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Teilhabe ist für Alleinerziehende ein Luxus - Einelternfamilien müssen sich immer zur Decke strecken

Armut beschämt, grenzt aus, entmutigt. Gegenwärtig ist in Deutschland jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Es geht um Millionen von Kindern.

Essen gehen, ein Konzert besuchen oder verreisen – für mich ein Luxus“, erzählt Birgit Pelz, alleinerziehende Mutter Clara (23) und Fiona (17). Ihre Waschmaschine hat 25 Jahre auf dem Buckel, der Kühlschrank ist nur wenig jünger, und für das gebrauchte Klavier musste sie gut drei Jahre lang sparen. Unterhalt für die Töchter hat die Berliner Physiotherapeutin vom Kindsvater nie bekommen. Wenn der Unterhaltsvorschuss für Fiona wegfällt, wenn sie volljährig wird, muss die 52-Jährige Wohngeld beantragen. „Sonst wird es eng für uns.“

Ähnlich knapp kalkulieren musste Rita Lohse, 56 Jahre alt, ebenso oft. Für ihren heute 16-jährigen Sohn Finn hat auch sie nie Unterhaltszahlungen bekommen, aber sie wollte zu keiner Zeit Unterhaltsvorschuss beantragen. Anfangs lebten sie und ihr Sohn von Sozialhilfe und Kindergeld, bis Rita Lohse nach einem Jahr und drei Monaten Finn in die Kita geben und wieder erwerbstätig werden konnte. Auch Birgit Pelz arbeitete jeweils nach drei Jahren Elternzeit wieder 30 Stunden pro Woche. Aber dennoch reichte ihr Einkommen nicht immer aus, um über die Runden zu kommen. Es gab immer wieder Phasen, die beide Frauen trotz Erwerbstätigkeit als „prekär“ und „sehr schwierig“ bezeichnen.

Die prekäre finanzielle Situation macht bis heute erfinderisch: Birgit Pelz wie auch Rita Lohse haben Angebote wahrgenommen, die kostengünstig oder gar kostenlos waren: Die Erstausstattung für die Kinder kam aus der Kleiderkammer, andere Gebrauchsgegenstände vom Flohmarkt, Freizeit und Ferien wurde über die Kirchengemeinde oder Bezirksämter organisiert. „Ich habe immer versucht, alles für meine Kids möglich zu machen, trotz unseres knappen Budgets“, sagt Birgit Pelz. Statt Fernreisen, Radtouren; statt Musikschule, privater Klavierunterricht mit Rabattierung für zwei Töchter, den dann die Großmutter gezahlt hat. „Meine Rettung waren meine Eltern, die Großeltern väterlicherseits und die Schwester meines Ex-Partners“, so Birgit. Dabei ging es nicht nur um eine finanzielle Unterstützung, sondern darum, „emotional aufgefangen zu werden“.

Rita Lohse, heute als Jobcoach für Geflüchtete tätig, hatte keine Familie in der Nähe, aber eine Idee: Über den Berliner Großelterndienst bekam Finn mit fünf Jahren einen „Opa“. „Das größte Glück, was wir hatten“, freut sich Rita Lohse noch heute. Enkel und Großvater waren ein Dream-Team, und für Rita war diese Wahlverwandtschaft der Notnagel bei Betreuungsengpässen.

Trotz allem konnten diese Kinder durch das Engagement ihrer Mütter immer aktiv sein: Im Sport, im Chor, beim Tanz. Auch Klassenfahrten waren drin. Clara studiert heute, Fiona ist im nächsten Jahr Abiturientin, Finn hat im Sommer seine Mittlere Reife. Die Teilhabemöglichkeiten zu sichern, hat beide Alleinerziehenden viel Kraft und Energie gekostet. Sie persönlich haben auf vieles verzichten müssen, ihre Teilhabe ist eingeschränkt.