Zum Hauptinhalt springen

Gerichte zweifeln am Konstrukt der sog. "guten Bleibeperspektive" und sprechen sich auch für Ausbildungsförderung aus

Bereits am 16. Februar 2017 hatte das Verwaltungsgericht Ansbach eine Entscheidung zur Gewährung von Prozesskostenhilfe getroffen, in der es Zweifel daran geäußert hat, ob die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "dauerhafter und rechtmäßiger Aufenthalt zu erwarten", also die sog. "gute Bleibeperspektive", stumpf nach der Schutzquote im Asylverfahren erfolgen dürfe, wie sie von der Bundesregierung, BAMF und Bundesagentur für Arbeit erfolgt, und wie hoch diese Quote denn liegen müsse. Im konkreten Fall hat das VG Ansbach einer afghanischen Asylantragstellerin, die das BAMF auf Zulassung zum Integrationskurs verklagt hatte, zur Klärung dieser strittigen Rechtsfragen PKH zugesprochen. In zwei weiteren Gerichtsentscheidungen wurde zum einen Ausbildungsförderung und zum anderen die Aufhebung des Ausbildungsverbot für Personen mit vermeintlich nicht guter Bleibeperspektive zugesprochen.

Das Sozialgericht Potsdam hat in seiner Entscheidung vom 29. März 2017 einem kamerunischen Asylantragsteller, der im Besitz einer Aufenthaltsgestattung ist und eine betriebliche Ausbildung absolviert, im Eilverfahren einen Anspruch auf BAB mit der Begründung zugesprochen, dass er nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der Ausbildung und der für diese Zeit zu erteilenden Duldung sowie der darüber hinaus zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis im Anschluss an die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung (sog. 3+2 Regelung) eine "gute Bleibeperspektive" habe.

Zum Hintergrund: Nach § 132 Abs. 1 SGB III haben Personen mit Aufenthaltsgestattung nur dann Anspruch auf Leistungen der Ausbildungsförderung, wenn bei ihnen ein "rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt" zu erwarten sei. Nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit soll dies jedoch nur bei Herkunftsländern Syrien, Eritrea, Iran, Irak und Somalia der Fall sein.

"Das Gericht macht sich hier ausdrücklich die Argumentation der Bevollmächtigen des Antragstellers zu eigen. Danach ist der Aufenthalt des Antragstellers seit dem 17.02.2015, also seit mehr als 15 Monaten zum einen gestattet und zum anderen ist auch zukünftig ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten . Dies insbesondere unter Beachtung des § 60a Abs. 2 Satz 4 Aufenthaltsgesetz, wonach eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne des Satzes 3 zu erteilen ist, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatliche anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat."

Auch das Verwaltungsgericht München soll nach Presseberichten am 06.04.207 in einer Entscheidung die Verhängung eines Ausbildungsverbots für einen afghanischen jungen Mann mit Aufenthaltsgestattung aufgehoben haben. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die zuständige Ausländerbehörde des Landkreises Freising die Ausbildung mit der Begründung verboten habe, der junge Afghane habe eine "geringe Bleibeperspektive". Laut Gericht sei die Grundlage des ablehnenden Bescheids hinfällig, da sie auf nicht mehr aktuellen Tatsachen, insbesondere auf einer für Afghanistan überholten Weisung des Innenministeriums beruhe. Das Landratsamt müsse erneut entscheiden und die aktuelle Sachlage berücksichtigen. Eine endgültige Entscheidung in dem Fall liegt noch nicht vor und die ausführliche Begründung des Gerichts bleibt abzuwarten, aber die bisher vertretene Auffassung des Gerichts zeigt, dass das Konstrukt der vermeintlich guten Bleibeperspektive angezweifelt wird. Aktuell, drei Wochen nach der Entscheidung, ist das Urteil noch nicht in der Entscheidungsdatenbank des VG München eingestellt. Das Abfassen und Einstellen kann durchaus einige Monate dauern.