Zum Hauptinhalt springen

Drei Fragen an Dr. Ulrich Schneider zum Thema bezahlbarer Wohnraum

Erstellt von Philipp Meinert

Dr. Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, erklärt im Interview, was der Paritätische 2018 zur Wohnungsfrage an Aktivitäten plant. Unter anderem will der Verband verstärkt darüber diskutieren, wie heute eine soziale und bedarfsgerechte Wohnungspolitik für Menschen in besonderen Lebenslagen aussehen kann.

Herr Schneider, warum bringt sich der Paritätische jetzt stärker in die Diskussion um bezahlbaren Wohnraum ein?

Dr. Ulrich Schneider: Beim Paritätischen Gesamtverband war die Wohnungssituation immer ein Thema, schwerpunktmäßig bisher bei Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Durch den zunehmenden Mangel von bezahlbaren und passenden Wohnungen nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land hat sich das Problem in den letzten Jahr deutlich verschärft. Seitdem hören wir immer wieder, vor welche Probleme dies auch unsere Mitgliedsorganisationen stellt. Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, Alte oder Kinder finden kaum noch einen Ort zum Wohnen. Hinzu kommt das spezielle Problem, dass viele durch Gewerbemietverträge eine viel unsicherere Situation haben. Mietverträge sind zeitlich begrenzt, und häufig herrscht Willkür bei Mietforderungen, wenn Verträge nach einigen Jahren neu verhandelt werden müssen.

Was plant der Paritätische dazu?

2018 wird das Thema bezahlbarer und würdiger Wohnraum ein Schwerpunkt sein. Wir werden verstärkt diskutieren,wie heute eine soziale und bedarfsgerechte Wohnungspolitik für Menschen in besonderen Lebenslagen aussehen kann. Bund, Länder und Kommunen müssen wieder ihre jeweilige Verantwortung und Steuerungsmöglichkeit im Wohnungsbereich stärker wahrnehmen. Wir werden deutlich für Wohnungsbau und Wohnungsbewirtschaftung werben. Wir wollen aber nicht nur über die Probleme auf dem Wohnungsmarkt diskutieren, sondern auch aktiv werden. Der Paritätische will ein breites Bündnis aufstellen, das für die Wiedereinführung einer neuen Wohngemeinnützigkeit werben und das Thema in die Politik bringen soll.

Was muss man sich unter einer neuen Wohngemeinnützigkeit vorstellen?

Bis 1990 hatten wir in Deutschland ein großes gemeinnütziges Segment im Wohnungsbau. Offiziell wurde die Gemeinnützigkeit vor dem Skandal um die „Neue Heimat“ abgeschafft, einem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, bei dem Vorstandsmitglieder in die Kasse gegriffen hatten. In Wahrheit glaubte man aber wohl, dass die Privatwirtschaft die Wohnraumversorgung besser machen könne. Ein neoliberaler Irrglaube von vielen. Ein gemeinnütziger Wohnungsmarkt zeichnet sich dadurch aus, dass die Unternehmen nur eine bestimmte Rendite erwirtschaften dürfen und alles darüber hinaus reinvestieren müssen. Im Gegenzug sind diese Wohnungen steuerbefreit. Außerdem müssen sie günstig vermietet werden, es gibt Verkaufsbeschränkungen, und die Wohnungen sind dauerhaft belegungsgebunden. Dieses Modell hat jahrzehntelang dazu beigetragen, dass es eine ausreichende Zahl an bezahlbaren Wohnungen gab. Seine Abschaffung hat einen großen Anteil an der heutigen Wohnungsmarktkrise. Die neue Wohngemeinnützigkeit ist aber nur ein Baustein. Wir brauchen auch wieder erheblich mehr Sozialwohnungen, mindestens 80.000 neue pro Jahr, und eine sozial gerechte Bodenvergabe, wenn günstig gebaut werden soll

Dieser Text entstammt dem Verbandsmagazin "Der Paritätische" Ausgabe 1/2018 mit dem Schwerpunkt zum Recht auf Wohnen. Die gesamte Ausgabe kann hier gelesen werden