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Neue Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Reformnotwendigkeit vom SGB II: „Befähigen statt aktivieren: aktueller Reformbedarf bei Zielsetzung und Aufgabenstellung im SGB II“

Fachinfo
Erstellt von Praktikant 05

Die Publikation zeigt das Scheitern des Aktivierungsansatzes als gegenwärtigen Kern des SGB II und betont vor diesem Hintergrund die Neuausrichtung des SGB II auf den Befähigungsansatz als dessen neues und zugleich zentrales Paradigma.

Die Publikation der FES von Professor Claus Reis und Benedikt Siebenhaar zeigt, dass der gegenwärtig im SGB II enthaltene Aktivierungsansatz, der die direkte Arbeitsmarktintegration und die Aktivierung der Arbeitssuchenden vor allem durch einseitiges Fordern betont, konzeptionell inkonsistent ist und das sich daraus resultierende Scheitern insbesondere bei der mangelhaften Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit als Reformziel der „modernen Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ zeigt. Um dieser Problematik zu begegnen, soll der Befähigungsansatz den neuen und zugleich zentralen Kernbestandteil des SGB II bilden, welcher die Befähigung des Arbeitssuchenden betont, eigene Verwirklichungschancen autonom zu gestalten. Zu diesem Zweck soll die gegenwärtige Ausrichtung des SGB II auf die Aktivierung und unmittelbare Arbeitsmarktintegration durch die Verankerung der sozialen Teilhabe als konkrete Ziel- und Aufgabenstellung im SGB II reformiert werden, um damit zu verdeutlichen, dass die Sicherung eines Lebens in Würde auch unabhängig von der Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu betrachten ist. Im Rahmen dieses Paradigmenwechsels soll der im SGB II enthaltene Anspruch eines menschenwürdigen Lebens der Leistungsberechtigten somit nicht auf finanzielle Aspekte verengt werden.

Da der Grundsatz des Förderns gem. § 14 SGB II nicht nur die Eingliederung in Arbeit sondern auch die umfassende Unterstützung der Leistungsberechtigten beinhaltet, sind die kommunalen Leistungen nach § 16a SGB II nicht weiter als „flankierende“ Leistungen zu führen. Vielmehr müssen diese in identischer Weise wie die Eingliederungsleistungen nach § 16ff. SGB II als eigenständige Leistungen betrachtet werden. In diesem Rahmen ist auch dem Transparenz- und Umsetzungsdefizit bei der Bereitstellung der sozialintegrativen, kommunalen Leistungen nach § 16a SGB II zu begegnen, indem ein System zu errichten ist, welches die Erbringung ausreichender Integrationshilfen sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht ermöglicht.

Weiterhin sollen in diesem Rahmen sollen neue gesetzliche Vorgaben zu den Eingliederungsvereinbarungen gem. § 15 SGB II sicherstellen, dass die Aushandlung der Vereinbarungen auf der Freiwilligkeit des Arbeitssuchenden sowie auf der Gleichberechtigung und dem Konsens zwischen dem Leistungsberechtigten und der Verwaltung beruht. Um den konsensualen und kooperativen Charakter der Eingliederungsvereinbarungen auch bei Abweichungen von diesen zu wahren, sind die gegenwärtig im Rahmen des Aktivierungsansatzes bestehenden SGB II-Sanktionen hinsichtlich von Instrumenten zu novellieren, die eine grundsätzlich verhältnismäßige und zusätzlich flexible Entscheidungen im Einzelfall ermöglichen.

Die unspezifischen und auf die unmittelbare Arbeitsmarktintegration zentrierten Eingliederungsleistungen nach § 16ff. SGB II müssen zudem stärker an den individuellen Bedarfslagen der Leistungsberechtigten (z. B. psychische, gesundheitliche Probleme) ausgerichtet werden, welche die Arbeitsmarktintegration verhindern. Dabei muss die Neuausrichtung der Förderinstrumente auf die Überwindung der subjektiven Vermittlungshemmnisse ausgerichtet sein. In diesem Zusammenhang greift die Expertise auch die von der BAGFW und anderen Akteuren geforderte gesetzliche Novellierung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf.

Um durch eine Novellierung des SGB II ein qualifiziertes und auf den Befähigungsansatz ausgerichtetes Fallmanagement gewährleisten zu können, sind gesetzliche Vorgaben zur Funktion, Qualität und der inhaltlichen Ausrichtung des Fallmanagements zu treffen. Insbesondere sind dabei qualitative Vorgaben für die Bereiche der Kooperation und Vernetzung mit weiteren Unterstützungsnetzwerken – auch unter Beteiligung der freien Träger - sowie der Produktion dieser Dienstleistung festzulegen.

Vor diesem Hintergrund sollen neue gesetzliche Vorgaben sicherstellen, dass die Kennzahlen zur Überprüfung der Zielvereinbarungen nach § 48b SGB II insbesondere durch qualitative Indikatoren operationalisiert werden und dass die kommunalen Leistungen nach § 16a SGB II in das Zielsteuerungssystem miteinbezogen werden.

Da zudem die Bekämpfung der heterogenen Ursachen für das Eintreten der Hilfsbedürftigkeit und den Bezug von Grundsicherung nicht allein durch das SGB II als nachrangiges Fürsorgesystem zu leisten ist, muss ein umfassendes Eintreten vorrangiger Fürsorgesysteme vom Gesetzgeber überprüft werden.

Friedrich Ebert Stiftung - Befähigen statt aktivieren.pdfFriedrich Ebert Stiftung - Befähigen statt aktivieren.pdfhttp://library.fes.de/pdf-files/wiso/11528.pdf