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Sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung sind Menschenrechte!

Erstellt von Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren BISS e.V.

Unsere Vision als Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) e.V ist eine Gesellschaft der Vielfalt, in der ältere homosexuelle Menschen selbstbestimmt und selbstbewusst ihr Leben gestalten und durch bürgerschaftliches Engagement zur Weiterentwicklung unserer Gesellschaft beitragen.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bezieht sich mit dem Diskriminierungsverbot in Artikel Zwei zwar auf das Geschlecht, enthält aber keine Ausführungen zur  sexuellen Orientierung. Letztere wird jedoch in der Erklärung und Resolution der Vereinten Nationen über die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität explizit hervorgehoben: „Wir bekräftigen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der verlangt, dass die Menschenrechte für alle Menschen gleichermaßen gelten, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität.“ Zu den 67 Unterzeichnerstaaten dieser Erklärung gehören u.a. – gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland - die Europäischen Staaten. Eine Gegenerklärung unterzeichneten 57 Staaten; in vielen dieser Staaten steht Homosexualität noch unter Strafe, bis hin zur Todesstrafe.

In Deutschland wurden schwule Männer mehr als ein Jahrhundert lang auf der Grundlage des Paragraphen 175 gesetzlich diskriminiert. Sie wurden verfolgt, interniert oder inhaftiert, und viele wurden in der NS-Zeit  in Konzentrationslagern  zu Tode geschunden. Ihre bürgerlichen Existenzen wurden bereits durch den Verdacht, homosexuell zu sein, zerstört. Homosexualität wurde gesellschaftlich geächtet und medizinisch pervertiert. Glücklicherweise sind diese Zeiten der massiven Repression homosexuellen Lebens vorüber. Trotz einer noch immer verbreiteten Homophobie können homosexuelle Menschen ihre sexuelle Orientierung heute weitestgehend offen leben und haben die gleichen Rechte wie heterosexuelle Menschen. Es bleiben hingegen die gebrochenen Biografien derjenigen, die unter Ausgrenzung, Repression und Verfolgung  physisch wie psychisch gelitten haben. Die biografischen Erfahrungen der heute alte und älteren schwule Männer sind von diesen Lebenserfahrungen geprägt. Sie  bestimmen ihre Haltungen und Handlungen bis in die Gegenwart hinein. Die noch unter dem Paragraphen 175 Verurteilten haben weiterhin mit den Folgen der gesetzlichen Stigmatisierung zu kämpfen. Dies betrifft ihre körperliche und psychische Verfasstheit, oftmals auch ihre materielle Lebenssituation.

Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren BISS e.V. hat mit ihrer Kampagne „Offene Rechnung“ eine Aufhebung der Urteile auf der Grundlage des Paragraphen 175 erkämpft:  Der Paragraph 175 wurde in einem in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaligen, historischen Rechtsakt als von Anfang an grundgesetzwidrig und menschenrechtswidrig erklärt. Die Urteile wurden „kassiert“, die verurteilten  Männer gelten heute als rehabilitiert. Die noch lebenden von ihnen haben Anspruch auf eine materielle Entschädigung. Frauen und Männer, die in der DDR zu Unrecht wegen Paragraph 175 (später § 151 StGB-DDR) verurteilt werden, sind ebenfalls rehabilitiert.

Eine weitere nachhaltige Auswirkung auf schwule Männer hatte die AIDS-Krise der 1980/90er Jahre. Viele starben an AIDS, HIV-Positive mussten um ihr Leben bangen, Positive wie Nicht-Positive verloren ihre Partner und/oder engen Freunde, nicht wenige verloren fast ihren gesamten  Freundeskreis. Die wiedereinsetzende Repression in dieser Zeit, diesmal als medizinisch und gesellschaftlich geächtete Träger einer sexuell übertragbaren Erkrankung, hat bis heute physische wie psychische Folgen. Mit der inzwischen erfolgreichen Therapie haben Menschen mit HIV eine normale Lebenserwartung und sind nicht mehr infektiös. Hingegen haben sie insbesondere in der medizinischen und pflegerischen Versorgung mit einer zum Teil massiven Stigmatisierung und Ausgrenzung zu kämpfen.

Daraus erwächst für uns als Bundesverband die Verantwortung, für alle jetzt und in Zukunft älter werdenden schwulen Männer die Voraussetzungen für eine diskriminierungsfreie Teilhabe, Versorgung und Pflege zu schaffen.

Mit unserem Facharbeitskreis zur Offenen Senior_innenarbeit möchten wir gemeinsam mit unserem Pendant, dem Dachverband Lesben im Alter e.V., die Altenhilfe wie auch die Senior/-inneneinrichtungen für die Biografien und Bedürfnisse homosexueller Menschen sensibilisieren, um dort in einem integrativen Ansatz offene Lebensweisen für homosexuelle Menschen zu fördern. Beide Verbände haben dazu ein Forderungspapier mit dem Titel „Ältere Lesben und Schwule fordern gesellschaftliche Teilhabe“ veröffentlicht.

In einem weiteren Facharbeitskreis entwickeln wir Diversity-Merkmale einer guten Pflege für lesbische Frauen, schwule Männer und Menschen mit HIV im Alter. Wir wollen eine Sensibilisierung der Altenpflege sowie deren Aus-, Fort- und Weiterbildung für den Umgang mit homosexuellen Menschen im Pflegesetting implementieren. Ziel ist es, ein für homosexuelle Menschen leiblich erfahrbares Klima der Akzeptanz zu schaffen, damit zukünftig versteckte Lebensweisen in der Pflegebedürftigkeit nicht mehr nötig werden, um so die Identität dieser Menschen zu stärken. Hierfür sind die Berücksichtigung der Thematik Homosexualitäten sowie die Biografien homosexueller Menschen in den Curricula der Aus-, Fort- und Weiterbildung wie auch in den Pflegekonzepten der ambulanten und stationären Altenpflege unabdingbar.

Zum Erreichen unserer Ziele arbeiten wir eng mit politischen Akteuren und Verbänden der Altenhilfe und Altenpflege auf der Bundesebene zusammen, ebenso wie auch mit Einrichtungen der LSBTI-Community. So sind wir Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) und im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Innerhalb der Community-Einrichtungen arbeiten wir eng mit der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. wie auch mit dem Dachverband Lesben im Alter e.V. zusammen. Um nur einige Beispiele der Kooperationen zu nennen.

Ein wichtiges Element unserer Arbeit ist die Partizipation von schwulen Senioren wie auch von schwulen Seniorengruppen. Es ist uns ein Anliegen, die Arbeit der örtlichen schwulen Seniorengruppen zu stärken und deren Interessen auf der Bundesebene zu vertreten. Hierfür bieten wir Fachveranstaltungen in unterschiedlichen Orten Deutschlands an. Zahlreiche dieser Gruppen sind Mitglied bei BISS, womit ein enger Austausch gefördert wird. Bereits mit unserer Gründung aus der Basis der schwulen Seniorenarbeit heraus haben wir deutlich gemacht, dass es uns ein Anliegen ist, die Interessen der Mitgliedsorganisationen vor Ort zu stärken und diese auf Bundesebene zu vertreten.

Mehr Informationen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf unserer Homepage.

Aktionspostkarte der Bundesinteressenvertretung schwule Senioren
Aktionspostkarte von BISS e.V.