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Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung kindergeldrechtlicher Regelungen vom 10.02.2017

Stellungnahme
Erstellt von Claudia Karstens

Anfang Februar hatte das Finanzministerium einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem die Kindergeldleistungen für EU Bürger gesenkt (indexiert) werden sollen, wenn die Kinder nicht in Deutschland leben. In seiner Stellungnahme spricht der Paritätische sich aus verschiedenen Gründen gegen dieses Vorhaben aus.

Das Bundesministerium der Finanzen hat Anfang Februar 2017 einen Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung kindergeldrechtlicher Regelungen vorgelegt und Verbände und Organisationen aufgefordert, sich hierzu zu positionieren. Der Entwurf sieht vor, dass zukünftig für ein Kind, für das in Deutschland ein Kindergeldanspruch besteht, dessen Wohnsitz sich aber in einem anderen EU-Mitgliedstaat befindet, die Höhe des Kindergeldes an die Lebenshaltungskosten des Wohnsitzstaats angepasst werden soll. Diese Regelung soll erst in Kraft treten, nachdem die unionsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen wurden. Zudem soll eine Begrenzung der Rückwirkung des Kindergeldantrags auf sechs Monate eingeführt werden.

Zu den Regelungen nimmt der Verband wie folgt Stellung:

Keine europarechtswidrigen Vorratsbeschlüsse!
Wie das Bundesministerium der Finanzen selbst ausdrücklich festgestellt hat, ist der vorgelegte Entwurf mit dem derzeitigen EU-Recht nicht in Einklang zu bringen. Ein entsprechendes Vorgehen verträgt sich nicht mit dem in Art. 23 Abs. 1 GG verankerten Grundsatz der Europafreundlichkeit. Zudem steht die von der Bundesregierung vorgesehene Änderung bei den derzeit auf europäischer Ebene laufenden Verhandlungen bezüglich einer Änderung der Koordinierungsrichtlinie 883/2004 bisher nicht auf der Agenda. Nach allgemeiner Einschätzung gilt eine entsprechende Änderung als unwahrscheinlich. Selbst für den Fall, dass wider Erwarten die angestrebten Änderungen auf den Weg gebracht würden, kann deren konkreter Inhalt gegenwärtig nicht abschließend bestimmt werden. Diese Form des „Vorratsbeschlusses“ sieht der Paritätische grundsätzlich kritisch.

Klares Bekenntnis zum europäischen Gedanken!
Darüber hinaus hat die EU-Kommissarin Thyssen noch einmal deutlich gemacht, dass sie die geplante Änderung weder für fair noch für verhältnismäßig hält. „Wo man seine Sozialbeiträge zahlt, sollte man genauso auch seine staatlichen Leistungen erhalten.“ Zudem sei der bürokratische Aufwand zu hoch, da es sich hierbei um weniger als ein Prozent aller Kindergeldzahlungen in der EU handelt.
Immer wieder hat der Europäische Gerichtshof mit Blick auf das Ziel, der Verwirklichung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes zur Wohlstandssteigerung, in seiner ständigen Rechtsprechung ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, ohne objektiven Grund nicht schlechter gestellt werden dürfe als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt habe. Der Paritätische sieht mit Sorge, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das bislang geltende Prinzip der Gleichbehandlung freizügigkeitsberechtigter Arbeitnehmer/-innen eingeschränkt und die Freizügigkeit behindert werden könnte.

Sachgerechten Diskurs führen!
Der aktuellen Gesetzesinitiative vorausgegangen war der Vorwurf „es gebe in manchen deutschen Großstädten ganze Straßenzüge mit Schrottimmobilien, in denen Migranten nur aus dem Grund wohnten, weil sie für ihre Kinder, die gar nicht in Deutschland leben, Kindergeld auf deutschem Niveau beziehen würden“1 Um dem zu begegnen, müsse das Kindergeld für Kinder, die nicht in Deutschland leben, reduziert werden. So wird der Eindruck erweckt, dass Migrant/-innen nur nach Deutschland kommen, um hier Kindergeld zu beziehen. Bereits nach geltender Rechtslage muss nicht erwerbstätigen Eltern, von denen ein Elternteil in Deutschland wohnt und einer bspw. in Rumänien, wo auch das Kind wohnhaft ist (reine Wohnsitzkonstellation), gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der VO 883/2004 kein Unterschiedsbetrag beim Kindergeld gezahlt werden.
Den Ansatz, die zweifelsohne vorhandene Ausbeutung (europäischer) Arbeitnehmer/-innen auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt durch eine Reduzierung der Kindergeldleistungen zu begegnen, hält der Paritätische für grundsätzlich falsch. Notwendig ist hier vielmehr ein entschiedenes Vorgehen der zuständigen Behörden gegen Wohnungseigentümer oder Arbeitgeber, die für die ausbeuterischen Arbeits- oder Wohnverhältnisse verantwortlich sind.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Argumente, fordert der Paritätische die Bundesregierung auf, von dem Vorhaben eines Gesetzes zur Anpassung kindergeldrechtlichen Regelungen Abstand zu nehmen.

Anbei erhalten Sie die Stellungnahme als pdf-Datei.

Weitere Informationen rund um das Thema "EU-Zuwanderung, insbesondere Arbeitshilfen und Stellungnahmen finden Sie auf unserer Homepage: http://www.migration.paritaet.org/themen/schwerpunktthemen/eu-zuwanderung/
Kindergeld.pdf