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Katastrophenvorsorge: Helfen, bevor Hilfe nötig ist

Seit einigen Jahren häufen sie sich: Die Berichte darüber, dass unsere Natur immer wildere Kapriolen schlägt. Stürme, Hochwasser, Hitze: Ein Rekord jagt den nächsten. Und während wir in europäischen Breitengeraden maximal über die sommerliche Hitze jammern sind die Folgen des Klimawandels in vielen Teilen des Erdballs nicht selten mit dem Verlust der Existenz oder gleich dem Leben verbunden. Wir stellen zwei Initiativen vor, die in der Katastrophenvorsorge tätig sind.

Frank Beutell für Terra Tech in Nepal

Frank Beutell ist Politikwissenschaftler und hat bereits im Studium für die Hilfsorganisation Terra Tech gearbeitet, die in den 30 Jahren ihres Bestehens über 400 Projekte in 54 Ländern realisiert hat. Frank Beutell machte die Arbeit Spaß und ist, wie er sagt, einfach da „hängengeblieben“. Seit knapp drei Jahren ist Beutell fest angestellter Projektleiter in den Regionen in Nepal, Ostafrika und Teilen des Balkan. Im Gegensatz zu anderen Organisationen, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind, verfügt Terra Tech nicht über Länderbüros, sondern arbeitet prinzipiell mit lokalen Partnern vor Ort zusammen. „Nach unserer Ansicht kennen die sich vor Ort am besten im kulturellen Kontext und den Bedürfnissen aus“, erläutert Frank Beutell die Gründe dafür.

Ganz praktisch zeigte sich das vor wenigen Wochen angesichts des schweren Monsuns. „Fangt schon einmal an. Das mit dem Geld bekommen wir schon hin“, hätte man den Verbündeten vor Ort sagen können. Wenn Frank Beutell in Nepal ist, also mindestens einmal im Jahr, ist sein Aufgabenfeld vielfältig. Neben Büroarbeiten, wie die Kontrolle der Buchhaltung, ist natürlich auch die Arbeit vor Ort ein wichtiger Teil. Auch der Kontakt mit den Offiziellen und Händeschütteln vor Ort gehört dazu. „Teilweise sind es aber auch nur Höflichkeitsbesuche“, so Beutell. Die Kommunikation erfolgt auf Englisch.

In einem aktuellen Pilot-Projekt, das Beutell betreut, geht es um Katastrophen-Prävention. Genutzt werden sollten lokale Ressourcen vor Ort und die Häuser somit Erdbeben- und Flutsicherer gemacht werden. Patentrezepte gibt es nicht, denn dafür sind sowohl geografische Unterschiede als auch die Lebens- und Bauweisen im Land zu groß. So kann es sein, dass in einem Dorf Lehmhütten gebaut wurden, die deutlich anfälliger für Hochwasser sind, während ein paar Kilometer weiter Backsteine benutzt werden, welche wiederum sehr anfällig für Erdbeben sind. Die Handlungsempfehlungen sind meistens einfach gehalten, so wie diese: In Backsteingebäude sollten in jede 5.-6. Reihe eine Stahlstrebe eingezogen werden – dies wird z.B. in Handwerkertrainings vermittelt. Das macht die Bauwerke deutlich weniger anfällig für Erdbeben. „Sonst bricht alles zusammen wie ein Kartenhaus“, so Beutell. Direkt mit Beton zu bauen, wie es in westlichen Ländern üblich wäre, ist für viele Nepales*innen auf dem Land unerschwinglich.

Eine kleine Plastiktüte reicht

Eine andere, fast ebenso einfache Maßnahme, betrifft Lehmhäuser. Die werden auch bei leichten Überflutungen oft komplett ausgespült. Verkleidet man sie aber kniehoch mit einer Blechplatte, ist schon viel gewonnen. Eine weitere einfach umzusetzende Maßnahme ist die Jhatpart-Bag oder auch „Notfall-Tasche“ mit den wichtigsten Dokumenten und Gegenständen immer griffbereit im Haus zu haben. Dort sollten wichtige Dokumente, wie die Geburtsurkunde, enthalten sein, die man im Fall einer Naturkatastrophe noch schnell greifen kann. Frank Beutell freut sich: „Das wurde von ganz vielen Dorfgemeinden kopiert, auch weil es fast kein Geld kostet. Eine kleine Plastiktüte reicht. Es ist so einfach, macht aber einen riesen Unterschied, wenn das Haus weggeschwemmt wird und man seine wichtigsten Unterlagen dabeihat.“

Entwicklungsarbeit muss gar nicht teuer sein. Insgesamt werde die Arbeit von Terra Tech sehr gut angenommen, so Beutell. „Wenn etwas nicht angenommen wird, dann meist, weil es nicht in den kulturellen Kontext passt. Dann muss etwas neu durchdacht werden.“ Oder wenn einfach andere lokale Gegebenheiten vor Ort gelten als angenommen, so Frank Beutell. Das ist aber Teil seiner Arbeit und er würde eher skeptisch werden, wenn alles immer glattginge. „Dann hätten wir den perfekten Plan, welchen es nicht gibt, gerade in schwierigeren Arbeitsumfeldern, wie wir sie häufig vorfinden. Letztendlich zählt das Wohl der Menschen immer am meisten.“

Peter Göttert für den Bundesverband Rettungshunde in Taiwan

Seit 26 Jahren ist Peter Göttert Landesbeauftragter für das Rettungshundewesen in Baden-Württemberg und seit 16 Jahren Beiratsvorsitzender des Bundesverbandes Rettungshunde, kurz BRH. Mit Rettungshunden beschäftigt sich Göttert aber bereits seit 1981. Er hatte ein „wunderbares Hundchen“, wie er sagt, das gern auf Rehjagd ging. Auf der Suche nach Hilfe stieß er auf einen lokalen Rettungshunde-Verein und ist seitdem dabei. „Das ist wie schwanger sein: Das geht nicht ein bisschen. Entweder man ist voll und ganz dabei oder gar nicht“, beschreibt Peter Göttert seine Arbeit. Zusätzlich habe er das Glück, dass seine Frau ebenfalls mit Rettungshunden engagiert ist: „Sonst lebt man ja nur mit dem Bild auf dem Nachttisch“.

Was fasziniert ihn so an der Arbeit mit den Tieren, die er nun schon seit fast 40 Jahren macht? „Es gibt bei der Rettung kein anderes Lebewesen, mit dem sie so zusammenarbeiten können, wie mit dem Hund“, antwortet Göttert. Sie sind jedoch keine Maschinen. Hunde seien zwar gehorsam, aber die Kunst bei der Rettungshundearbeit sei es, dem Hund zu vermitteln, dass seine Arbeit Freude mache und auch eigene Entscheidungen zu treffen. Letzteres ist besonders wichtig, denn im Trümmerhaufen lässt ein Hund sich nicht so führen wie beim Gassi gehen im Park. Peter Göttert: „Das ist sehr zeitintensiv, aber jede Minute, die reingesteckt wird, lohnt sich.“

Doch egal wie gut die Hunde trainiert sind – es gibt auch mal Widerstände: Eine Fluggesellschaft wollte die Hunde des BRH nach einem Einsatz zu „Gepäck“ erklären und sie bei einem 15-Stündigen Flug im Frachtraum lassen. „Die überleben das zwar, aber ich weiß nicht, ob der noch einmal in einen Flieger steigt“, befürchtete Göttert. Eine Zeitung schaltete sich ein, brachte einen Beitrag über den verdienten Einsatz der Hunde und das Verhalten der Fluggesellschaft und plötzlich hatte diese ein Einsehen.

Gemeinsames Training mit Kameraden in Taiwan

Göttert ist besonders die interkulturelle Kommunikation eine Herzensangelegenheit. Als er 2012 bei einem Bankett eine Broschüre über den Katastrophenschutz in Taiwan überreicht bekam und feststellte, dass die staatlich organisierte Feuerwehr dort über Rettungshunde verfügt. „Das war für mich sofort die Steilvorlage, die Kameraden aus Taiwan für eine Woche zu uns nach Deutschland einzuladen, um mit ihnen arbeiten und trainieren zu können.“ Es sollte noch vier Jahre dauern, bis sich sein Vorhaben realisieren lies und die Feuerwehr-Kameraden kamen mit drei Hunden vorbei. Der Gegenbesuch im Jahr 2017 hatte für die Besuchten einen besonders hohen Status. So wurde seitens der taiwanesischen National Fire Agency (NFA) ein sogenanntes „Memorandum of Understanding“ aufgesetzt und feierlich vor 800 Leuten unterzeichnet. Am Abend folgte noch ein offizieller Empfang mit dem taiwanesischen Innenminister und weitere offizielle Empfänge für die Freunde der Rettungshunde.

Seit 2018 hat der BRH eine Außenstelle in der Nähe von Taichung, die von den taiwanesischen Kameraden eingerichtet wurde. Das erleichtert die Arbeit vor Ort ungemein. Mit dort eingelagerten Gerätschaften kann bis zu 10 Tage im Erdbebenfall Autark gearbeitet werden. Sogar der stellvertretende Premierminister gab mit seiner Unterschrift seine Anerkennung. „Das wird bei denen schon hoch gehandelt“, freut sich Peter Göttert. Das Team vom BRH fokussierte sich nun darauf, mit den Kameraden aus Taiwan gemeinsam zu trainieren. Das sollte sich auszahlen. Kurz darauf, im Februar 2018 ereignete sich auf Hualien in Taiwan ein Erdbeben, nach welchem mit diesen trainierten Hunden zwei Frauen gerettet werden konnten. „Das ist das Größte, was sie mit ihrem Hund leisten können,“ so Göttert. „Wenn aufgrund ihrer Arbeit Menschen gerettet werden können.“

Autor:

Philipp Meinert

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de