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Schwerpunkt

Teilhabe

Eine Person hält viele kleine Sterne in der Hand, die alle unterschiedliche Farben haben.
Sharon McCutcheon/Unsplash
Auf dieser Website der Abteilung Gesundheit, Teilhabe und Pflege des Paritätischen Gesamtverbandes informieren wir zu Themen rund um Teilhabe und Inklusion sowie das Bundesteilhabegesetz.

Pflege/Eingliederungshilfe

Seit der Einführung der Pflegeversicherung hat sich die Schnittstelle zwischen Pflege- und Eingliederungshilfeleistungen verstärkt. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens konnten sich die Koalitionsfraktionen lediglich auf die bisherige Regelung dem Gleichrang der Eingliederungshilfe neben den Pflegeleistungen verständigen. Damit bleibt es bei der Regelung im § 13 Absatz 3 Satz 3 SGB XI. Das Problem der Abgrenzung zwischen der Eingliederungshilfe und Pflege bleibt nicht nur bestehen, sondern hat sich mit der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs verschärft.  

Die Abgeltung der Pflegeleistungen mittels begrenzter geringer Pauschalen (max. 266 Euro) in stationären Wohnformen (künftig besondere Wohnformen) wurde weder abgeschafft noch wurden diese, vergleichbar den Verbesserungen bei Pflegegeld und -sachleistung in der Pflegeversicherung, erhöht. Im Gegenteil: Die begrenzten Pauschalen werden sogar auf Wohngemeinschaften mit umfassendem Versorgungsbedarf ausgeweitet.

Die bisherige Sonderregelung, dass Menschen mit Behinderung in Pflegeheimen untergebracht werden können, wird zu einer regulären Bestimmung (§ 103 Abs. 1 SGB IX). Dies wird den Druck verschärfen, dass Menschen mit komplexer Behinderung und hohem Pflegebedarf frühzeitig in Pflegeheime umziehen müssen.

Treffen Leistungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege zusammen, wird das sogenannte „Lebenslagenmodell“ umgesetzt. Bei Menschen, die von Geburt an oder in der aktiven Erwerbsphase mit einer Behinderung konfrontiert werden, umfassen die Eingliederungshilfeleistungen auch notwendige Hilfen zur Pflege. Damit gelten für diese Menschen die günstigeren Einkommens- und Vermögensgrenzen der Eingliederungshilfe.

BUND

Januar 2020 Bericht der wissenschaftlichen Evaluation zur Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff Schnittstelle zur Eingliederungshilfe
Das IGES war mit der Evaluation der Umstellung des Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit bezogen auf die Schnittstelle zur Eingliederungshilfe beauftragt (§18c Abs. 2 SGB XI). Der Bericht enthält Aussagen zu den folgenden Themen:

  • Vereinbarungen beim Zusammentreffen von Leistungen der Eingliederungshilfe, Pflegeversicherung und Hilfe zur Pflege (§ 13 Abs. 4 SGB XI),
  • Veränderung von Leistungsbewilligungen an der Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung,
  • Auswirkungen der Pflegereformen auf vollstationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe.

In den Handlungsempfehlungen wird zum Zusammentreffen von Leistungen der Pflegeversicherung, Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege ausgeführt, dass Vereinbarungen nach § 13 Abs. 4 SGB XI, die ein Zusammenwirken der Leistungsträger und die Erbringung von Leistungen „wie aus einer Hand“ bewirken sollen, in der Praxis bislang nur in sehr geringer Zahl geschlossen und die gemeinsame Vorbereitung der Vereinbarungen durch eine frühzeitige Kommunikation von vielen Akteuren noch nicht umgesetzt wird. Seitens der Evaluatoren wird eine weitere Evaluation zur Umsetzung der Vereinbarungen nach § 13 Abs. 4 SGB XI zu einem späteren Zeitpunkt vorgeschlagen.
Interessant sind auch die allgemeinen Handlungsempfehlungen, wie z.B.:
Zur Anpassung der geltenden Rahmenvorgaben infolge des neu definierten Pflegebedürftigkeitsbegriff wird u.a. ausgeführt, dass der Prozess insbesondere im ambulanten Sektor zum Zeitpunkt der Untersuchungen noch am Anfang befand. Erst wenn sich der geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff in den entsprechenden Landesrahmenverträgen und Vergütungsvereinbarungen niedergeschlagen hat, könnte eine erneute Betrachtung Aufschluss darüber geben.
Nachholbedarf besteht laut Bericht bei der fachlichen Abgrenzung von „aktivierender Pflege“ und „zielgerichteter Ressourcenförderung“. Beide Konzepte sollten aus pflegewissenschaftlicher Perspektive stärker differenziert und erläutert werden, um einerseits den Pflegekräften die Zusammenhänge zum Erhalt und der Förderung der Selbständigkeit des Pflegebedürftigen zu verdeutlichen und um andererseits auf der Ebene der Vertragspartner der Pflegeselbstverwaltung eine Orientierung für die Festlegung von Rahmenvorgaben zu geben.
Im Bericht wurde auch festgestellt, dass die inhaltliche Neuausrichtung im Pflegeverständnis erhöhte Anforderungen stellt, z.B.  an edukative Maßnahmen wie die Beratung, Anleitung und Schulung, durch welche die Selbständigkeit der Pflegebedürftigen erhöht und Angehörige unterstützt werden sollen. Demnach bedarf es einer gezielten (betrieblichen) Qualifizierungs- und Befähigungsstrategie, um beruflich Pflegende, stationäre Einrichtungen und ambulante Dienste dazu in die Lage zu versetzen, solche Maßnahmen kompetent durchführen zu können. Darüber hinaus sollten die Leistungserbringer das erweiterte Verständnis noch stärker als bisher in ihre Pflege- und Betreuungskonzepte einfließen lassen und konkreter operationalisieren.
Der im Rahmen der Evaluation erarbeitete „Leitfaden: Das neue Pflegeverständnis in der Praxis“ des IGES Instituts sollte laut Bericht als Hilfestellung von den Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen genutzt werden.
Den Bericht finden Sie hier.

Dezember 2019
Der GKV-Spitzenverband hat im Benehmen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung e. V., der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene auf Grundlage des § 71 Abs. 5 Satz 1 SGB XI bereits am 11.11.2019 die Richtlinien zur Abgrenzungsfrage, welche Wohnformen der Eingliederungshilfe den Pauschalbetrag der Pflegeversicherung nach § 43a SGB XI erhalten, beschlossen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat die Richtlinien im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 18.12.2019 genehmigt.
Die Richtlinien konkretisieren die Merkmale für Räumlichkeiten, in den Menschen mit Behinderungen wohnen und bei denen der Umfang der Gesamtversorgung durch die Leistungserbringer weitgehend einer Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht. Des Weiteren konkretisieren sie die Merkmale, die bei einer Prüfung heranzuziehen sind. Damit die Definition der gemeinschaftlichen Wohnformen, in denen der Umfang einer Gesamtversorgung einer vollstationären Einrichtung entspricht, nicht gegenüber dem Status quo erweiternd ausgelegt wird, werden in den Richtlinien die bisherigen Merkmale einer Gesamtversorgung in einer vollstationären Einrichtung zu Grunde gelegt.

Die Richtlinie finden Sie hier.

Juni 2019 Stellungnahme der BAG Freie Wohlfahrtspflege
Die BAG Freie Wohlfahrtspflege (BAGFW) begrüßt in ihrer Stellungnahmen die Klarstellung ausdrücklich, dass grundsätzlich eine Verknüpfung zwischen Einrichtungen, Räumlichkeit und Umfang der Gesamtversorgung hergestellt und diese Merkmale kumulativ vorliegen müssen.
Die Stellungnahme der BAGFW können Sie hier downloaden.

Juni 2019 Stellungnahme der Länder

Darin bitten die Länder  ".... ausdrücklich die Richtlinie zu überarbeiten und den Einklang mit den Regelungen des BTHG herzustellen. In der derzeitigen Fassung wären Schlechterstellungen der Menschen mit Behinderung zu befürchten, die der Gesetzgeber nicht ansatzweise beabsichtigt hat."
Die Stellungnahme der Länder können Sie hier downloaden.

Mai 2019 GKV-Richtlinien-Entwurf

Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) wird zum 01.01.2020 die Differenzierung zwischen ambulanten, teilstationären und vollstationären Leistungen der Eingliederungshilfe aufgegeben. Der GKV Spitzenverband hat den Auftrag, im Benehmen u.a. mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) und den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene Richtlinien zur Abgrenzung stationärer Einrichtungen von anderen Räumlichkeiten i. S. d. § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI bis zum 01.07.2019 zu erlassen. Ziel ist es, den Anwendungsbereich des § 43a SGB XI zu klären. Die Länder, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sowie die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene sind zu beteiligen. Vom GKV Spitzenverband haben wir den Entwurf der Richtlinie erhalten und im Rahmen des Beteiligungsverfahren die Möglichkeit, eine Stellungnahme bis zum 7. Juni 2019 abzugeben.
Die in den Richtlinien festgelegten Merkmale und Kriterien sind laut Entwurf gemäß der Systematik des SGB XI, insbesondere des § 71 Abs. 4 SGB XI, einrichtungsbezogen zu prüfen. Der GKV- Spitzenverband betont in seinem Schreiben, dass aus Sicht des BTHG eine vom Einzelfall losgelöste abstrakte Betrachtung dessen Zielsetzung widersprechen mag, jedoch sei die im BTHG personenbezogene Betrachtung nicht mit der Systematik des SGB XI und insbesondere mit der Regelung des § 71 Abs. 4 SGB XI vereinbar. Das SGB XI sieht demnach, anders als das BTHG, eine sektorale Unterscheidung vor. In § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI wird, wie auch in § 71 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB XI, Bezug auf die „Räumlichkeiten“ genommen. Es wird grundsätzlich eine Verknüpfung zwischen Einrichtungen, Räumlichkeit und Umfang der Gesamtversorgung hergestellt.
Der Entwurf der Richtlinie können Sie hier downloaden und
das Anschreiben des GKV-Spitzenverbandes hier.

Februar 2019 Muster-Zustimmungserklärung als Anlage zur Empfehlung veröffentlicht
Voraussetzung für die Umsetzung dieser Empfehlung ist allerdings, dass der Leistungsberechtigte zustimmt. Hierzu gibt es in der Empfehlung vom 10.04.2018 den Hinweis, dass das Muster der Zustimmungserklärung bis zum 30.06.2018 erstellt wird.  Am 15.10.2018 wurde auf der Internetseite des GKV-Spitzenverbandes die Muster-Zustimmungserklärung als Anlage zur Empfehlung der Spitzenverbände vom April 2018 veröffentlicht, ohne das (nach Kenntnis des Paritätischen) die Interessenverbände von Menschen mit Behinderung oder Leistungserbringer dazu eine Information erhalten haben.
Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung haben sich mit Schreiben vom 27.02.2019 an den GKV-Spitzenverband gewandt und u. a. aufgezeigt, dass die Muster-Zustimmungserklärung

  • der Anforderung nicht gerecht wird, den Leistungsberechtigten angemessen über die Bedeutung seiner Erklärung und über deren Rechtsfolgen zu informieren.
  • den Anforderungen gem. § 11 Absatz 1 und 4 BGG nicht entspricht, weil diese weder in Leichter Sprache noch in einfacher Sprache zur Verfügung gestellt wird. 

Der Paritätische stützt diese Einschätzung und hat, wie die Fachverbände auch, bisher keine Informationen, dass Vereinbarung gem. § 13 Abs. 1 SGB XI geschlossen wurden. Die neue Fassung und das Schreiben der Fachverbände sind im Anhang beigefügt.
Die neue Fassung der Empfehlung finden Sie hier.
Das Schreiben der Fachverbände finden Sie hier.

April 2018 Veröffentlichung der Empfehlung

Mit dem dritten Pflegestärkungsgesetz (PSG III) wurde beim Zusammentreffen von Leistungen der Pflegeversicherung und der Eingliederungshilfe eine Verpflichtung für die Pflegekassen und die Träger der Eingliederungshilfe eingeführt, Vereinbarungen zur Übernahme der Leistung für die Pflegeversicherung durch den Träger der Eingliederungshilfe zu treffen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Leistungsberechtigte jeweils zustimmt. Gemäß § 13 Abs. 4 SGB XI sollen der GKV-Spitzenverband und die BAG der überörtlichen Träger der Sozialhilfe (BAGüS) Näheres zu den Modalitäten der Übernahme und der Durchführung der Leistungen sowie der Erstattung durch die Pflegekassen bis zum 1. Januar 2018 in einer Empfehlung vereinbaren. Die BAGüS und der GKV-Spitzenverband haben im Dezember 2017 einen Entwurf vorgelegt, zu dem die Verbände Stellung nehmen konnten.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) haben der Empfehlung von GKV und BAGüS nun zugestimmt, so dass diese mit Stand 10.04.2018 öffentlich ist.
Die Empfehlung enthält Regelungen

  • zum Geltungsbereich,
  • zur Vorbereitung der zu treffenden Vereinbarung,
  • zur Übernahme der Leistungen der Pflegeversicherung durch den Träger der Eingliederungshilfe,
  • zur Leistungserbringung, Abrechnung und Erstattung sowie
  • zur Qualitätssicherung und Prüfung.

Bei den Ausführungen werden auch die Leistungen der Hilfe zur Pflege (SGB XII) in den Blick genommen, da der Träger der Hilfe zur Pflege nicht identisch mit dem Träger der Eingliederungshilfe sein muss.
Positiv ist, dass in der neuen Fassung klargestellt wird, dass

  • die Leistungen der Eingliederungshilfe auch dabei nach der Maßgabe des § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB XI im Verhältnis zur Pflegeversicherung nicht nachrangig sind. (Präambel)
  • fortlaufende Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne dieser Empfehlung Leistungen der Eingliederungshilfe sind, die die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, insbesondere eine möglichst selbstbestimmte und eigenverantwortliche Lebensführung im eigenen Wohnraum, ermöglichen oder erleichtern (§ 1 Abs. 4).
  • die Regelungen des Rechtsbehelfsverfahrens unberührt bleiben. Anträge und Widersprüche sind bei dem jeweils zuständigen Leistungsträger einzureichen. Sofern bei dem nicht zuständigen Leistungsträger ein Antrag oder Widerspruch des Leistungsberechtigten eingeht, leitet er diesen unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiter (§ 3 Abs. 5).

Ansonsten bleibt es bei den kritischen Punkten, die der Paritätische in seiner Stellungnahme abgelehnt hat. Eine Nutzung der rechtlich vorhandenen Handlungsspielräume bei der DURCHFÜHRUNG und Gestaltung der Leistungen ist nicht erkennbar. Die Empfehlung wird von zusätzlichen Vorgaben bestimmt (z. B. zur Qualitätssicherung und zur Abwicklung der Erstattung). Die bisher bestehende Flexibilität bei der Inanspruchnahme einiger Leistungen der Pflegeversicherung, wie z. B. bei der Verhinderungspflege oder dem Entlastungsbetrag, wird mit der Integration dieser Leistungen in die Eingliederungs- und Pflegehilfen gem. SGB XII und der damit oftmals verbundenen starren Bewilligungspraxis bei der Gewährung dieser Leistungen aufgegeben. Sie zementiert damit die geltende Rechtslage und deren derzeit gebräuchlichen Abläufe.
Der Paritätische stellt fest, dass ein Mehrwert für Menschen mit Behinderung nicht zu erkennen ist, da die Chance nicht genutzt wurde, die Gewährung beider Leistungen und die Verfahrensregelungen aufeinander abgestimmt zu gestalten. Nach Auffassung des Paritätischen entsteht ein bürokratischer Mehraufwand für alle Beteiligten, der den Zielen und der Intention des Gesetzgebers, „Leistungen wie aus einer Hand“ zu gewährleisten und Entlastung für den Menschen mit Behinderung zu erreichen, entgegensteht. Insofern darf man auf die Ergebnisse der bis zum 1. Juli 2019 durchzuführenden Evaluation gespannt sein (§ 13 Abs. 4b).
Die Empfehlung ist im Anhang beigefügt. Des Weiteren ist eine Fassung beigefügt, in der ein Abgleich mit dem Entwurf der Empfehlung (Stand Dezember 2017) und der beschlossenen Empfehlung  (April 2018) im Änderungsmodus vorgenommen wird. Die Stellungnahme des Paritätischen vom 11.01.2018 ist ebenfalls beigefügt. 

hier Empfehlung downloaden

hier Abgleich der Empfehlungen downloaden

hier Stellungnahme des Paritätischen downloaden

LÄNDER

Rechtliche Bewertung der Schnittstelle Eingliederungshilfe und Leistungen der Pflegeversicherung und Lösungsvorschläge
hier PDF downloaden

Vortrag für den Fachtag der LIGA Rheinland-Pfalz am 3. Juli 2017
hier PDF downloaden