümmern.
Armutspolitisch ist der Bericht ein Totalausfall und zeugt angesichts der deutlich gewachsenen Altersarmut von Ignoranz. Im Bericht kommt „Armut“ auf 127 Seiten nur dreimal vor, zweimal in der Form, dass man sich mit „Armutsvermeidung“ beschäftigt habe, einmal mit dem Hinweis, ein Obligatorium helfe nicht gegen Altersarmut. Forderungen und Empfehlungen zur Armutsbekämpfung fehlen völlig, dabei die die Vermeidung von Altersarmut ein zentrales Element eines wirklich verlässlichen Generationenvertrages.
Zwar wird festgestellt, dass die Rentenversicherung der Kern der Alterssicherung ist, auch ein Bekenntnis zum Umlageverfahren wird formuliert. Es wird aber gleichzeitig auch gefordert, die „Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Wettbewerbsfähigkeit“ zu berücksichtigen und dabei auf die „Gesamtsozialversicherungsbeiträge“ zu schauen. Aus der Perspektive der Versicherten wäre dagegen der Blick auf das Verhältnis von Gesamtbelastung durch notwendige Vorsorgebeiträge (also inkl. der Kosten für private Vorsorge) im Verhältnis zu den zu erwarteten Leistungen wichtig gewesen. Dass keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters gefordert wird, ist das Mindeste, da bspw. Pflegekräfte und viele andere Berufe schon heute keine Chance haben, überhaupt das bestehende Renteneintrittsalter zu erreichen. Für Menschen, die das nicht schaffen, enthält der Bericht keine Empfehlung.
Die Kommission spricht sich nicht für die Einbeziehung von Beamtinnen und Beamten in die Rentenversicherung aus, auch ausdrücklich nicht für die der Abgeordneten. Selbstständige sollen „gründerfreundlich“ in die Rentenversicherung einbezogen werden. An den bestehenden berufsständischen Alterssicherungszweigen, wo häufig besonders einkommensstarke Gruppen außerhalb der Rentenversicherung abgesichert sind, soll nicht gerührt werden. Aus Sicht des Paritätischen muss die Rentenversicherung jedoch eine Versicherung für alle sein. Das Beispiel von Ländern wie etwa Österreich zeigt, dass diese Form der solidarischen Alterssicherung besonders leistungsfähig ist. Die Einbeziehung weiterer Personengruppen, etwa neu verbeamteter Personen, bringt zusätzliche Beitragseinnahmen, während die Auszahlungen erst sehr viel später und unter demographisch günstigeren Bedingungen anfallen. Der demographische Wandel lässt sich so auch in der Alterssicherung leichter bewältigen.
Die Kommission stellt die Förderung privater Altersvorsorge nicht in Frage, sondern will sie verbessern, und etwa den Sonderabgabenabzug im Steuerrecht auf 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze erhöhen. Sie hätte gerne, dass die Kosten von Riester-Verträgen geringer werden, und will Angebote auf einer Plattform sammeln und dabei Produktstandards einführen. Nach Auffassung des Paritätischen sollte die steuerliche Privilegierung privater Vorsorge, von denen einkommensstarke Gruppen überproportional profitieren, eingestellt werden. Stattdessen sind besonders von Altersarmut bedrohte Gruppen besser abzusichern.
Als neue Bezugsgrößen, über die im Rentenversicherungsbericht berichtet werden soll, sollen Gesamtsozialversicherungsbeitrag und Abstand der durchschnittlichen Standardrente zum durchschnittlichen Bedarf eingeführt werden. Die Mindestrücklage zur Rentenversicherung soll auf 0,3 Monatsausgaben erhöht werden. Auch andere Forderungen bleiben eher allgemein, sind aber richtig: mehr Prävention, bessere Rehabilitation, mehr Beschäftigung, Gender Check. Die Kommission gibt keine Empfehlungen zum Renteneintrittsalter und zur Veränderung der Anpassungsregelungen von Rentenanwartschaften und Renten.
Der Bericht ist damit eine Enttäuschung. Notwendige Maßnahmen zur besseren und nachhaltigen Absicherung im Alter und zur Stärkung der Rentenversicherung muss die Politik unabhängig davon treffen.

Die Empfehlungen des Berichts sind als Anlage beigefügt. Die Pressemitteilung des Paritätischen finden Sie unter dem nachfolgenden Link: Fachinfos GV


Rentenkommission-Empfehlungen.pdfRentenkommission-Empfehlungen.pdf