Zum Hauptinhalt springen

Sondierungsgespräche: Wie viel Soziales kann Jamaika?

Fachinfo
Erstellt von Dr. Ulrich Schneider

Sollte eine mögliche Jamaika-Koalition es nicht hinbekommen, der Sozialpolitik Priorität einzuräumen, wären die parteipolitischen Verlierer eines solchen konservativ-ökoliberalen Bündnisses am Ende vermutlich vor allem die Grünen. Ihre Anhänger, vor allem die links-bewegten, dürften am meisten enttäuscht sein. Die echten Verlierer wären jedoch die Menschen, die in den nächsten vier Jahren so dringend und endlich eine gute und mutige Sozialpolitik bräuchten.

Für Soziallobbyisten, denen es um die Bekämpfung von Armut und den Zusammenhalt dieser Gesellschaft geht, ist auch nach den Wahlen weiterhin völlig klar: Ohne Projekte wie eine bedarfsdeckende Kindergrundsicherung oder eine Stärkung der gesetzlichen Rente, die Schaffung preiswerten Wohnraums oder einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor für Langzeitarbeitslose lässt sich die Armut in Deutschland nicht wirklich bekämpfen und lässt sich diese Gesellschaft nicht stabilisieren. Nicht zuletzt steht nach wie vor außer Frage, dass es einer deutlich stärkeren Besteuerung hoher Einkommen und großer Vermögen bedarf, um all das sozialstaatlich Notwendige zu finanzieren.

Vor diesem Hintergrund fällt nun ausgerechnet dem kleinsten der möglichen Koalitionspartner eine sozialpolitische Schlüsselrolle in den laufenden Sondierungen zu, ob er will oder nicht, und auch dann wenn es vielen in der Grünen Partei gar nicht recht sein wird. Sie sind nun mal die einzigen unter den möglichen Jamaika-Koalitionären, die all das in ihrem Wahlprogramm haben. Und so ist es nur normal, dass Sozialverbände, Gewerkschaften, Verbraucherschützer oder Mietervereinigungen nun ganz besonders aufmerksam verfolgen, wie sich Grüne in den Sondierungsgesprächen verhalten, welche Priorität Soziales neben der Ökologie tatsächlich haben wird und wie stark sich die Sondierer am Ende machen werden für ihre sozialpolitischen Projekte, mit denen sie im Wahlkampf geworben haben.

Es sieht so aus, dass es ausgerechnet entscheidend vom Sondierungs- und Verhandlungsgeschick der Grünen abhängen wird, wieviel Armutsbekämpfung, wieviel Soziales in der möglichen konservativ-ökoliberalen Koalition stecken wird. Dabei ist es allerdings völlig unklar, wie die möglichen Koalitionspartner zusammenkommen wollen. Nun ist es ja nicht so, dass sich ihre sozialpolitischen Positionen lediglich unterscheiden würden. Das wäre zu lösen. An verschiedenen Punkten, von den Renten über die wichtige Mietpreisbremse bis zur Steuerpolitik, sind sie ausgesprochen konträr, widersprechen sich, ist die ganze Richtung eine völlig andere. Die Grünen Sondierer tragen eine schwere Bürde. Es geht um die künftige Entwicklung unseres Sozialstaates. Es geht aber auch um das künftige Profil und die Zukunft der Grüne.