Umgang mit extrem Rechten in kommunalen Gremien
Der gemeinnützige Verein Miteinander – Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V. setzt sich seit mehr als 20 Jahren für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus ein. Der Verein arbeitet gegen Rassismus, Antisemitismus und alle anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die zu Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt führen. Er ist in den Handlungsfeldern der Analyse und Information, Bildung und Netzwerken, Beratung und Begleitung sowie Prävention und Intervention tätig. Im Interview beantwortet der Verein Fragen zum Umgang mit extrem Rechten in kommunalen Gremien.
Seit den 1990er Jahren sind extrem rechte Parteien wie die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD), die Republikaner (REP) und die Deutsche Volksunion (DVU) kommunal aktiv. Mitte der 2000er Jahre kam mit der Bürgerbewegung pro Deutschland ein weiterer Akteur dazu und zuletzt im Jahr 2013 die Alternative für Deutschland (AfD). Was sind die thematischen Schwerpunkte der (extrem) Rechten auf kommunaler Ebene?
In der Themensetzung gibt es kein einheitliches Verhalten. Die Themenfelder auf kommunaler Ebene reichen von Asyl und Migration, Sicherheit und Ordnung, hinsichtlich Kriminalität, Sachbeschädigungen und Körperverletzung, jedoch häufig mit Bezug auf Migrant*innen über Verkehrsinfrastruktur, was überwiegend den Bereich des Straßen- und Wegebaus betrifft, Schule und Kinderbetreuung hinzu Wohnungsversorgung. Lokale und sachbezogene Themen werden häufig nur in den Gremien mit Öffentlichkeit behandelt und weniger in Fachausschüssen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sich (extrem) rechte Parteien als ‚Vertretung der kleinen Leute‘ profilieren möchten.
Kommunalpolitiker*innen sind mit materiellen Ressourcen und Kontroll-, Informations- und Auskunftsrechten ausgestattet, die sie nutzen können, um auf die Zivilgesellschaft einzuwirken. Welche Möglichkeiten haben sie und wie gehen sie dabei vor?
Mit Blick auf Stadt und Land sind die Ressourcen von Kommunal-politiker*innen unterschiedlich verteilt. Hier sollte man hinsichtlich der Wirkmächtigkeit differenzieren. Vorrangiges Ziel (extrem) rechter Parteien ist es, sich auf kommunalpolitischer Ebene zu verankern, um gesellschaftliche Wirkungsmacht zu erlangen. Sie stellen Anträge zu verschiedenen Themen, Anfragen an die Verwaltung, sind Mitglieder oder auch Vorsitzende in Ausschüssen, bspw. Im Jugendhilfeausschuss, oder sind – bei öffentlichen Unternehmen – Mitglieder in kommunalen Aufsichtsräten. Hierüber erhalten sie die Möglichkeit, Daten zu erfragen – was sowohl sensible als auch datenschutzrelevante Informationen betrifft –, fachliche Konzepte einzusehen, über finanzielle Zuwendungen zu entscheiden sowie offene Diskussionen zu sozialpolitischen Fragen durch Einschüchterung und Verunsicherung anderer Ausschussmitglieder zu behindern. In ihrem Abstimmungsverhalten treten sie häufig geschlossen auf. Öffentliche Sitzungen werden mitunter als Bühnen der Agitation von ideologisch motivierter Provokation genutzt. Es lassen sich aber keine verallgemeinernden Aussagen über das Auftreten (extrem) rechter Kommunalpolitiker*innen treffen. Einige zeigen sich aufgeschlossen und konstruktiv, einige unerfahren und wieder andere provozierend.
Inwieweit sind soziale Einrichtungen, Verbände und Institutionen von der Präsenz extrem Rechter in kommunalen Gremien betroffen?
Soziale Institutionen sind vor allem betroffen, wenn Anträge zur Kürzung oder Einstellung ihrer Finanzierung gestellt werden. Begründet werden diese durch Infragestellung von Inhalten und Konzepten sowie der Unterstellung, Gemeinnützigkeit und das sogenannte Neutralitätsgebot würden missachtet werden. Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit wird beispielsweise unterstellt, sie seien „linksextrem“ und Projekte zu sexueller Vielfalt und Aufklärung werden als staatlich geförderte „Frühsexualisierung“ und „Verschwulung“ diffamiert. Soziale Netzwerke werden darüber hinaus genutzt, um Gerüchte und Halbwahrheiten zu verbreiten und gegebenenfalls auch zu mobilisieren. Das schüchtert Fachkräfte ein, mit dem Ziel, diese mundtot zu machen. Gleichzeitig sorgt dies auch für Verunsicherung auf Seiten der Zuwendungsgeber, welche unter erhöhten Druck stehen, vermeintlich in Kritik stehende Projekte zu rechtfertigen, zu reglementieren, deren Förderung zu kürzen oder gar zu streichen.
Welche Strategien können zivilgesellschaftliche Akteur*innen und andere Fraktionen im Umgang mit extrem Rechten auf kommunaler Ebene anwenden?
Zum Umgang mit (extrem) rechten Abgeordneten in kommunalen Gremien gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen. Eine Option ist es, dass sich die Fraktionen für sich bzw. auch untereinander darauf verständigen, geschlossen Anträge von Seiten (extrem) rechter Fraktionen ausnahmslos abzulehnen und jede Zusammenarbeit zu verweigern. Solche Strategien der Ausgrenzung und des Ignorierens können den Status der Opferrolle befördern, welchem sich (extrem) rechte Akteure gerne bedienen. Es ist dennoch möglich, Einschränkungen des Einflusses durch institutionelle Änderungen in Gremien, beispielsweise Ausschussbesetzungen, zu erwirken oder Anträge in nicht-öffentliche Ausschusssitzungen zu verlagern. Bei Grenzüberschreitungen sollte mittels Geschäftsordnungsmaßnahmen, wie z.B. Ordnungsrufe und Wortentziehungen, durchgegriffen werden, um Normalisierungen entgegenzuwirken.
Darüber hinaus bedarf es konsequenter Auseinandersetzung bei gleichzeitiger inhaltlicher Abgrenzung. Kommunalpolitiker*innen müssen in die Lage versetzt werden, mit einer klaren eigenen politischen Agenda (extrem) rechten Parteien entgegenzutreten. Dies erfordert, die Argumentationsmuster (extrem) rechter Politiken erkennen und benennen zu können und eigene alternative Handlungsoptionen aufzuzeigen, bedeutet aber auch, Position beziehen zu wollen und nicht dem vorgeblichen Sachzwang zu folgen.
Fachkräften und fachlichen Trägern empfiehlt es sich, Allianzen zu bilden, gemeinsame Positionierungen zum Schutz und Respekt gegenüber Minderheiten und gleichzeitiger Abgrenzung zu menschenverachtenden Haltungen zu vertreten und sich im Zuge von Konfrontation zu solidarisieren.
Dieses Interview erschien zuerst in unserem Verbandsmagazin 02/2020
Autorin:
Janina Yeung
Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de