
Klimaschutz in den Wahlprogrammen: Welche Schwerpunkte setzen die Parteien?
Klima- und Umweltschutz sind mit die drängendsten Themen unserer Zeit – doch die Wege dorthin sind höchst umstritten. Wer verfolgt welche Strategie? Wir haben uns die Konzepte der demokratischen Parteien genauer angeschaut und unsere Lösungsvorschläge zusammengefasst.
SPD: Klimaschutz als öffentliche Aufgabe
Die SPD spricht sich in ihrem Wahlprogramm für eine sozial gerechte Klimapolitik aus. Dabei setzt sie vor allem auf gemeinschaftliche Lösungen und Klimaschutz als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Alle Bürger*innen sollen unabhängig vom Einkommen eine realistische Möglichkeit haben, auf umweltfreundliche Alternativen umzusteigen. Die Wirtschaft soll dabei nicht benachteiligt werden: "Klimafreundliches Arbeiten und Produzieren darf kein Nachteil im Wettbewerb sein." Die SPD unterstützt den "Clean Industrial Deal" der EU und setzt auf eine schnelle klimafreundliche Umstellung der Wirtschaft mit Schutzmechanismen für Unternehmen.
Union: Markt und Klimaschutz vereinen
Die CDU/CSU bekennt sich zur Klimaneutralität 2045, distanziert sich aber von dem, was sie als "ideologiegetriebene Politik" der Ampelregierung bezeichnet. Sie verspricht einen Kurswechsel: "Klima markwirtschaftlich schützen." Wirtschaftswachstum und Umweltziele sollen dabei gleichwertig behandelt werden. Die Union setzt auf den Emissionshandel, d.h. die CO2-Bepreisung als klimapolitisches Leitinstrument. Die technische Speicherung und Nutzung von CO2 sowie Kernenergie sollen beim Weg zur Klimaneutralität eine größere Rolle spielen. Für den Ausbau der energetischen Infrastruktur wollen sie mehr privates Kapital gewinnen.
Grüne: Klimaschutz als Wirtschaftschance
Die Grünen betrachten den Klimaschutz als Leitprinzip, das sich durch alle Politikbereiche zieht. Sie wollen Wirtschaft und Umwelt in Einklang bringen: "Ökologisches Wachstum sichert unseren Wohlstand." Die Partei setzt auf grüne Industriepolitik und Investitionen in klimafreundliche Technologien und energetische Infrastruktur. Sie wollen den "Green Deal" erweitern, um die EU-Wirtschaft zur globalen Vorreiterin nachhaltiger Technologien zu machen. Das Ziel ist eine klimaneutrale Wirtschaft und eine erhöhte Lebensqualität für die Menschen. Eine Soziale, öffentliche Förderlandschaft soll die Teilhabe an der Transformation ermöglichen.
FDP: Klimaschutz ohne staatliche Regulierung
Die FDP spricht sich gegen umfassende staatliche Vorgaben aus und setzt stattdessen auf marktwirtschaftliche Lösungen. Bürokratische Klimaschutzauflagen sollen abgebaut werden, darunter Berichtspflichten aus dem EU-"Green Deal". Die Partei plädiert für den Emissionshandel als das zentrale Steuerungsinstrument und setzt auf technologische Innovationen zur CO₂-Reduktion. Die Klimaneutralität soll erst 2050 erreicht werden. Damit löst die Partei sich vom breit geteilten Konsens der Klimaneutralität 2045.
Linke: Klimaschutz sozial gerecht gestalten
Die Linke fordert eine ambitionierte Klimapolitik, die nicht zulasten der finanziell Schwächeren geht. Sie plädiert für eine stärkere Beteiligung von Konzernen an den Klimaschutzkosten: "Superreiche und Energiekonzerne müssen ihren Beitrag leisten." Ziel ist es, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz untrennbar miteinander zu verknüpfen. Die Partei fordert ein umfangreiches sozial-ökologisches Investitionsprogramm für nachhaltige Technologien und die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen. Klimaschutz soll nicht dem Markt überlassen werden. Strom- Wärme- und Gasnetze sollen in die öffentliche Hand übergehen und demokratisch kontrolliert werden.
BSW: Gegen "blinden Aktivismus" im Klimaschutz
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bezeichnet den Klimawandel als ernstes Problem, lehnt aber restriktive Maßnahmen ab. Sie betont Klimaschutz als globale Herausforderung und möchte vornehmlich dort Klimaschutz, wo die größte Wirkung erzielt werden kann. Das bedeutet, dass sie die Verantwortlichkeit Deutschlands reduzieren wollen. Die Partei kritisiert staatliche Vorgaben als "Verarmungspolitik" und setzt stattdessen auf technologische Fortschritte. Der Emissionshandel wird skeptisch gesehen, stattdessen sollen neue Methoden zur CO₂-Speicherung gefördert werden.
Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz: Wer schafft den Ausgleich?
Mehrere Parteien planen einen Ausgleich für die Menschen in Deutschland, sollten die Kosten für das alltägliche Leben etwa durch einen CO₂-Preis steigen.
Die SPD möchte den beschlossenen CO₂-Preis beibehalten, dafür aber auf nationaler oder europäischer Ebene einen sozialen Ausgleich schaffen. Sie nennt das Klimageld als Beispiel, legt sich darauf aber nicht fest.
Die Union setzt auf einen Klimabonus zum Ausgleich von Mehrausgaben durch eine CO₂-Bepreisung: "Um Verbraucher und Unternehmen schnell und effizient mit einem sozialen Ausgleich zu entlasten, schaffen wir einen Klimabonus. Wir reduzieren mit den CO₂-Einnahmen zuerst die Stromsteuer und Netzentgelte. Höhere Belastungen durch steigende CO₂-Abgaben müssen auch zu höheren Entlastungen führen."
Die Grünen planen, in der nächsten Legislaturperiode so schnell wie möglich das Klimageld einzuführen: "Alle Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen bekommen zum Ausgleich einen Großteil der Einnahmen der CO₂-Bepreisung von Gebäudewärme und Transport als Klimageld zurück." Dieses soll dann direkt auf dem Konto der Bürger landen.
Die FDP will ihrerseits eine "Klimadividende einführen, um Einnahmen aus dem Emissionshandel direkt und pauschal pro Kopf an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuzahlen".
Die Linkspartei will rückwirkend zum 1. Januar 2025 ein soziales Klimageld von 320 Euro pro Jahr pro Person als Direktzahlung einführen, von dem Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen besonders profitierten. Zukünftig werde das Klimageld an die reale Entwicklung der CO₂-Preise angepasst.
Das BSW möchte den CO₂-Preis abschaffen und setzt stattdessen auf technologische Innovationen.
Verkehrspolitik: Wie sieht klimafreundliche Mobilität aus?
Auch in der Mobilitätspolitik unterscheiden sich die Konzepte. Die SPD fokussiert sich auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und eine klimaneutrale Bahn. Zudem soll Elektromobilität gefördert werden, insbesondere durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Senkung des Strompreises. Elektroautos sollen vorrangig von deutschen Herstellern unterstützt werden. Gleichzeitig will die SPD jedoch die von der EU-Kommission beschlossenen Strafzahlungen für Autohersteller bei Überschreitung der CO₂-Flottengrenzwerte stoppen.
Die Grünen setzen auf einen besseren öffentlichen Nahverkehr, mehr Radwege und ein sozial gerechtes Mobilitätskonzept. Zudem soll Elektromobilität weiter ausgebaut werden, wobei europäische Hersteller bevorzugt werden. Die Grünen halten am Ziel fest, ab 2035 nur noch klimafreundlich angetriebene Neuwagen zuzulassen.
Die Union will den Nahverkehr ausbauen, ohne explizit den Klimaschutz als Hauptmotivation zu nennen. Sie lehnt ein generelles Tempolimit sowie Verbote von Verbrennern ab, setzt aber auf Technologieoffenheit. Sie will Elektromobilität fördern, jedoch auch alternative Antriebe wie E-Fuels, Wasserstoff und Biokraftstoffe testen.
Die FDP konzentriert sich auf klimafreundliche Antriebe im Luftverkehr und will das Verbrennerverbot aufheben. Sie setzt auf "Technologieoffenheit" und möchte E-Fuels ermöglichen, um Verbrennermotoren klimafreundlicher zu machen. Zudem sollen die EU-Flottengrenzwerte abgeschafft werden.
Die Linke fordert ein neues 9-Euro-Ticket und eine gemeinnützige Bahn. Zudem soll der Individualverkehr reduziert werden, um den Klimaschutz zu fördern. Der Staat soll nur noch Elektroautos anschaffen.
Das BSW unterstützt einen besseren öffentlichen Nahverkehr, will aber keine Verkehrsmittel bevorzugen. Das Verbrennerverbot soll zurückgenommen werden, gleichzeitig sollen verbrauchsarme und effiziente Motoren sowie alternative Kraftstoffe gefördert werden. Zudem plant das BSW Investitionen in die Batterieentwicklung und ein "Volksleasing" für umweltfreundliche Fahrzeuge europäischer Produktion.
Wärmewende: Wie heizen wir in Zukunft?
Der Weg zu einem klimaresilienten Gebäudebestand und einer erneuerbaren Wärmeversorgung wird von den Parteien unterschiedlich priorisiert und mit verschiedenen Strategien verfolgt. CDU und FDP wollen das sogenannte Heizungsgesetz abschaffen und setzen auf den CO2-Zertifikatehandel, also die Verteuerung von Heizstoffen, als Leitinstrument: “Mit dem bürokratischen Reinregieren in den Heizungskeller muss Schluss sein” (CDU). Mit dem Begriff der Technologieoffenheit stehen sie für die Nutzung von Wasserstoff und Holz zum Heizen ein. Die Grünen räumen der Energieeffizienz von Gebäuden und der erneuerbaren Wärmeversorgung große Wichtigkeit bei. Hierbei setzen sie auf Wärmepumpen, Wärmenetze, Solarthermie und Energiespeicher. Zur sozialen Absicherung wollen sie unter anderem eine sozial gestaffelte Förderung und die Stärkung der Klimakomponente im Wohngeld. Auch für die SPD ist die Wärmewende ein entscheidender Faktor auf dem Weg zur Klimaneutralität. Sie setzt in ihrem Programm einen starken Fokus auf gemeinschaftliche Lösungen wie Wärmenetze und die Stärkung der Kommunen. Die Linke lehnt den CO2-Preis für Wärme und Verkehr als Instrument ab und möchte dagegen den ordnungspolitischen Rahmen stärken. Begleitend dazu steht sie für soziale Förderprogramme, öffentliche Infrastrukturmaßnahmen und flächendeckende Beratungsangebote ein. Das BSW hingegen will “Habecks Heizungsgesetz sofort abschaffen” und durch “sinnvolle Regelungen”" ersetzen, was nicht näher ausgeführt wird. Es will die Stilllegung des Gasnetzes stoppen und setzt bei der Wärmewende vor allem auf Fernwärme und Geothermie.
Umweltschutz: Ergänzung oder Gegensatz zum Klimaschutz?
Die meisten Parteien sehen Klima- und Umweltschutz als eng miteinander verknüpft. SPD, Union, Grüne und Linke betonen den Schutz von Wäldern, Mooren und Böden als Beitrag zum Klimaschutz. Die Grünen setzen besonders auf naturnahe Waldwirtschaft und die Wiedervernässung von Mooren. Die FDP betrachtet Wälder primär als wirtschaftlichen Rohstoff. Das BSW setzt auf umweltschonende Landwirtschaft und lokale Lieferketten.
Umgang mit Klimafolgen: Wer setzt auf Anpassung?
Die Parteien setzen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Anpassung an Klimafolgen. SPD, Union und Grüne betonen die Notwendigkeit, Städte widerstandsfähiger gegen Hitze, Hochwasser und andere Extremwetter zu machen. Die Grünen setzen dabei besonders auf naturbasierte Lösungen und das Verursacherprinzip. Die Linkspartei fordert mehr Investitionen in Katastrophenschutz und globale Klimagerechtigkeit. Das BSW will eine staatlich geförderte Versicherung für landwirtschaftliche Betriebe und mehr Hochwasserschutz. Die FDP äußert sich nicht zu dem Thema.
Fazit und Paritätische Forderungen
Alle demokratischen Parteien erkennen den Klimawandel als Herausforderung an, doch ihre Lösungswege sind grundverschieden. Die Parteien bekennen sich zum Pariser Klimaabkommen und wollen dessen Ziele weiterverfolgen. Die Grünen fordern, die Pariser Ziele verbindlich im Recht zu verankern. Union, SPD, FDP, Linke und das BSW unterstützen das Abkommen ebenfalls, jedoch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Während die FDP auf marktwirtschaftliche Lösungen setzt, fordert die Linke verstärkte Investitionen in den Klimaschutz. Die Wähler*innen stehen jetzt vor der Entscheidung, welchen Kurs Deutschland in der Klimapolitik einschlagen soll.
Der Paritätische fordert eine enge Verknüpfung sozialer und ökologischer Anliegen, da darin eine große Chance für eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft liegt. Sie sollte allen Menschen ein Leben frei von Armut ermöglichen und niemanden zurücklassen. Eine barrierefreie, saubere und möglichst kostenfreie Mobilität – sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen – ist dabei essenziell, ebenso wie lebenswerte Städte mit viel Grün und kurzen Wegen im Alltag. Auch der ländliche Raum braucht lebendige Dörfer und eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Gemeinnütziges Handeln spielt eine zentrale Rolle bei der Lösung sozialer Herausforderungen, während ökologisches und bezahlbares Wohnen sowie eine gemeinwohlorientierte Nutzung von Boden gefördert werden müssen. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne muss so gestaltet werden, dass alle davon profitieren.
Eine starke Soziale Arbeit mit ausreichend Ressourcen ist ebenso unerlässlich wie eine engagierte Zivilgesellschaft, die sich für sozial-ökologische Lösungen einsetzt. Gleichzeitig muss Deutschland seiner globalen ökologischen Verantwortung gerecht werden und solidarisch mit den besonders betroffenen Menschen im globalen Süden sein. Eine inklusive Gesellschaft darf gerade in Zeiten von Umweltkrisen ihre besonders schutzbedürftigen Mitglieder nicht vergessen. Dafür ist eine ausreichende Finanzierung des Gemeinwesens notwendig, die auch den großen Reichtum im Land berücksichtigt. Letztlich ist ein starker Sozialstaat der Schlüssel, um gesellschaftliche Teilhabe zu gewährleisten und die Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen ökologischen und sozialen Krisen zu sichern.
Lesetipps:
Der Paritätische hat Lösungsvorschläge zur sozial-ökologischen Transformation in Factsheets zusammengefasst und die Parteien im Bundestag in Wahlprüfsteinen gefragt, welche Pläne sie nach der Bundestagswahl im Klima- und Umweltschutz umsetzen möchten.