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Stellungnahme des Paritätischen Gesamtverbandes zum Regierungsentwurf eines Gesetzes "gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch"

Stellungnahme
Erstellt von Natalia Bugaj-Wolfram

Der Regierungsentwurf sieht vor, freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger*innen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts und mit dem Freizügigkeitsrecht zur Arbeitssuche von Kindergeldleistungen auszuschließen, wenn sie keine Einkünfte in Deutschland erzielen. Der Paritätische kritisiert den Kindergeldausschluss, da er europarechtswidrig ist, keine Lösung zur Bekämpfung vom Sozialleistungsmissbrauch bietet und fatale soziale Folgen haben wird.

Der vorliegende Regierungsentwurf vom 19.02.2019 sieht vor, freizügigkeitsberechtigte EU-Bürger*innen, die keine inländischen Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 EStG erzielen, in den ersten drei Monaten ab Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts von Kindergeldleistungen auszuschließen. Die EU-Bürger*innen mit einem Freizügigkeitsrecht zur Arbeitssuche sollen laut dem Entwurf auch nach Ablauf der drei Monate ebenfalls von Kindergeldleistungen ausgeschlossen werden, wenn sie vorher keine andere der in § 2 Abs. 2 des Freizügigkeitsgesetzes/ EU genannten Voraussetzungen erfüllt haben.
Der Ausschluss betrifft vom Wortlaut her auch Personen mit einem Aufenthalt nach Art 10 VO 492/2001: ehemalige Arbeitnehmer*innen mit Sorgerecht für ein Kind, welches in Deutschland eine Schule besucht oder sich in einer Ausbildung befindet.
Aktuell sind lediglich der gewöhnliche Aufenthalt (§ 62 Abs. 1 S. 1 EStG) und Freizügigkeitsberechtigung (§ 62 Abs. 2 EStG) die Voraussetzung dafür.
Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Leistung erfüllt sind, soll die Familienkasse in eigener Zuständigkeit durchführen.

Der Paritätische Gesamtverband äußert folgende Kritikpunkte an den vorgesehenen Gesetzesänderungen:

-Der Ausschluss vom Kindergeld ist europarechtswidrig

Unionsrecht garantiert den Anspruch auf Kindergeld für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedsstaates, die sich rechtmäßig in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten.
Der im Gesetzesentwurf geplante Kindergeldausschluss verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 24 Abs. 1 UnionsRL 2004/38/EG.

-Die geplante Gesetzesänderung bietet keine Lösung zur Bekämpfung vom Sozialleistungsmissbrauch

Die Änderung wird in der Begründung der Bundesregierung auf die missbräuchliche Beantragung in organisierter Form zurückgeführt. Der rechtmäßige Anspruch auf Kindergeld von EU-Bürger*innen in den ersten drei Monaten des Aufenthalts, mit dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche und mit dem Aufenthalt nach Art 10 VO 492/2001 und die Tatsache, dass dieser Anspruch entsprechend der aktuellen Gesetzeslage geltend gemacht wird bedeuten kein Sozialleistungsmissbrauch. Gesetzeswidriges Handeln wie Fälschungen von Dokumenten zum Zweck des Sozialleistungsmissbrauchs, welche tatsächlich vorkommen, mit einer Gesetzesänderung und mit pauschalen Ausschlüssen zu bekämpfen, halten wir nicht für zielführend. Der geplante Ausschluss von Kindergeldleistungen richtet sich somit nicht gegen die kriminellen organisierten Strukturen, die in den meisten Fällen für die Missbrauchsfälle zuständig sind, und auch nicht gegen den Betrug durch Fälschung von Dokumenten.

-Der Ausschluss vom Kindergeld wird fatale soziale Folgen haben

Der im Regierungsentwurf vorgesehene Ausschluss vom Kindergeld wird zu noch stärkerer Verelendung von wirtschaftlich inaktiven EU-Bürger*innen führen, was diese Gruppe noch stärker für Ausbeutung durch kriminelle Strukturen, anfällig machen wird. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die unmittelbar Leidtragenden des Ausschlusses Kinder sind. Somit wird der Ausschluss noch mehr Fälle von Kinderarmut verursachen, als es in Deutschland bereits gibt.

Teilhabe und Integration sind unter solchen Bedingungen kaum möglich.

Daher fordert der Paritätische:

    von den im Regierungsentwurf vorgesehenen Änderungen des Einkommensteuergesetzes und des Bundeskindergeldgesetzes abzusehen,

    kriminelle Strukturen gezielt zu bekämpfen;

    Integrations- und Teilhabechancen für EU-Bürger*innen zu stärken durch integrationspolitische Maßnahmen wie zum Beispiel die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Teilnahme an einem Integrationskurs für EU-Bürger*innen, den stärkeren Einsatz von Instrumenten der Arbeitsmarktintegration des SGB III für Nichtleistungsbezieher*innen und die weitere Förderung von Beratungsstrukturen.

    Stellungnahme_Regierungsentwurf_19022019_DPWV.pdfStellungnahme_Regierungsentwurf_19022019_DPWV.pdf