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Die Digitalisierung der Arbeitswelt und die Bedeutung für die Freie Wohlfahrt

Fachinfo
Erstellt von Praktikant 05

Der nachfolgende Text stellt wesentliche Diskussionspunkte zur Digitalisierung der Arbeitswelt dar, welche auch die Freie Wohlfahrt betreffen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im Grünbuch „Arbeiten 4.0“ bereits erste Entwicklungen zur Digitalisierung der Arbeitswelt beschrieben. Bis voraussichtlich Ende 2016 wird das Ministerium ein Weißbuch erarbeiten, auf dessen Grundlage politische Handlungsempfehlungen für die nächste Legislaturperiode abgeleitet werden können.

Die Digitalisierung der Arbeitswelt meint eine aufgrund von digitalen Technologien verstärkte Automatisierung, Vernetzung und Flexibilisierung von Arbeitsprozessen.

Kennzeichen der Digitalisierung sind zum einen, dass die Automatisierung und Vernetzung von Fertigungs- und Dienstleistungsprozessen die Geschwindigkeit der Wertschöpfung steigern. Zum anderen können der Zugang zu neuen digitalen Daten und die Analyse dieser dazu beitragen, dass Dienstleistungen, Services, Produkte etc. stärker individualisiert werden. Insgesamt trägt dies zur Neugliederung ganzer Branchen bei und zu einem Wettbewerb, in welchem es entscheidend ist, eigene Standards zu etablieren und wichtige Wettbewerbspositionen zu besetzen. Auch die Aufteilung der Wertschöpfungskette in kleinere Sequenzen trägt zum Eintritt neuer Akteure in das Marktgeschehen bei. Veränderungen in der Wertschöpfungskette durch die Vernetzung von Arbeitsprozessen sind bspw. bei der Volkswagen AG sichtbar. Kooperierende Robotersysteme ermöglichen hier erstmalig eine direkte „Hand-in-Hand“-Kooperation zwischen Mensch und Roboter, welche an den individuellen Arbeitstakt des Mitarbeiters angepasst sind und ohne Sicherheitsabsperrungen arbeiten.

Aus der Änderung des Marktgeschehens sowie der Dienstleistungs- und Fertigungsprozesse folgt auch, dass Unternehmen ihre digitalen Strukturen und Ressourcen anpassen müssen. Neben einer notwendigen Analyse vom Einfluss digitaler Technologien auf den eigenen Tätigkeitsbereich, ist es somit auch nötig, die Risiken und Chancen, die sich aus der Digitalisierung für das eigene Handeln ergeben, zu identifizieren und entsprechend notwendige Maßnahmen einzuleiten.

Wie viele andere Branchen wird auch die Freie Wohlfahrt von digitalen Technologien beeinflusst werden. Denkbar ist, dass Dienstleistungen von Beschäftigungsträgern und Integrationsunternehmen durch die Digitalisierung betroffen sind. Beispielsweise entstehen Online-Plattformen, welche soziale Dienstleistungen anbieten und vermitteln (sog. Dienstleistungen on demand). Auch die Entwicklung digitaler Lernplattformen der Bundesagentur für Arbeit spiegelt eine Digitalisierung von Großbehörden wider.
Berufe und Beschäftigungschancen

Die in dem Zusammenhang mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt häufig erwähnte Studie von Carl B. Frey und Michael A. Osborne („The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerization?”, 2013), welche die Automatisierungswahrscheinlichkeit von Berufen in den USA errechnet, wurde
im Auftrag des BMAS auf Deutschland übertragen. Demnach sind 42% der in Deutschland Erwerbstätigen in Berufen tätig, die in den nächsten zwei Dekaden automatisiert werden. Da in erster Linie jedoch nicht Berufe, sondern Tätigkeiten automatisiert werden und auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Beschäftigten einer Berufsgruppe dieselben Tätigkeiten ausüben, verfolgt der BMAS-Forschungsbericht einen alternativen methodischen Ansatzes und gelangt zu 12% an Arbeitsplätzen, die Tätigkeitsprofile mit hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit aufweisen.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Automatisierung von Arbeitsprozessen gewinnen für die menschliche Arbeit Tätigkeiten an Bedeutung, in denen soziale Intelligenz, Wahrnehmung und Urteilsvermögen relevant sind. Dies trifft etwa auf Beschäftigungen im Gesundheits- und Sozialwesen oder auch auf den Bildungsbereich zu. Allerdings werden auch in diesen Bereichen, wie bspw. in der Altenpflege, bestimmte Tätigkeiten durch automatisierte Technik übernommen werden.

Weiterhin wird die Nachfrage nach hochqualifizierten Tätigkeiten steigen, welche durch komplexe kognitive, analytische und interaktive Tätigkeiten geprägt sind. Zwar ist der konkrete Einfluss der Digitalisierung auf den mittleren und geringeren Qualifikationsbereich schwer zu prognostizieren, dennoch wird entscheidend sein, wie auch diese Erwerbstätigen durch Aus- und Weiterbildung befähigt werden, analytische und interaktive Tätigkeiten auszuüben. Weiterhin müssen im Bereich der Weiter- und Berufsbildung schwerpunktmäßig die Förderung von Kenntnissen der Informations- und Kommunikationstechnologien, fokussiert werden. Im Bereich der Fort- und Weiterbildungen betrachtet das BMAS u. a. digitale Plattformen wie den „Berufsentwicklungsnavigator“ als Chance, Angebote in diesem Bereich auszudehnen. Weiterhin sieht das BMAS die Nutzung digitaler Technologien als technische Arbeitserleichterungen, die eine verbesserte Inklusion von Menschen mit Behinderung ermöglichen.

Der vermehrte Einsatz von digitalen Technologien im Arbeitsprozess führt weiterhin zur Verbreitung neuer Erwerbsmodelle. Da diese jedoch erhebliche Differenzen zum gegenwärtigen Arbeitnehmer-Begriff aufweisen, stellen diese gleichzeitig die Anwendung des Arbeitsrechts infrage. Während den klassischen Arbeitnehmer-Begriff ein zweiseitiges Rechtsverhältnis, die persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber und die hierarchische Steuerung auszeichnen, sind neue Erwerbsmodelle durch mehrgliedrige Rechtsverhältnisse, nicht-hierarchische Arbeitsformen und Selbststeuerung gekennzeichnet.

Auch werden sich die neuen Erwerbsmodelle auf die Systeme der Sozialversicherung auswirken. Soweit diese, wie bspw. Solo-Selbstständige, einer privaten Versicherung unterliegen, ist fraglich, wie eine hinreichende Beitragsbasis zur Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme gewährleistet werden kann.


BMAS_Grünbuch Arbeiten 4.0.pdfBMAS_Grünbuch Arbeiten 4.0.pdfForschungsbericht im Auftrag vom BMAS.pdfForschungsbericht im Auftrag vom BMAS.pdfRoland Berger Strategy Consultants_Die digitale Transformation.pdfRoland Berger Strategy Consultants_Die digitale Transformation.pdfEichhorst, Buhlmann_Die Zukunft der Arbeit.pdfEichhorst, Buhlmann_Die Zukunft der Arbeit.pdf

Weiterer Literaturhinweis: SOZIALwirtschaft – Zeitschrift für Führungskräfte in sozialen Unternehmungen. Artikelsammlung zum Thema „Digitalisierung: Sozialwirtschaft online“ (voraussichtliches Erscheinen 2016).