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Behindertengleichstellungsgesetz - BGG

Fachinfo
Erstellt von Claudia Zinke

Vorstellung des Abschlussberichts der Universität Kassel "Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes"

Das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) trat am 1. Mai 2002 in Kraft. Zusammen mit dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch – SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) hat das BGG einen grundlegenden Paradigmenwechsel für die Stellung von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft eingeleitet. Flankiert von den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wurden weitergehende Schutz- und Teilhaberechte geschaffen. Kernstück des BGG ist die Herstellung einer umfassenden Barrierefreiheit als eine der maßgeblichen Voraussetzungen für eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft. Deshalb sollte nach gut zehn Jahren das BGG einschließlich der auf seiner Rechtsgrundlage ergangenen drei Rechtsverordnungen (Kommunikationshilfenverordnung, Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung und Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung) evaluiert werden. Die Evaluation wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von der Universität in Kassel, Fachgebiet Sozialrecht der Rehabilitation und Recht der behinderten Menschen, Leitung: Prof. Dr. jur. Felix Welti durchgeführt.

Am 16.09.2014 wurde im Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Rahmen der Veranstaltung „BGG im Dialog“ der Abschlussbericht der Universität Kassel "Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes" (BGG) vorgestellt.

An der Veranstaltung haben Interessenverbände für Menschen mit Behinderungen, Fachverbände, Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, Landesbehindertenbeauftragte und Vertreter von Sozialleistungsträgern teilgenommen.

Prof. Welti (Universität Kassel) stellte die Ergebnisse vor. Dabei ging er u. a. auf folgende Aspekte ein:

- Das BGG sei unzureichend bekannt, dennoch werde es, da wo bekannt, überwiegend positiv bewertet.

- Der Behinderungsbegriff im BGG werde überwiegend mit dem Schwerbehindertenrecht und dessen Leistungsrecht verbunden. Daher sei dieser medizinisch geprägt und stehe somit kaum im sozialen Kontext.

- Das BGG finde für Menschen mit geistiger oder seelischer Behinderung kaum Beachtung.

- Das Instrument der Zielvereinbarung war nicht sehr erfolgreich, da diese für freiwillig gehalten werden. Mit Blick auf das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und die UN-Behindertenrechtskonvention sei die Freiwilligkeit jedoch eingeschränkt. Auch die Umsetzung des Verbandsklagerecht wurde als nicht erfolgreich eingeschätzt.

- Bei der Schwerbehindertenvertretung wurden Überschneidungen im BGG und im Sozialgestzbuch IX festgestellt und vorgeschlagen, diese normativ zusammenzuführen. Ferner spiele die Schwerbehindertenvertretung besonders bei den Behörden eine bedeutende Rolle.

- Bei den Interessenverbänden für Menschen mit Behinderung sei das BGG bekannt und werde geschätzt, allerdings fehlen die Ressourcen um diesem Gesetz in der Praxis des Alltags eine entsprechende Priorität einzuräumen.

Die Handlungsempfehlungen der Universität umfassten u. a.:

- Öffentlichkeitsarbeit und Kooperation zwischen den Verbänden für Menschen mit Behinderung und der Zivilgesellschaft

- Bewußtseinsbildung bei Richter/-innen

- die Bereitstellung von sozialer, medizinischer, technischer und rechtlicher Fachkompetenz, z. B. in einer Agentur bzw. Stiftung,

- die Präzisierung des Anwendungsbereiches des BGG (z. B. umfassend für Landesbehörden oder Private Anbieter von Leistungen),

- die Anpassung des Behindertenbegriffs, auch wenn dieser schon heute rechtskonform ausgelegt werden könne (z. B. Übernahme der Definition im Brandenburger Behindertengleichstellungsgesetz § 3 Abs. 1 Br. GG),

- die Anpassung des Benachteiligungsverbots gem. an Art. 5 Behindertenrechtskonvention, sowie die Angleichung der Regelungen im AGG und BGG,

- die Schaffung von konkreten Stufenplänen für die Umsetzung der Barrierefreiheit,

- die Schaffung von Regelungen für Schlichtungsverfahren bei Verbandsklagen, vergleichbar den Regelungen im österreichischem Behindertengleichstellungsgesetz.

Von seiten des Bundesministerium wurde berichtet, dass die im Evaluationsbericht vorgelegten Handlungsempfehlungen nun mit den verantwortlichen Ressort erörtert werden sollen. Das BMAS habe bereits den Abschlussbericht , z. B. dem Bundesministerium Justiz und dem Bundesministerium für Wirtschaft zur Verfügung gestellt und zu Gesprächen aufgefordert. Die Bündelung der Fachkompetenz in einer Agentur oder Stiftung wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Umsetzung des BGG vor Ort stattfinde und eine Bundesagentur von der Praxis zu weit entfernt wäre. Eine Klarstellung zum Behinderungsbegriff sei auch aus Ministeriums Sicht notwendig. In diesem Zusammenhang wurde auf den Prozess zum Bundesteilhabegesetz verwiesen. Zur Forderung nach "leichter Sprache" wurde Seitens des Ministeriums auf verständliche Sprache und begleitende Kommunikation zur Fachsprache hingewiesen. Die Verankerung der "leichten Sprache" in den Leistungsbescheiden wurde ausgeschlossen. Zur Schaffung von Schlichtungsverfahren befinde man sich hausintern noch in der Kommunikation. Das Ministerium betonte, dass die Diskussion zum BGG fortgesetzt werden solle. Ein fertiges Konzept sei jedoch noch nicht vorhanden, aber das Ziel - eine Fortentwicklung des BGG. Zuerst wolle man jedoch das Bundesteilhabegesetz bearbeiten und anschließend könne im BGG entsprechend nachgearbeitet werden. Vorrang habe aus Sicht des Ministeriums auch die Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.

Informationen zur Klärungsphase innerhalb des Ministeriums bzw. zu den Ergebnissen sollen im Teilhabebeirat (SGB IX) und im Rahmen des Beteilungsverfahren zur Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegeben werden.

Am Ende der Veranstaltung gab eine Vertreterin aus Österreich noch die interessante Information, dass Österreich die Übersetzung der UN- Behindertenrechtskonvention korrigieren wolle.

Der Abschlussbericht der Evaluation umfasst 600 Seiten. Die Vorschläge für Handlungsempfehlungen sind auf den Seiten 502 bis 511 zu finden. Er ist im Anhang beigefügt.

Anlage


Abschlussbericht - Evaluation des Behindertengleichstellungsgesetzes final.pdf