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Psychisch Kranke im SGB II: IAB-Forschungsbericht zeigt großen Handlungsbedarf auf

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat einen umfassenden Forschungsbericht zur Situation und Betreuung von psychisch Kranken im SGB II vorgelegt. In der Studie „Psychisch Kranke im SGB II: Situation und Betreuung“ gehen die Forscher der Frage nach, wie Leistungsberechtigte im SGB II mit einer psychiatrischen Diagnose ihre Erkrankung und die Situation der Arbeitslosigkeit erleben und welche Unterstützung und Betreuung sie von den Jobcentern erhalten.

Die Studie verweist eingangs auf andere einschlägige Quellen, nach denen psychische Erkrankungen bei Leistungsberechtigten im SGB II häufiger als bei Beschäftigten vorkommen insofern bezogen auf ein Jahr bei rund einem Drittel der Leistungsberechtigten eine psychiatrische Diagnose gestellt wird. Die nun vorgelegte Fallstudie basiert auf Experteninterviews und Fallstudien in acht ausgewählten Regionen. Bereits die einleitenden Kapitel der Studie sind verdienstvoll, weil darin grundlegende, gut verständliche Informationen über häufig vorkommende psychische Erkrankungen gegeben und die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen psychischer Erkrankung und Arbeit beleuchtet werden.

Wesentliche Ergebnisse und Empfehlungen:

-Die Forscher machen anhand ihrer Arbeit deutlich, dass entgegen verbreitet pauschal-negativer Zuschreibungen (aus den Jobcentern) ein großer Teil der Leistungsberechtigten trotz ihrer psychischen Erkrankung sehr interessiert und motiviert ist, am Erwerbsleben teilzunehmen und dazu grundsätzlich auch in der Lage ist. Arbeit hat eine stabilisierende Funktion, weshalb zukünftig Behandlung, berufliche Rehabilitation und Reintegration in Arbeit stärker miteineinander verzahnt werden müssten, so die Empfehlung der Forscher.

-Da die Integrationsfachkräfte in den Jobcentern mit dem Erkennen einer psychischen Erkrankung häufig überfordert sind, sollte das Angebot an Schulungen und Handlungsanleitungen ausgebaut werden. Aber auch der ärztliche Dienst in den Arbeitsagenturen und die Fachkräfte in den Gesundheitsämtern sollten sich bessere fachliche Kompetenzen in Bezug auf psychische Erkrankungen aneignen.

-Die Beratungsqualität in den Jobcentern sollte weiter verbessert werden. Bei den Maßnahmen der Arbeitsförderung sollte mehr Wert auf eine ausreichend lange Laufzeit, die Qualität des Trägers und Qualifizierung des Personals (z.B. Sozialpädagogen, Arbeitstherapeuten) sowie auf die individuellen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Wert gelegt werden. Maßnahmen, die eine direkte Platzierung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einen „supported employment“ (das in Deutschland in Form der unterstützten Beschäftigung gesetzlich verankert, aber bei den Jobcentern kaum bekannt ist) bzw. Coaching absichern, sollten ausgebaut werden. Zudem werden entfristete Angebote der öffentlich geförderten Beschäftigung benötigt.

-Es werden auch einige grundlegende Aspekte des SGB II thematisiert. Die Rolle der Rentenversicherungsträger bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit psychisch kranker Leistungsberechtigten wird v.a. seitens der Jobcenter kritisch beurteilt und es wird angeregt, eine neutrale Gutachterstelle einzuschalten.

-Von der Verhängung von Sanktionen wird aus Gründen fehlender Wirksamkeit und drohender Gesundheitsgefahren für den Personenkreis abgeraten.

-Die Kooperation von Jobcentern und Einrichtungen der psychosozialen Versorgung ist kaum vorhanden und sollte dringend aufgebaut werden.

Anlage: IABpsachi1017.pdfIABpsachi1017.pdf