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Familien am Limit – Plädoyer für eine nachhaltige und wirksamere Förderung und Unterstützung von Familien

Wenn in den kommenden Wochen in den verschiedenen Bundesländern nach den Sommerferien der Start in das neue Schul- und Kitajahr eingeläutet wird, stellt sich für viele Eltern die bange Frage, ob eine Rückkehr zum „Normalbetrieb“ überhaupt möglich sein wird, oder Einschränkungen und partielle Schließungen auch weiterhin den Alltag vieler Familien bestimmen.

Auch wenn der Start mit Mecklenburg-Vorpommern erst einmal in einem Bundesland erfolgt ist, das sich (bisher) durch anhaltend niedrige Infektionszahlen auszeichnet, sind die Auswirkungen der Pandemie überall spürbar. Spätestens, wenn auch in Berlin die Sommerferien enden, werden die Debatten um die Verhältnismäßigkeit der hygienebedingten Vorgaben und Einschränkungen sowie die Interpretation von einschlägigen Studien zum Infektionsrisiko von Kindern und Jugendlichen erneut an Dynamik gewinnen. Dabei zeichnet sich bereits jetzt ab, dass jedes Bundesland nach wie vor seinen eigenen Umgang mit der Pandemie und der Wiederaufnahme des Normalbetriebs in Kita und Schule gehen wird.

Nach Monaten des Homeschooling und der eingeschränkten Betreuungsmöglichkeiten und -zeiten für Kinder unter sechs Jahren liegen bei vielen Eltern die Nerven blank, nimmt die öffentliche Debatte an Schärfe zu. Befeuert wird das Ganze von wieder steigenden Infektionszahlen und der Angst vor einem erneuten Lockdown. Auch fehlt es vielerorts noch immer an ausreichenden Betreuungsplätzen in Kitas und für den Ganztag in Grundschulen. Angesichts dieser Situation verwundert es sehr, dass das Thema „Familie“ in den verschiedenen Politikfeldern bisher kaum einen besonderen Stellenwert einnimmt. Noch immer scheint der Familienpolitik das Label vom „Gedöns“ anzuhaften. Dabei sind es gerade Familien, die die Last der Pandemie in vielfältiger Art und Weise und unmittelbar zu spüren bekommen. Einschlägige Studien gehen davon aus, dass von den Schließungen von Kita und Schulen in Deutschland rund 11 Mio. Kinder und Jugendliche und deren Familien unmittelbar betroffen waren. Vor diesem Hintergrund sind sozial- und bildungspolitische Versäumnisse der vergangenen Jahre in der Förderung und Unterstützung von Familien deutlich sichtbarer geworden.

Da wirken die getroffenen familienpolitischen Maßnahmen, wie der erleichterte Zugang zum Kinderzuschlag, die Möglichkeiten der Lohnfortzahlung nach dem Infektionsschutzgesetz, wenn die Kinder nicht betreut sind und ein Homeoffice nicht zumutbar ist, sowie der einmalige Kinderbonus von 300 Euro beinahe wie eine hilflose Geste angesichts der mit der Pandemie verbundenen langfristigen Auswirkungen auf Familien. Denn einmal mehr hat sich durch die Pandemie gezeigt, wie sehr sich soziale Ungleichheit und Benachteiligung in diesen Zeiten verstärken. Wie sich beengte Wohnverhältnisse und ein Leben in Armut geradezu als Katalysatoren für fehlende Teilhabe und Bildung von Kindern und deren Familien auswirken. Da hilft es auch nichts, wenn Kindergeld und Kinderfreibetrag wie geplant erneut angehoben werden und der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende zeitlich befristet nahezu verdoppelt wird. Denn diese Leistungen verpuffen geradezu für die, die sie am dringendsten bräuchten. Nach wie vor sind zahlreiche familienbezogene Leistungen nicht nur unzureichend aufeinander abgestimmt, sondern heben sich in ihren gegenseitigen Anrechnungslogiken vielfach auf. So hat eine Familie, die auf Grundsicherungsleistungen angewiesen ist, nichts von einer Kindergelderhöhung, da das Kindergeld auf diese Leistungen vollumfänglich angerechnet wird. Auch Alleinerziehende, die mit Abstand am stärksten von Einkommensarmut betroffene Familienform, müssen sich die Erhöhung auf den Kindesunterhalt hälftig sowie auf den Unterhaltsvorschuss komplett anrechnen lassen. Selbst der einmalige Kinderbonus wirkt sich kaum entlastend aus, da er auf den Kindesunterhalt hälftig angerechnet wird.

Die gegenwärtige Krise hat deutlich gezeigt, dass Familienpolitik eine Querschnittsaufgabe ist, die viele Bereiche umfasst. Obwohl dieser spezielle Charakter der Familienpolitik immer wieder beschrieben und diskutiert wurde und wird, sind notwendige Reformen bisher ausgeblieben. Das zeigt sich gerade in der Corona-Krise, in der sich Familien mit ihren Ängsten, Nöten und Sorgen vielfach allein gelassen fühlen. Wir sollten aus dieser Krise lernen, sie als Wendepunkt begreifen und uns gemeinsam mit Familien für eine nachhaltige und wirksamere Querschnittspolitik für Familien einsetzen.

Autorin:
Marion von zur Gathen

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de