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Gutachten "Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung"

Fachinfo
Erstellt von Claudia Scheytt

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat am 2. Juli 2018 das Gutachten "Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung" an das Bundesministerium für Gesundheit, dem Staatssekretär Lutz Stroppe übergeben. Das Gutachten enthält zahlreiche Steuerungsvorschläge insbesondere für das zukünftige Angebot von Kliniken und Praxen und für die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens durch Patienten und ihre Angehörigen. Zu den zentralen Empfehlungen des Rates gehört neben einer wirksamen Koordination von Patientenwegen eine Stärkung der sprechenden, aufklärenden Medizin. Am Beispiel von Patienten mit psychischen Erkrankungen bzw. Rückenbeschwerden werden weitere Empfehlungen für eine gezieltere Steuerung von Patientenwegen sowie eine zukünftig sektoren-, disziplinen- und professionenübergreifende gesundheitliche Versorgung gegeben.

Die Ausführungen zur koordinierten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sind im Teil III,  Kapitel 16  auf den Seiten 683 - 758 zu finden und umfassen u.a. folgende Aspekte:

- neuere Ansätze zur sektorenübergreifenden und innovativen Versorgung

- die Reform der Finanzierung der psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäuser: PEPP und PsychVVG

- SVR-Befragung zur Koordination in der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und

- Empfehlungen.

Zur bedarfsgerechten Steuerung der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen empfiehlt der Rat (S. 779, 780):

a. ambulante Kapazitäten auszubauen, insbesondere Tageskliniken und Vertragsarztsitze für Psychiater. Abhängig u. a. von der Entwicklung der stationsäquivalenten Behandlung, sollten ggf. neue intensiv‐ambulante und multimodale Angebote aus dem ambulanten Sektor heraus ermöglicht werden, die eine Stellung zwischen der regulären ambulant‐psychiatrischen Behandlung und den Angeboten aus dem stationären Sektor einnehmen könnten;

b. teilstationäre Kapazitäten auszubauen, außerdem die Flexibilisierung tagesklinischer Angebote sowie die Ausweitung des Angebots von Abendkliniken zu prüfen;

c. die vollstationären psychiatrischen Kapazitäten zahlenmäßig nicht weiter auszubauen, sondern einem eventuellen zusätzlichen Leistungsbedarf durch den beschriebenen Ausbau ambulanter Angebote zu begegnen;

d. die ambulante Bedarfsplanung der „Nervenärzte“ in „Psychiater“ und „Neurologen“ aufzutrennen, da die historisch bedingte gemeinsame Beplanung sachlich nicht mehr zweckmäßig erscheint;

e. die faktische Auslastung der vergebenen KV‐Sitze für Psychotherapie und für Nervenheilkunde zu überprüfen und je nach Ergebnis ggf. anteilige Sitze zu ermöglichen und die Kapazitäten anzupassen;

f. die Koordinationsverantwortung für die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen klar zu verorten, möglicherweise bei einem bestimmten Leistungserbringer je Patient. Ein damit einhergehender höherer Koordinationsaufwand könnte durch eine angemessene Koordinationspauschale vergütet werden;

g. psychiatrisch‐psychosomatisch‐psychotherapeutische Angebote verstärkt in lokale Gesundheitszentren oder Zentren für seelische Gesundheit, die auch mit Sozialarbeitern und psychiatrisch Fachpflegenden ausgestattet sind, zu integrieren;

h. in Innovationsfonds‐Projekten bewährte Versorgungsstrategien aus dem Bereich der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen auch tatsächlich 780 in den GKV‐Kollektivvertrag zu übernehmen und dabei auf die Übersichtlichkeit der Versorgungslandschaft zu achten;

i. eine bessere Übersicht und Koordination von freien Psychotherapieplätzen zu schaffen, soweit dies nicht zukünftig bereits von den Terminservicestellen abgedeckt wird;

j. einen vorsichtigen 􁈺Wieder‐􁈻Aufbau von geschützten Wohnheimplätzen für langfristig schwer psychisch Erkrankte mit erheblichem Eigen‐ oder Fremdgefährdungspotenzial zu prüfen, dabei aber die Einrichtungen gut genug auszustatten, sodass weiterhin eine würdige Behandlung sichergestellt ist und es nicht nur zu einer Verwahrung kommt;

k. für digitale Angebote gerade auch im Bereich der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen möglichst standardisierte und einheitliche Qualitätssicherungslösungen zu erarbeiten. Die Transparenz für Patienten sollte sichergestellt werden, z. B. durch ein einheitliches Siegel;

l. telemedizinische Potenziale im ländlichen Raum durch eine bundesweite Lockerung des Fernbehandlungsverbots zu nutzen, dabei aber streng auf die Qualitätssicherung zu achten;

m. bei der Prävention psychischer Erkrankungen gemäß dem biopsychosozialen Modell der Krankheitsentstehung die Wechselwirkungen verschiedener Lebensbereiche wie der Arbeitswelt mit der psychischen Gesundheit zu beachten. Bei Entscheidungen in anderen Politikbereichen, z. B. der Bildungs‐, Familien‐ und Sozialpolitik, sollten immer auch die Auswirkungen auf die Gesundheit berücksichtigt werden.

Das Gutachten kann unter folgendem Link eingesehen werden: https://www.svr-gesundheit.de/fileadmin/user_upload/Gutachten/2018/SVR-Gutachten_2018_WEBSEITE.pdf

und  ist im Anhang beigefügt.

SVR-Gutachten_2018_WEBSEITE.pdf