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Fakten gegen Vorurteile: Aktuelle Zahlen zu Flucht und Asyl

Die aktuelle asylpolitische Diskussion wird teilweise so geführt, als befände man sich noch im Jahr 2015, als ca. 900.000 Asylsuchende aufgenommen wurden. Hier einige zentrale Daten als Beitrag zu einer rationalen Diskussion der anstehenden Aufgaben.

Die aktuelle asylpolitische Diskussion wird teilweise so geführt, als befände man sich noch im Jahr 2015, als ca. 900.000 Asylsuchende aufgenommen wurden. Seitdem sind die Flüchtlingszahlen – und auch die Anerkennungsquoten – deutlich gesunken, haben sich die Rahmenbedingungen der Flüchtlingsaufnahme gravierend verändert.

Im Folgenden werden einige zentrale Daten zu Flüchtlingsaufnahme weltweit, in Europa und in Deutschland zusammengestellt in der Hoffnung, dass dies zu einer rationalen Diskussion der anstehenden Aufgaben beiträgt (Download als PDF hier).

 

Weltweit steigen die Flüchtlingszahlen...

Weltweit gibt es nach Angaben des UNNHCR ca. 65 Millionen Flüchtlinge, davon sind rund 2/3 Binnenvertriebene, rund 22 Millionen leben im Ausland. Rund 85% der Flüchtlinge leben in Herkunftsregionen, in der Regel ärmere Länder. In Kürze wird UNHCR aktuellere Zahlen veröffentlichen, nach ersten Berichten ist von weiter gestiegenen Zahlen auszugehen.

...in Europa – und in Deutschland – gehen sie deutlich zurück.

Im vergangenen Jahr wurden in der EU (+ Norwegen und Schweiz) rund 650.000 Erst-Asylanträge gestellt, ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 43%. Gemessen an einer Gesamteinwohnerzahl in der EU von 511 Millionen kann von einer Überforderung Europas bei der Flüchtlingsaufnahme angesichts dieser Zahlen keine Rede sein.

Problematisch ist aber, dass sich die Asylanträge in wenigen EU-Mitgliedstaaten konzentrieren, von denen zudem einige – insbesondere Griechenland – mit massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. In 2017 wurden rund 85% der Asylanträge in 6 Ländern gestellt (Deutschland 30,5%, Italien, 20% Frankreich 14%, Griechenland 9%, Spanien und England je 5%.)[1]

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen werden derzeit auf europäischer Ebene Vorschläge für eine umfassende Neuausrichtung der „Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik“ erörtert, die vor allem auf eine weitgehende Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in außereuropäische Staaten hinauslaufen würde. Der Paritätische hat dazu aktuell (April 2018) eine umfassende Stellungnahme veröffentlicht.[2]

Auch in Deutschland sind die Zahlen der Asylanträge stark rückläufig. Im Jahr 2017 haben 220.000 Schutzsuchende einen Asylantrag beim BAMF gestellt, davon waren rund 200.000 Erstantragsteller. Dies entsprach einem Rückgang um 72,5% gegenüber dem Vorjahr. Auch im Jahr 2018 setzt sich diese rückläufige Tendenz fort. In den ersten drei Monaten 2018 wurden 46.800 Asylanträge gestellt, ein erneuter Rückgang von 22% gegenüber dem Vorjahr. Hauptherkunftsländer waren Syrien, Irak, Eritrea, Nigeria, Iran, Türkei, Afghanistan.[3]

Junge Flüchtlinge

Von den Asylantragstellern sind aktuell 25,4% unter 6 Jahre alt! Insgesamt 42,6% der Asylbewerber/-innen sind jünger als 18 Jahre. Rund 52% der Asylanträge wurden 2018 von männlichen Antragstellern gestellt, 48% von weiblichen Antragstellerinnen

Gesamtzahl der Flüchtlinge in Deutschland

In Deutschland lebten Ende 2017 rund 1,5 Millionen Flüchtlinge, davon hatten ca. eine Million Menschen einen relativ sicheren Status (ca. 640.000 Asylberechtigte und GFK-Flüchtlinge, 257.000 subsidiär Geschütze, 81.000 Personen, bei denen Abschiebehindernisse festgestellt wurden oder 58.000, die im Rahmen von Bleiberechtsregelungen ein Aufenthaltsrecht bekommen haben) und rund 500.000 Flüchtlinge mit unsicherem Status, also rund 160.000 Geduldete und 340.000 Asylsuchende mit einer Aufenthaltsgestattung[4]

Sinkende Schutzquote

Im Jahr 2017 hat das BAMF 603.000 Entscheidungen getroffen: 124.000 Personen haben Flüchtlingsstatus erhalten, 98.000 Subsidiären Schutz, bei 40.000 wurden Abschiebehindernisse festgestellt. Insgesamt haben also rund 262.000 Personen einen Schutzstatus bekommen, zuzüglich ca. 30.000 im Rahmen von Gerichtsverfahren. Die Gesamtschutzquote lag damit bei 43,4%, gegenüber einer Schutzquote von 61,4% im Vorjahr. In den ersten drei Monaten 2018 ist die Anerkennungsquote weiter rückläufig, sie lag insgesamt bei 30,2%.[5] Bei diesen Prozentzahlen ist nicht berücksichtigt, dass das BAMF in ca. 1/3 der Fälle keine inhaltliche Entscheidung trifft, weil die Verfahren eingestellt werden oder an andere Staaten verwiesen werden (Dublin Fälle).

Weniger offene Verfahren beim BAMF – mehr bei Gericht

Das BAMF hat die Zahl der noch nicht erledigten Verfahren auf 51.000 (Ende März) 2018 reduziert. Dafür liegen derzeit rund 350.000 Klagen von abgelehnten Asylbewerbern bei den Gerichten vor.

Verfahrensdauer beim BAMF

Das BAMF weist darauf hin, dass die lange Verfahrensdauer der Vergangenheit angehöre, mittlerweile werde zügig entschieden. Das stimmt auch – aber nur für neu gestellte Asylanträge und auch nicht für Anträge von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Konkret: Bei neu gestellten Anträgen dauern die Verfahren beim BAMF derzeit durchschnittlich 2,9 Monate – betrachtet man aber alle Verfahren zusammen, so kommt man auf eine durchschnittliche Verfahrensdauer von ca. 10 Monaten. Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen dauerten die Verfahren im 4. Quartal 2017 durchschnittlich 13,7 Monate.[6]

Integration in den Arbeitsmarkt – positive Entwicklungen und große Herausforderungen

Bei der Frage, wie schnell die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gelingt, schwanken die Einschätzungen extrem. Während die einen angesichts unzureichender Deutschkenntnisse und fehlender beruflicher Qualifikationen bei zahlreichen Flüchtlingen von dauerhaft hoher Arbeitslosigkeit ausgehen, verweisen andere auf die Chancen, die die Fluchtmigration angesichts des perspektivisch zurückgehenden Erwerbspersonenpotentials bieten kann.

Eine differenzierte Betrachtung der aktuellen Entwicklungen macht deutlich, dass es einerseits durchaus positive Entwicklungen bei der Beschäftigung Geflüchteter gibt, dass aber für die kommenden Jahre auch noch große Herausforderungen bestehen.

Zu den positiven Entwicklungen gehört die deutliche Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den Hauptherkunftsländern stieg in den letzten 12 Monaten um 96.000 (+53,9%) Personen an und liegt nun bei 209.000. Zusätzlich gingen 64.000 Personen einer ausschließlich geringfügigen Beschäftigung nach (plus 16.000 gegenüber Vorjahr).

Im März 2018 waren in Deutschland 474.000 Geflüchtete arbeitssuchend registriert, darunter waren 177.000 arbeitslos. Während die Zahl der arbeitslos Gemeldeten in den letzten 12 Monaten nahezu stabil geblieben ist, ist die Zahl der arbeitsuchend gemeldeten Flüchtlinge zuletzt leicht rückläufig. Dieser aktuell leichte Rückgang ist – neben dem Rückgang der Zahl der Asylsuchenden – im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass viele Geflüchtete aktuell in Arbeitsmarktprogrammen und Integrationskursen gefördert wurden. So befanden sich etwa im Dezember 2017 198.000 Geflüchtete in einer „Fremdförderung“ (nicht BA geförderte Maßnahmen), vor allem in Integrationskursen.

Die Beschäftigungsquote von Geflüchteten ist innerhalb eines Jahres um 9% auf nunmehr 24,8% gestiegen, liegt damit aber weit unterhalb der Beschäftigungsquoten für Ausländer (47%) und erst recht für Deutsche (68%) Diese Zahlen machen deutlich, dass die Integration in den Arbeitsmarkt einen langen Atem braucht.

Hilfebedürftigkeit

Der Anstieg der Zahl der geflüchteten erwerbsfähigen Leistungsberechtigten hat sich gegenüber dem Vorjahr leicht abgeschwächt. Im Dezember 2017 waren 4,25 Millionen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in den Jobcentern registriert. Bei 14% oder 594.000 handelte es sich dabei um Geflüchtete. Zudem gab es schätzungsweise 291.000 nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte. [7]

Ausreisepflichtige – weniger als prognostiziert

Die Zahl der Ausreisepflichtigen ist im vergangen Jahr – entgegen der Prognosen – kaum gestiegen und lag Ende 2017 bei 228.000 Personen. Davon hatten 166.000 eine Duldung. Von den 228.000 sind 118.000 abgelehnte Asylbewerber. Mc.Kinsey hatte für Ende 2017 insgesamt 485.000 Ausreisepflichtige prognostiziert – lag also um 60% neben der Realität.

Im Jahr 2017 gab es 24.000 Abschiebungen, 43.000 freiwillige Ausreisen (mindestens) davon 30.000 gefördert. Allerdings sind die Zahlen der freiwilligen Ausreisen mit Vorsicht zu genießen, denn diese werden nur konsequent erfasst, wenn die Betroffenen bei der Ausreise Förderprogramme in Anspruch nehmen.[8]

Mehr Dublin Verfahren

Bei 32,4% im Gesamtjahr 2017 (2016 waren es nur 7,7%), d.h. in jedem dritten  Asylverfahren wurde ein Dublin-Ersuchen an andere Mitgliedstaaten zur Übernahme des Verfahrens gestellt, insgesamt waren es 64.267 (2016: 55.690).

Vor allem Italien wurde 2017 um eine Übernahme ersucht (in 22.706 Fällen = 35,3%, Frankreich: 6,9%, Ungarn: 5,1%). Nach jahrelanger Aussetzung gab es 2017 auch 2.312 Übernahmeersuchen an Griechenland.

Die Zahl der Selbsteintritte Deutschlands geht weiter zurück, 6.598 Selbsteintritte gab es im Jahr 2017 insgesamt

Insgesamt gab es 2017 7.102 Überstellungen in andere EU-Mitgliedstaaten (2016: 3.968), vor allem nach Italien, Frankreich, und Polen. Betroffen waren z.B. russische, irakische, eritreische, nigerianische, afghanische und syrische Flüchtlinge. Dem standen auf der anderen Seite aber 8.754 Überstellungen nach Deutschland gegenüber. Das Dublin-System ist aus Sicht Deutschlands im Ergebnis also weitgehend ein Nullsummenspiel“: Dennoch sind knapp 311 Mitarbeiter/-innen im BAMF allein für die Durchführung von Dublin-Verfahren zuständig („Dublin-Gruppe“).


[1] Eurostat, Pressemitteilung vom 20.Marz 2018

[2] Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbandes zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am Montag, dem 16. April 2018, zum Beratungssachstand zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS), BT-Drucksachen 19/577 und 19/244.

[3] Bundesministerium des Innern: Pressemitteilung vom 12.04.2018.

[4] Dt. Bundestag BT Drucksache 19/633 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE Linke. Zahlen der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Flüchtlinge zum Stand 31.12.2018, 05.02.2018.

[5] Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Aktuelle Zahlen zu Asyl, März 2018.

[6] Vgl. Ergänzende Informationen zur Asylstatistik. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 19/1631 vom 13.04.2018.

[7] Bundesagentur für Arbeit: Bericht Arbeitsmarkt Kompakt: Fluchtmigration, März 2018.

[8] Dt. Bundestag Drucksache 19/800 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Thema Abschiebungen und Ausreisen, 20.02.2018.