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Koalitionsausschuss: Presseerklärung des Paritätischen zum Koalitionskompromiss zur Flüchtlingspolitik

Fachinfo
Erstellt von Gwendolyn Stilling

Presseerklärung vom 07.09.2015

Erklärung von Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, zum Koalitionskompromiss zur Flüchtlingspolitik:

„Der Paritätische begrüßt außerordentlich, dass die Bundesregierung zur Bewältigung der Flüchtlingsprobleme in 2016 sechs Milliarden Euro bereitstellt. Insbesondere wird die Entlastung der Kommunen in einer Höhe von drei Milliarden Euro begrüßt. Es sind dies zwingend notwendigen Schritte. Alles andere hätte zu einem Kollabieren des Hilfesystems geführt.

Umso enttäuschender ist allerdings, dass die von den Koalitionsspitzen beschlossenen Maßnahmen die Gründe für die tagtäglichen humanitären Katastrophen auf dem Mittelmeer und auf der Balkanroute überhaupt nicht berühren. Es wird weder am sogenannten Dublin-System gerüttelt, noch wird für sichere Flucht- und Zugangswege für die Flüchtlinge gesorgt. Stattdessen wird mit Maßnahmen wie der Umstellung von Bargeld auf Sachleistungen, schnelleren Abschiebungen und Restriktionen bei der Duldung offensichtlich auf Härte und Abschreckung gesetzt. Es ist dies ein irritierendes und völlig falsches Signal an die zigtausenden von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die sich für die hier ankommenden Flüchtlinge engagieren und Deutschland ein humanitäres Gesicht geben.

Dass Menschen aus den Balkanländern nun ein direkter Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet werden soll, ist hochvernünftig und begrüßenswert. Völlig unakzeptabel ist jedoch die Anerkennung von Staaten als sichere Herkunftsländer, in denen bekanntermaßen ethnische Minderheiten in einer systematischen und völlig unzumutbaren Weise drangsaliert werden. Auch hier bedarf es – gerade mit Blick auf Gespräche über eine EU-Mitgliedschaft – glasklare Signale, was den Umgang mit Sinti und Roma anbelangt.

Was eine mögliche Verlängerung der maximalen Aufenthaltsdauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen angeht, so ist dies nur akzeptabel, wenn wirklich menschenwürdige und zivile Wohnbedingungen gegeben sind.

Wir weisen insbesondere darauf hin, dass es bei den Erstaufnahmeeinrichtungen nach wie vor an einer guten unabhängigen Verfahrensberatung, einer umfassenden medizinischen Versorgung und insbesondere psychologische Hilfen für traumatisierte Menschen fehlt. Dies kann durch ehrenamtliches Engagement nicht aufgefangen werden.“