2020 Februar Ausschreibung der Studie zum Werkstattentgelt
Der Bundestag hat mit dem Beschluss zum Gesetz zur Anpassung der Berufsausbildungsbeihilfe und des Ausbildungsgeldes im Juni 2019 auch einen Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen angenommen. In diesem wird die Bundesregierung aufgefordert: "innerhalb von vier Jahren unter Beteiligung der Werkstatträte, der Bundesarbeitsgemeinschaft WfbM, der Wissenschaft und weiterer maßgeblicher Akteure zu prüfen, wie ein transparentes, nachhaltiges und zukunftsfähiges Entgeltsystem entwickelt werden kann", Bundestags-Drucksache 19/10715 (siehe Mails vom 28.10. und 11.11.2019). Zur Umsetzung des Prüfauftrags wurde die eu-weite Ausschreibung "Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und zu deren Perspektiven auf dem allg. Arbeitsmark" am 14.02.2020 veröffentlicht.
Bestandteil der Ausschreibungsunterlagen ist u.a. die Leistungsbeschreibung für einen Dienstleistungsauftrag zur Erstellung einer Studie zu einem transparenten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Entgeltsystem für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und zu deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Studie hat zwei Zielrichtungen:
- Zum einen ist das Entgeltsystem in der WfbM unter der Fragestellung zu betrachten: Welche Möglichkeiten gibt es, die Werkstattentgelte zu erhöhen, um die Anerkennung für die geleistete Arbeit zu steigern? (Höhe der Entgelte, das Zustandekommen der Entgelte sowie das Verhältnis zu unterhaltssichernden Leistungen und Rentenleistungen, Herstellung von Transparenz hinsichtlich des Entgelt- bzw. Einkommenssystems)
- Zum anderen sind Alternativen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wie bspw. das Budget für Arbeit oder die Beschäftigung nach einer innerbetrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung in den Blick zu nehmen.
Das Forschungsvorhaben besteht aus drei Untersuchungsgegenständen:
- Untersuchung des aktuell bestehenden Entgelt- und Einkommenssystems
- Alternativen zum aktuellen Entgelt- und Einkommenssystem
- Möglichkeiten für eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
Das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte bereits im Vorfeld zum Forschungsvorhaben eine Steuerungsgruppe eingerichtet. Die BAG Freie Wohlfahrtspflege hat darin einen Platz. Die Steuerungsgruppe ist laut Ausschreibung bei den wesentlichen Weichenstellungen des Projekts und bei der Erstellung der Berichte einzubeziehen. Der Bieter soll darlegen, wann und wie dies konkret erfolgen soll.
Laut Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gestalten sich die weiteren terminlichen Schritte wie folgt:
- 17.03.2020: Fristende für die Einreichung von Interessensbekundungen
- bis 30.03.2020: Prüfen der Interessensbekundungen und Versendung der Aufforderungen zur Angebotsabgabe
- 04.05.2020: Fristende für die Abgabe von Angeboten
Im Anschluss sollen die eingegangenen Angebote geprüft werden. Der weitere zeitliche Verlauf hängt davon ab, in welchem Maße im sich anschließenden Verhandlungsverfahren Bedarf zur Nachjustierung des Auftrags ergibt.
Die Leistungsbeschreibung finden Sie
hier.
Die vollständigen Ausschreibungsunterlagen können unter folgendem
Link eingesehen werden.
November 2019 erste Beratung
Am 06.11.2019 fand die erste Beratung der Steuerungsgruppe "Entgeltsystem in WfbM" im BMAS statt, an der der Paritätische für die BAGFW teilgenommen hat. Die Steuerungsgruppe soll das geplante Projekt zur Umsetzung des Entschließungsantrags des Bundestags begleiten und eine Rückkopplung mit der Praxis ermöglichen. Gegenstand der Beratung war der Entwurf einer Leistungsbeschreibung für einen Dienstleistungsauftrag zur Erstellung einer Studie zur transparenten und verbesserten Entlohnung von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für behinderte Menschen und deren Perspektiven auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Im Anhang sind die Einladung, der Entschließungsantrag und der Entwurf der Leistungsbeschreibung zur Arbeitserleichterung beigefügt.
Für die Finanzierung der geplanten Studie sollen Projektmittel aus der Ausgleichsabgabe akquiriert werden, daher geht der Auftrag über den Auftrag des Entschließungsantrags vom Bundestag hinaus. Das Vorhaben soll bereits in die Beratung des Teilhabebeirates (§ 86 SGB IX) im November 2019 eingebracht werden. Mit einer Ausschreibung der Studie sei jedoch nicht vor Mitte nächsten Jahres zu rechnen. Das BMAS geht davon aus, dass der Zeitraum von vier Jahren, wie im Entschließungsantrag des Bundestages vorgegeben, für die Studie notwendig sein wird.
Die Verbände behinderter Menschen merkten an, dass ein differenzierterer und inhaltlich konkreterer Zeitplan notwendig sei, so dass vor Ablauf der Vier-Jahresfrist Ergebnisse vorgelegt und Veränderungen eingeleitet werden können. Des Weiteren sind den Verbänden Informationen zu den Bedürfnissen und Vorstellungen der Menschen mit Behinderungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wichtig. Dabei sollten vor allem Menschen mit Behinderungen auf den Außenarbeitsplätzen befragt werden, was nach deren Ansicht unproblematisch sei und in weniger als vier Jahren umgesetzt werden könnte. Dabei sei auf eine barrierefreie Befragung zu achten (leichte Sprache, Assistenz- und Kommunikationshilfen).
Die Hinweise der Fachverbände und BAG WfbM bezogen sich auf die Notwendigkeit eines klaren gegliederten Zeitplans und einer Analyse, die die derzeitigen Rahmenbedingungen, den Personenkreis und die Ein- und Ausgaben beleuchtet. Sofern der Auftrag, über das Entgeltsystem der WfbM hinaus, in Richtung allgemeiner Arbeitsmarkt ausgeweitet wird, sollten zwingend auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf einbezogen werden. In diesem Zusammenhang wurde der Rehabilitationscharakter der Einrichtung und der Rehabilitationsstatus der Leistungsberechtigten betont, so dass nicht nur Artikel 27 sondern auch Artikel 26 der UN-Behindertenrechtskonvention heranzuziehen sei. Bei der Ermittlung des Forschungsstandes sollten nicht nur die WfbM, sondern auch Wirtschaftsunternehmen einbezogen werden. Des Weiteren wurde auf die Abschlüsse der Werkstattbeschäftigte und die Anerkennung von Abschlüssen nach dem Berufsbildungsgesetz hingewiesen.
Die BAGFW hat daran angeknüpft und angemerkt, dass
- es sich in den Werkstätten nicht um Lohn, sondern Entgelte und nicht um Vorteile oder Privilegien, sondern um Nachteilsausgleiche bei der Rentenregelung handelt.
- der Auftrag für die Studie nur bedingt mit dem Entschließungsantrag kompatibel sei, weil darin nur ausgeführt wird, das Entgelt- und Leistungssystem zu beleuchten ist. Dazu gehören aus Sicht der BAGFW auch finanzielle Transferleistungen und Unterstützungs- bzw. Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderungen, die bei einer Analyse oder Veränderung der Entgeltsystematik zu berücksichtigen sind.
- die WfbM vom Solidar- und vom Leistungsprinzip geprägt ist und daher auch die Leistungen von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf bei der Feststellung und Verteilung des Arbeitsergebnisse zu berücksichtigen sind. Die geplante Studie darf daher nicht schwerpunkt mäßig auf "Löhne" für Menschen mit Behinderungen und dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgerichtet sein.
- die Befragung nach den Vorstellungen der Leistungsberechtigten sich nicht nur an Beschäftigte in Betrieben (Außenarbeitsplätze) richten sollte, sondern gleichermaßen Menschen in der Werkstatt und in den Beschäftigungsstätten mit hohem Unterstützungsbedarf einbeziehen muss.
- die Sorge besteht, dass mit dem Wording "Lohnsystem" und dem Schwerpunkt Arbeitsmarkt, es im Ergebnis zur einer weiteren Differenzierung in förderfähige Leistungsberechtigte für die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht förderfähige Leistungsberechtigte kommen kann. Der Auftrag der Werkstatt - Rehabilitation - und der Reha-Status der Leistungsberechtigten dürfen daher nicht in Frage gestellt werden. In diesem Zusammenhang sollte auch die Abschaffung des Zugangskriteriums geprüft werden (§ 219 Abs. 2 SGB IX, Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung). Das Vorhaben muss sich auch darauf beziehen, wie für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf eine Teilhabe am Arbeit und Beschäftigung ermöglicht werden kann.
Die BAGüS konnte den Hinweisen der Fachverbände und der BAGFW im Wesentlichen folgen und regte an, das geplante Vorhaben in drei Teile aufzugliedern:
Teil 1: Analyse des Entgeltsystems in der Werkstatt (Welche Einnahmen und welche Ausgaben hat eine WfbM?)
Teil 2: Das Gesamtsystem der Werkstätten zu beleuchten (z. B. die Leistungen) und dieses mit dem abgleichen, was auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt stattfindet: Da Werkstätten nicht so "produktiv" wie Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes sein können, muss überlegt werden, wo bzw. wie auch künftig der Ausgleich stattfinden kann (Entgelt, Lohn, Rentenzahlungen).
Teil 3: Gestaltung der Übergänge (Wie kann es gelingen, Menschen die heute in der Werkstatt sind, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen?)
Die BIH merkten an, dass die Sichtweisen der Schwerbehindertenvertretungen und der Arbeitgeber fehlen.
Werkstatträte Deutschland informierte, dass bereits ein "Basisgeld zur Gleichstellung dauerhaft voll erwerbsgeminderter Menschen" vorliegt, was in weitere Überlegungen einbezogen werden sollte.
Einigkeit bestand bei den Teilnehmer*innen dahingehend, dass mit Begrifflichkeiten gearbeitet werden sollte, die nach jetziger Rechtslage klar sind und nicht nur ausgewählte Teile, sondern das gesamte System zu betrachten sei (die rechtlichen Rahmenbedingungen und der Personenkreis der WfbM). Die Fokussierung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt allein, sei unzureichend. Offen blieb, ob Beschäftigungsstätten einbezogen werden sollen.
Die Fragen nach dem Zusammenhang zwischen dem Gehalt bzw. Ausbildung der Geschäftsführung und dessen Entlohnung wurde kontrovers diskutiert. Die BAGFW merkte an, mit diesen Fragen sensibler umzugehen und Fehltritte Einzelner nicht allen Geschäftsführungen gleichermaßen zu unterstellen. Ein solches Vorgehen wirkt nicht vertrauensbildend. Bei der Datenanalyse seien die Anforderungen zur Umsetzung des Arbeitsauftrages und die Qualität der Unterstützungsleistungen in der Werkstatt in den Blick zu nehmen.
Die Einbeziehung eines Budgets für Ausbildung (sofern das Angehörigen-Entlastungsgesetz beschlossen wird) und die Abgrenzung zur Untersuchung zum Persönlichen Budget entsprechend den Projekten nach BTHG blieben offen.
Das BMAS fasste am Ende zusammen, dass die Anregungen der Teilnehmer*innen hilfreich waren. Die Anregungen insbesondere zum Umfang, zur Zeitplanung und Differenzierung (Teilprojekte) sollen überprüft werden. Das Vorhaben könnte so von einem Anbieter-Konsortium in Teilschritten umgesetzt werden. An erster Stelle könnte die Befragung der Menschen auf den Außenarbeitsplätze stehen. Dennoch sollten auch Leistungsberechtigte der Werkstatt mit hohem Unterstützungsbedarf in der WfbM einbezogen werden. Der Status quo sei im Entwurf der Leistungsbeschreibung zu kurz gekommen, daher sollten die Einnahmen und Ausgaben der Werkstatt und die der Leistungsberechtigten beleuchtet und die Fragen zu den Geschäftsführungen "eleganter" zusammengefasst werden.
Der Entwurf der Leistungsbeschreibung soll überarbeitet und den Teilnehmer*innen der Steuerungsgruppe übermittelt werden, so dass grundlegende Bedenken nochmals übermittelt werden können.
Einladung 1. Sitzung Steuerungsgruppe
Entwurf Leistungsbeschreibung
Entschließungsantrag