Präambel
Um den Klimawandel zu stoppen, bedarf es der Anstrengung der gesamten Gesellschaft. Jede*r Einzelne trägt Verantwortung für Klimaschutz. Die Politik muss dabei die Rahmenbedingungen setzen, die Organisationen, Unternehmen und Individuen den notwendigen Wandel ermöglichen. Es geht staatlicherseits um notwendige Steuerung, aber auch darum, allen Verbraucher*innen zu ermöglichen, ihrer individuellen Verantwortung nachzukommen und klimabewusst zu konsumieren.
Auch der Paritätische sieht es als seine Aufgabe, nachhaltiges Verhalten bei sich und seinen Mitgliedern zu fördern. Er ist aber auch in der Pflicht, auf Gerechtigkeit zu drängen, wenn es um Belastungen geht, die mit einer offensiven Klimaschutzpolitik verbunden sind, und darauf zu achten, dass niemand dabei an den gesellschaftlichen Rand gedrängt wird.
Klimaschutz berührt eine ganze Reihe von Kernthemen des Paritätischen, von der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe über das Wohnen bis hin zu Mobilität und Infrastruktur. Der Verband sieht sich daher aufgerufen, Stellung zu beziehen und im Zweifelsfall auch Partei zu ergreifen; seien es die Geschädigten klimapolitischer Unterlassungen weltweit oder die vielen Unterprivilegierten, die hierzulande darauf angewiesen sind, dass die notwendige ökologische Wende eine sozial-ökologische sein wird.
Einleitung
Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Würde. Dafür macht sich der Paritätische in Deutschland und auch in der internationalen Zusammenarbeit stark. Dabei rückt der Klimawandel als ein entscheidender Einflussfaktor auf die Lebensbedingungen der Menschen weltweit immer stärker in den Fokus. Denn die Folgen des Klimawandels sind mit existentiellen Verwerfungen verbunden. Die Ärmsten tragen die Hauptlast. Es ist davon auszugehen, dass bereits stattfindende Verteilungskonflikte um Böden, Wasser und Nahrung zunehmen werden. Um der Klimakrise entgegenzutreten, fordert der Paritätische einen gerechten und konsequenten Klimaschutz.
Klimagerechtigkeit schaffen
Die internationale Staatengemeinschaft hat sich mit der Verabschiedung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 vorgenommen, bis 2030 Armut zu halbieren und extreme Armut gänzlich zu beseitigen, soziale Ungleichheit abzubauen, den Hunger zu beenden und Ernährungssicherheit zu schaffen. Diese Ziele können nur dann erreicht werden, wenn erhebliche Anstrengungen auch im Bereich des Klimaschutzes unternommen werden.
Die heutigen Industrieländer sind auf Grund ihres historischen Beitrags zum Klimawandel in besonderem Maße gefordert, die im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbarten Klimaschutzziele konsequent umzusetzen. Das ist eine Frage von Gerechtigkeit. Ferner müssen sie aufgrund ihrer hohen Emissionen sowie technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten weltweit eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnehmen. Der globale Norden steht in der Verantwortung, die Länder des globalen Südens bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels sowohl technisch als auch finanziell zu unterstützen. Der Paritätische fordert, dass Deutschland seinen Beitrag in der bilateralen Klimafinanzierung sowie an multilateralen Mechanismen, insbesondere dem Grünen Klimafonds der Vereinten Nationen, verstetigt.
Gleichzeitig muss sich die Bundesregierung für mehr Unterstützung im Bereich der Klimarisikofinanzierung sowie der weltweiten Katastrophenvorsorge und -schutzmaßnahmen, z.B. im Rahmen der Humanitären Hilfe, einsetzen. Nur so können Menschen und Gemeinschaften in Risikogebieten für Naturkatastrophen besser auf die extremen Wetterereignisse vorbereitet, ihre Widerstandsfähigkeit gestärkt und ihr Schutz vor klimabedingten Verlusten und Schäden verbessert werden.
Im Sinne der Agenda 2030 muss Klimaschutz in den nationalen Politiken und auf EU-Ebene zudem stärker als Querschnittsthema verankert und gemeinsam mit wirt-schaftlichen und sozialen Fragen gedacht werden. So muss sich auch die Handelspolitik der Europäischen Union und Deutschlands den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens unterordnen. Handelsabkommen dürfen dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen nicht konterkarieren. Der Paritätische fordert eine Abkehr von aggressiven Exportstrategien bei Agrarprodukten und der Förderung industrieller Landwirtschaft auf Kosten von kleinbäuerlicher Landnutzung. Vielmehr muss der Ausbau regionaler Wertschöpfungsketten in den Vordergrund rücken, um die vom Klimawandel besonders betroffenen Kleinbäuer*innen zu stärken.
Klimaschutz konsequent vorantreiben, sozialer Spaltung entgegentreten
Die bisherigen Bemühungen Deutschlands beim Klimaschutz sind bei weitem nicht ausreichend – weder auf internationaler noch auf nationaler Ebene. Es braucht eine ambitionierte und verbindliche Klimaschutzpolitik, die geeignet ist, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das kann nur durch weitreichende Maßnahmen in unterschiedlichen Politikfeldern gelingen.
Die Notwendigkeit einer ökologischen Wende trifft in Deutschland auf eine Gesellschaft mit großen und wachsenden Ungleichheiten und damit auch auf Menschen, die in sehr unterschiedlichem Maße in der Lage sind, mit Klimaschutz verbundene Kosten zu stemmen. Vergangene klimapolitische Maßnahmen haben gezeigt, wie groß die Gefahr ist, dass Klimapolitik soziale Ungerechtigkeit weiter verschärft und damit auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet. So hat das Instrument der energetischen Gebäudesanierung ohne wirkungsvollen Mieterschutz zu einer Förderung der Verdrängung von Mieter*innen geführt. Das Beispiel Wohnen verdeutlicht, wie klimapolitische Maßnahmen soziale Spaltung zu befördern drohen, wenn sie existentielle Güter ohne adäquaten Ausgleich verteuern und damit Menschen von ihnen ausschließen. Damit Klimaschutz von allen mitgetragen werden kann, muss die ökologische Wende soziale Fragen von Anfang an mitdenken. Nur bei Abwesenheit sozialer Existenzängste und einem starken sozialen Zusammenhalt kann es gelingen, eine breite gesellschaftliche Zustimmung zu einer ambitionierten Klimapolitik zu gewinnen. Klimapolitik braucht einen funktionierenden Sozialstaat und sie muss sozial gerecht sein. Es bräuchte daher nicht nur eine ökologische, sondern eine sozial-ökologische Wende.
Chancen einer sozial-ökologischen Wende nutzen
Eine gelingende sozial-ökologische Wende erfordert einen grundlegenden politi-schen Kurswechsel. Dieser Kurswechsel eröffnet zugleich die Chance für entscheidende soziale Verbesserungen. Ziel einer sozial-ökologischen Wende muss es sein, allen Menschen ein klimafreundliches Leben zu ermöglichen und soziale Ungleichheit abzubauen. Insbesondere erfordert dieser Wandel Maßnahmen in den Bereichen Wohnen, Verkehr, Infrastruktur sowie der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Gebäude haben einen wesentlichen Anteil am Gesamtenergiebedarf und an den Treibhausgasemissionen in Deutschland und bieten große Potentiale für mehr Energieeffizienz. Geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden gehören daher zu einer wichtigen Säule des Klimaschutzes. Dabei muss sichergestellt werden, dass klimapolitische Maßnahmen nicht als Instrument der Profitmaximierung zu Lasten von Mieter*innen genutzt werden können. Darüber hinaus muss es das Ziel einer am Leitbild der sozial-ökologischen Wende orientier-ten Wohnungspolitik sein, alle Menschen mit klimafreundlichem und menschenwürdigem Wohnraum zu versorgen.
Auch der durch motorisierten Individualverkehr geprägte Verkehr von heute bietet enormes CO2-Einsparungspotenzial. PKW-, LKW-, Flugverkehr und Schifffahrt gehen mit einem hohen Energieverbrauch einher. Der Paritätische fordert eine grundlegende Wende in der Verkehrspolitik, die zugleich die Möglichkeit gesellschaftlicher Partizipation verbessert. Sowohl aus klimapolitischer als auch aus sozialer Perspektive muss das Ziel ein möglichst kostenloser, inklusiver und ökologischer öffentlicher Nahverkehr sein. Dieser muss Hand in Hand gehen mit einer Verlagerung des Regional- und Fernverkehrs von der Straße auf die Schiene. Der Schienenverkehr muss das gesamte Land in der Fläche erschließen, die Nutzung der Bahn zu bezahlbaren Preisen ermöglicht werden. So kann die Abhängigkeit vom Individualverkehr verringert werden und damit sowohl die Umwelt- und Klimabelastungen drastisch reduzieren, als auch mehr Menschen der Zugang zu Mobilität eröffnet werden. Um die Entwicklung klimafreundlicher Technologien und Konzepte voranzutreiben, muss außerdem massiv in die Klimaschutzforschung investiert werden.
Gleichzeitig können lange klimaschädliche Verkehrs- und Transportwege durch die Förderung von Dezentralität und Nähe vermieden werden. Dies schließt insbesondere den Ausbau der regionalen Daseinsvorsorge ein: Angebote wie Kindergärten, Schulen, Seniorentreffs oder Beratungsstellen müssen soziale Anlaufpunkte für alle Bürger*innen bieten. Mietverhältnisse von sozialen Trägern, kleinen Geschäften und anderen für die Wohnqualität und Versorgung relevanten Angeboten müssen geschützt werden. Die so ermöglichten kurzen Wege reduzieren klimaschädliche Emissionen und verbessern zugleich die Lebensqualität vor Ort.
Für soziale Sicherheit und Gerechtigkeit sorgen
Eine effektive Klimaschutzpolitik wird notgedrungen mit spürbaren Einschränkungen und Belastungen verbunden sein und erfordert zugleich eine breite gesellschaftliche Zustimmung. Diese wird nicht zu gewinnen sein, wenn ein großer Teil der Bevölkerung ohnehin soziale Abstiegsängste hat, den eigenen Status als prekär erlebt und sich um die Zukunft sorgt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik ist daher ein zuverlässiger Sozialstaat, der den Menschen soziale Sicherheit garantiert, sodass sich jede*r ein klimafreundliches Leben leisten kann. Je mehr Gleichheit eine Gesellschaft in der Verteilung von Ressourcen und Möglichkeiten aufweist, umso leichter wird ihr eine anspruchsvolle Klimapolitik fallen. Daher ist die ökologische Transformation nur als eine sozial-ökologische denkbar. Eine gute Alterssicherungspolitik ist ebenso angezeigt wie die Schaffung einer sanktionsfreien Grundsicherung, die Bekämpfung von Kinderarmut oder aber eine Mindestlohn- und Beschäftigungspolitik, die im Zweifel auch selbst gute Arbeit schafft.
Die sozial-ökologische Transformation zwingt aufgrund ihrer notwendigen Vehemenz auch dazu, Systemfragen der sozialen Daseinsvorsorge zu stellen: So wird sich diese Gesellschaft kaum noch leisten können, existenzielle Grundbedürfnisse wie Wohnen, Pflege oder Gesundheit vor allem der Verwertungslogik gewinnorientierter Unternehmen unterzuordnen. Politische Maßnahmen müssen sich dagegen wieder stärker an den Bedarfen der Menschen, einem möglichst effizienten Ressourceneinsatz und den Notwendigkeiten eines konsequenten Klimaschutzes orientieren. Die Gemeinnützigkeit erfährt als Struktur- und Wirtschaftsprinzip eine neue gesellschaftspolitische Relevanz.
Die mit der sozial-ökologische Wende auf unsere Gesellschaft zukommenden Investitionsbedarfe sind erheblich. Sie werden die Steuer- und Subventionspolitik sowie die öffentlichen Haushalte vor große Herausforderungen stellen. Für den Erfolg und die Zustimmung aus der Bevölkerung wird es entscheidend darauf ankommen, dass die zu ergreifenden haushalts- und steuerpolitischen Maßnahmen von den Bürger*innen als sozial, solidarisch und gerecht erlebt werden. Die stärkere Heranziehung sehr hoher Einkommen, großer Vermögen und Erbschaften dürfte in diesem Zusammenhang genauso auf der Agenda stehen wie die Bekämpfung systematischen Steuerbetruges und Steuervermeidung insbesondere international tätiger Konzerne.
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