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Entwurf für ein Barrierefreiheitsgesetz - die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrspflege nehmen gemeinsam Stellung

Barrierefreie Bankdienstleistungen, e-Books, Computer, Smartphones etc., barrierefreier Online-Handel sowie Barrierefreiheit in Teilen des Personenverkehrs - im Referentenentwurf für ein Barrierefreiheitsgesetz finden sich Regelungen, die dies und mehr für Verbaucher*innen zur Realität werden lassen sollen. Damit sollen die Vorgaben des European Accessibiliy Act (EAA) in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Bundsarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAG FW) begrüßt das Gesetz in ihrer Stellungnahme grundsätzlich, sieht aber an verschiedenen Stellen noch Verbesserungsbedarf.

Im Hinblick auf die geplanten Regelungen sieht die BAG FW folgende Änderungsbedarfe:

  • Die EU-Richtlinie eröffnet in den Gründen wie auch in Art. 4 Abs. 4 EAA den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, die Barrierefreiheitsanforderungen auch auf die bauliche Umwelt der Produkte und Dienstleistungen auszudehnen, um Menschen mit Behinderungen eine erleichterte Nutzung zu ermöglichen. Im vorliegenden Referentenentwurf wird von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht. Dies bewertet die BAGFW kritisch.
  • Der Geltungsbereich der Barrierefreiheit sollte auch regionale, städtische, vorstädtische Verkehrsdienste und Fahrzeuge umfassen.
  • Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte auf beruflich genutzte Produkte und Dienstleistungen ausgeweitet werden.
  • Im Entwurf findet sich eine Definition von Barrierefreiheit, die von der bereits bestehenden rechtlichen Definition von Barrierefreiheit im Behindertengleichstellungsgesetz abweicht. Sie sollte durch einen Verweis auf § 4 Behindertengleichstellungsgesetz ersetzt werden.
  • Die Präzisierung der Vorgaben an die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen soll per Rechtsverordnung geregelt werden. Bei der Erarbeitung der vorgesehenen Verordnung ist die angemessene Partizipation von Menschen mit Behinderungen als Selbstvertreter*innen und ihrer Interessenverbände sicherzustellen.
  • Die Bundesfachstelle für Barrierefreiheit sollte zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für alle Akteure werden, die Produkte und/oder Dienstleistungen anbieten, die unter den Regelungsbereich dieses Gesetzes fallen.
  • Wirtschaftsakteure sollten bei jeder Veränderung der von ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen verpflichtet sein, deren Barrierefreiheit zu überprüfen.
  • Der Gesetzesentwurf sieht eine alleinige Zuständigkeit der einzelnen Bundesländer für die Marktüberwachung vor. Die BAGFW hält eine ungesteuerte Länderzuständigkeit in diesem Zusammenhang nicht für sinnvoll und geht davon aus, dass eine effektive Marktüberwachung so nicht gewährleistet werden kann. Eine auf Länderebene organisierte Marktüberwachung wird den Anforderungen an eine Überwachung eines global organisierten Dienstleistungsmarktes nicht gerecht. Aus Sicht der BAG FW sollte die vorgesehene Marktüberwachung auf Bundesebene angesiedelt sein.
  • Eine bereits bestehende Schlichtungsstelle sollte mit Ressourcen ausgestattet werden, um Streitfälle niedrigschwellig lösen zu können.
  • Angesichts der schnell voranschreitenden Entwicklungen im Bereich digitaler Dienstleistungen sind die vorgesehenen Fristen aus Sicht der BAGFW zu lang angesetzt. Die Übergangsfristen für die Dienstleistungserbringer sollten verkürzt werden.
  • Die §§ 21, 29, 32 und 34 enthalten Anforderungen an die Bereitstellung von Informationen und Kommunikation in barrierefreier Form. Es ist einheitlich zu regeln, dass die Kosten für barrierefreie Information und Kommunikation in wahrnehmbarer Form von den Marktüberwachungsbehörden zu tragen sind. Dies ist bislang nur für die Kommunikation mit Gebärdensprachdolmetschern und für andere Kommunikationshilfen vorgesehen.
  • Darüber hinaus schlägt die BAGFW vor, Investitionen in Barrierefreiheit z.B. durch ein Bundesprogramm zu fördern.
    2021-03-12 Stellungnahme Barrierefreiheitsgesetz.pdf2021-03-12 Stellungnahme Barrierefreiheitsgesetz.pdf