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Teilhabeberatung: Hürden abräumen!

Mit dem Bundesteilhabegesetz wurden Beratungsstellen geschaffen, in denen behinderte Menschen, ihre Familien und Freund*innen kompetent und unabhängig in allen Fragen zum Thema Teilhabe beraten werden – im besten Fall durch Berater*innen, die selbst mit einer Behinderung leben. Zahlreiche Hürden erschweren den Beratungsstellen ihre Arbeit. Wo die Herausforderungen liegen und was sie sich stattdessen wünschen, erläutert Carola Pohlen, Referentin für Behinderten- und Psychiatriepolitik beim Paritätischen Gesamtverband.

Auch unter dem Dach des Paritätischen Gesamtverbandes sind viele ergänzende unabhängige Teilhabeberatungsstellen (EUTB), so ihr offizieller Name, angesiedelt. Wünschenswert wäre, wenn sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren könnten: Die Beratung.

Leider sind viele EUTB mit teils gravierenden Problemen konfrontiert. In Schleswig-Holstein wird vermutlich fast die Hälfte der Beratungsstellen ihre Arbeit einstellen müssen. Dabei ist der Bedarf groß, die EUTB werden immer häufiger frequentiert.

Vor allem kleine und unabhängige Vereine werden überfordert

Was ist das Problem? Die Berater*innen müssen vielfältige und mitunter komplexe Zusammenhänge erläutern, die Ratsuchenden teilweise zuhause beraten und Netzwerke aufbauen, um an andere zuständige Stellen verweisen zu können. All das braucht Zeit. Und die ist immer wieder knapp, so die Berichte, die uns aus vielen Bundesländern erreichen: Wir hören von intransparenten Bescheiden, die mit teils erheblicher zeitlicher Verzögerung eintreffen. Teilweise ist unklar oder widersprüchlich, was förderfähig ist. Berater*innen können nicht nach Tarif bezahlt werden, es gab Fälle, in denen mit Beginn einer neuen Förderperiode die tariflichen Einstufungen sogar abgesenkt werden sollte. All dies kann nicht im Sinne der Erfinder*innen sein. Es ist klar, dass Fördergelder transparent abgerechnet werden müssen. Ebenso klar ist, dass der Schwerpunkt der Arbeit der EUTB auf der Beratung liegen sollte.

Schwierigkeiten scheint es aber auch an anderen Stellen zu geben: Um eine Beratungsstelle einzurichten und zu betreiben, müssen barrierefreie Räume angemietet werden, jemand muss die Buchhaltung machen, Mitarbeiter*innengespräche führen, Daten- und Brandschutzfragen klären, das Team im Blick behalten, das Beratungsangebot bei potenziell Ratsuchenden bekannt machen und vieles andere mehr. Dies bleibt im wesentlichen ehrenamtliche Vereinsarbeit, gerade für die kleine und unabhängige Vereine wird das zum Problem. Das gilt auch für die Vorgabe, Eigenmittel einzubringen – also Spenden zu werben. Dabei war der Anspruch, dass gerade unabhängige Selbsthilfevereine solche Beratungsstellen einrichten und betreiben sollten.

Die Beratungsstellen sollen weitermachen – dann müssen auch die Bedingungen stimmen

Vor gut einem Jahr hat sich der Deutsche Bundestag entschieden, die Finanzierung der EUTB langfristig zu sichern. „Ich bin froh, dass es gelungen ist, die unabhängige ergänzende Teilhabeberatung für Menschen mit Behinderung, die wir im Bundesteilhabegesetz auf den Weg gebracht haben, jetzt dauerhaft zu entfristen“, erklärte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales am 7. November 2019 im Bundestag. Die Entfristung allein ist aber nicht ausreichend.

Die Finanzierung der Beratungsstellen muss so ausgestaltet werden, dass der dafür nötige Aufwand auch zu meistern ist – unabhängig davon, wie groß der Verein ist, der die Beratung anbietet. Wenn sich aber herausstellt, dass sie nur von geduldigen Liebhabern der Abrechnungskunst betrieben werden können, die problemlos finanziell selbst etwas dazu schießen können, wird sich die Zahl der Beratungsstellen dezimieren.

Was die Beratungsstellen jetzt brauchen

Was sich die EUTB wünschen: Eine vereinfachte Verwaltung, zeitnahe Abrechnung, klare Verantwortlichkeiten sowie bessere Fortbildungsmöglichkeiten für die Berater*innen und insbesondere bei kleinen Vereinen der Verzicht auf die finanzielle Beteiligung über Eigenmittel. Auch Unterstützung in der Öffentlichkeitsarbeit wird von vielen genannt.

In den ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen wird gute Arbeit geleistet, sie sind viel wert. Ihre Arbeit muss nun auch wirklich langfristig gesichert werden. 

Autorin:
Carola Pohlen

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de