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Projekt

Vielfalt ohne Alternative

Vor dem Reichstag ist in einer riesigen Menschenmenge ein Schild zu sehen, auf dem steht "Vielfalt ohne Alternative!". Daneben eine Fahne in Regenbogenfahne mit dem Logo des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
Foto: Stephanie von Becker
Gemeinsam für Menschlichkeit und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und alle Ideologien der Ungleichwertigkeit! Der Paritätische mit seinen Mitgliedsorganisationen steht für eine demokratische, offene, vielfältige Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwürdig teilhaben und Schutz erfahren – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexueller Identität, materieller Situation, Behinderung, Beeinträchtigung, Pflegebedürftigkeit oder Krankheit. Vielfalt ist ohne Alternative.

FAQ Verschwörungserzählungen

Das Aufkommen von Verschwörungserzählungen und die Auseinandersetzung mit Verschwörungsgläubigen im Alltag der Sozialen Arbeit stellt Haupt- und Ehrenamtliche vor besondere Herausforderungen. Im Folgenden werden häufig gestellte Fragen zum Thema beantwortet.

Verschwörungserzählungen beziehen sich auf konkrete Geschehnisse in der Welt, die in einer bestimmten Weise eingeordnet und erklärt werden. Sie basieren auf der Annahme, dass als mächtig wahrgenommene Einzelpersonen oder eine Gruppe von Menschen wichtige Ereignisse in der Welt beeinflussen und damit der Bevölkerung gezielt schaden, während sie diese über ihre Ziele im Dunkeln lassen1. Verschwörungserzählungen sind anpassungsfähig, sie unterliegen durch das fortgesetzte Widerlegen ihrer Inhalte und Voraussagen einem ständigen Wandlungsprozess.

Verschwörungsideologien bezeichnen ein geschlossenes Weltbild, welches das Geschehen auf der Welt auf eine weltumfassende Verschwörung zurückführt. Vertreter*innen von Verschwörungsideologien nehmen das Scheitern ihrer Aussagen oder logische Gegenargumente nicht zur Kenntnis und sichern ihr Weltbild gegen die Widerlegung ihrer Prämissen ab. Die Verschwörung, die sie nachweisen wollen, wird von vornherein als gegeben vorausgesetzt.

Die Verbreitung von Verschwörungserzählungen und -ideologien ist historisch kein neues Phänomen und in unterschiedlichen Ausprägungen in allen Gesellschaften weltweit präsent. Studien zufolge liegt der Anteil der Bevölkerung in Deutschland, der eine Bereitschaft zum Glauben an entsprechende Inhalte aufweist, bei etwa einem Drittel.

 

Nocun, Katharina; Lamberty, Pia: Fake Facts - wie Verschwörungserzählungen unser Leben bestimmen, 2020 S.18


Weiterführende Informationen:

Video: Einführungsvortrag zu Verschwörungserzählungen

Übersicht zu Inhalten verbreiteter Verschwörungserzählungen der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Bundeszentrale für politische Bildung (2020): Verschwörungserzählungen

Gesellschaftliche Krisensituationen wie die Corona-Pandemie erzeugen bzw. verstärken Unsicherheiten bei vielen Menschen, die nach Strategien und Handlungsmöglichkeiten suchen, die entstehenden Probleme und Herausforderungen zu bewältigen. Die Suche nach Informationen als Entscheidungsgrundlage ist oft schwierig. Zusätzlich erschwert wird sie durch eine die Verbreitung von Gerüchten und Falschmeldungen, die manchmal schwer als solche zu erkennen sind.

Nicht alle Personen, die Verschwörungserzählungen (weiter-)verbreiten, glauben auch selbst fest daran. Knallige Schlagzeilen können blenden, Widersprüchlichkeiten fallen beim Konsum der Botschaften nicht sofort auf. Solche Nachrichten klingen oft interessant und viele geben schlicht dem Impuls nach, sie Freund*innen, Bekannten oder Familienmitgliedern weiterzuerzählen. In einer solchen Situation kann dann mitunter schon ein Hinweis helfen, dass die Geschichte nicht stimmen kann. Zur Überprüfung des Wahrheitsgehaltes von Informationen und der Widerlegung von Fake News stehen verschiedene Online-Angebote zur Verfügung. Wird die Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungserzählungen jedoch verharmlost, z.B. als Scherz, kann der Verweis auf die Gefahren der Verbreitung von Verschwörungserzählungen Abhilfe schaffen.

Verschwörungserzählungen nutzen einfache Weltbilder, in denen für gesellschaftliche Missstände Einzelpersonen oder Gruppen verantwortlich gemacht und diese als Schuldige präsentiert werden. Häufig werden diesen Personen oder Gruppen bösartige und unveränderliche Eigenschaften zugeschrieben, die sie als Feinde markieren. Für die komplexen und vielschichtigen Probleme der gesellschaftlichen Realität werden einfache Lösungen präsentiert.

 

Für die Identifikation von Verschwörungserzählungen kann eine Reihe von Anhaltspunkten dienen. 

Ist das Weltbild verblüffend einfach und erklärt vermeintlich jedes Problem, wird es der Komplexität der Welt nicht gerecht, ist es unplausibel und sollte hinterfragt werden.

Steuert die Welt auf eine Katastrophe zu und nur eine Gruppe hat Zugang zu vermeintlich unterdrückten Informationen, die zur Lösung der Probleme führt, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Verschwörungserzählung.

Ein weiterer Anhaltspunkt besteht darin, dass Verschwörungsgläubige die Welt streng dualistisch in gut und böse einteilen und entsprechende Feindbilder aufbauen, die ihr Denken bestimmen. Kritik an dieser Haltung wird als Beweis aufgefasst, dass man recht hat.

Zudem gehen Anhänger*innen von Verschwörungserzählungen nicht auf faktenbasierte Argumentation ein. Die Widerlegung der eigenen Ansichten dient der Beweisführung, dass die Kritik äußernde Person oder Institution, wie z.B. Faktenchecker, Teil der Verschwörung sind.

Das Eintauchen in die verschwörungsideologische Szene geht meist damit einher, soziale Kontakte zu Personen, die nicht den eigenen Überzeugungen entsprechen, zu begrenzen oder einzustellen. Wenn die Ausrichtung immer stärker in die verschwörungsideologischen Gruppierung verlagert wird, drohen die weitere Bestärkung des Verschwörungsglaubens und Radikalisierungsprozesse.

Hat sich ein geschlossenes Weltbild verfestigt und die Annahme, dass die Verschwörung alles kontrolliert, wird häufig auch die Anwendung von Gewalt als Selbstverteidigung akzeptiert oder sogar propagiert.

Die Verbreitung von Verschwörungserzählungen setzt insbesondere die von ihnen als Feindbilder markierten Personen oder Gruppen Gefahren von Anfeindung und Diskriminierung aus. Das kann aufgrund der Zuschreibung geschehen Jüd*in oder Migrant*in zu sein, aber auch Berufsgruppen wie Journalist*innen oder Politiker*innen. Bekannte Aktivist*innen der Verschwörungsszene erreichen über ihre Kanäle in Sozialen Medien oder per Messenger zehntausende oder hunderttausende Anhänger*innen, die sie mobilisieren können, um gegen Organisationen oder Einzelpersonen vorzugehen. Beschimpfungen und Bedrohungen missliebiger Journalist*innen oder Politiker*innen sind keine Seltenheit. Zudem drohen tätliche Angriffe oder gar Anschläge gegen Personen und Institutionen, die als Gegner ausgemacht werden. Die rechtsterroristischen Attentate von Halle, Christchurch/Neuseeland und Utoya/Norwegen wurden von Personen begangen, die fest an die von ihnen zur Legitimation herangezogenen Verschwörungserzählungen glaubten.

Verschwörungserzählungen können für auch für ihre Anhänger*innen selbst erhebliche Probleme verursachen. Die Infragestellung von medizinischen Erkenntnissen, wie die Verharmlosung des Coronavirus oder die Leugnung dessen Existenz, bedrohen durch die Nichtbeachtung von Schutzmaßnahmen die eigene Gesundheit und die ihres Umfeldes.

Zudem können finanzielle Probleme auftreten, z.B. wenn Menschen sich verschulden, weil sie ihren Job verlieren oder kündigen, weil sie glauben, der Zusammenbruch der Gesellschaft stünde bevor. Der Verlust oder Abbruch sozialer Kontakte durch Konflikte im sozialen Umfeld und kann in eine Spirale der Radikalisierung der Ansichten führen, der o.g. Probleme noch verstärkt.

Verschwörungsideologien werden von Forscher*innen, z.B. dem CEMAS-Institut im Report zur Bundestagswahl 2021, als erhebliche Gefahr für demokratische Gesellschaften beschrieben. Nicht nur seien die massenhafte Verbreitung von Desinformationen und Verschwörungserzählungen, die ihnen den Anstrich einer legitimen Kritik verliehen, für den demokratischen Diskurs schädlich, sondern sie böten auch antisemitischen und rechtsextremen Erzählungen eine Plattform. Die inhaltliche Nähe zum Rechtsextremismus besteht u.a. in der Identifikation von Sündenböcken für gesellschaftliche Fehlentwicklungen, die als Machenschaften bestimmter sozialer Gruppen identifiziert werden. Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt gegen aus dieser Sicht schädlichen sozialen Gruppen wird damit legitimiert.


Weiterführende Informationen:

CeMAS-Report: Die Bundestagswahl 2021 - Welche Rolle Verschwörungsideologien in der Demokratie spielen

Amadeu-Antonio-Stiftung, 2021: Gefahren von Verschwörungsideologien: Verschwörungsideologien - Basiswissen und Handlungsstrategien

Leitfaden Verschwörungstheorien, COMPACT Education Group, 2020

Das Vorhandensein von Verschwörungserzählungen ist keine neues Phänomen. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche und Krisen, die zu Verunsicherung führen, kommt es zum verstärkten Aufkommen und der Ausbreitung von Verschwörungserzählungen und -mythen. Neuere Untersuchungen belegen, dass bis zu einem Drittel der Bevölkerung in Deutschland für Verschwörungserzählungen zugänglich ist, regional in unterschiedlichem Ausmaß.

Der Glaube an Verschwörungen kann, je nach persönlicher Situation, durchaus rationale Momente haben. Verschwörungserzählungen versprechen Orientierung in einer komplexen und bisweilen als krisenhaft empfundenen sozialen Realität. Auf individueller Ebene begünstigen kritische Situationen wie das Ende einer Liebesbeziehung, der Verlust des Arbeitsplatzes oder Diskriminierungserfahrungen das Annehmen einer sogenannten Verschwörungsmentalität.

Die Attraktivität von Verschwörungserzählungen besteht u.a. darin, dass sie an psychologische Grundbedürfnisse anknüpfen kann. Denn die Abwertung einer vermeintlichen Außengruppe, wie „die Schuldigen“ oder „die Unwissenden“, kann mit der Aufwertung der Eigengruppe der vermeintlich „Erwachten“ einhergehen und somit identitätsstiftend wirken.

Der Glaube an eine Verschwörungserzählung kann, insbesondere in Zeiten von Unsicherheit und Kontrollverlust, eine scheinbare Ordnung und Eindeutigkeit in einer als chaotisch und widersprüchlich erlebten Welt bringen. Klare Feindbilder gehören meist dazu, was die Gefährlichkeit entsprechender Erzählungen erhöht, weil sie ein Aggressionspotential gegenüber bestimmten Personen oder Gruppen aufbaut.

Eine bereits vorhandene Ablehnung von gesellschaftlichen Minderheiten, wie z.B. Migrant*innen, Menschen muslimischen oder jüdischen Glaubens usw. kann unter Bezugnahme auf Verschwörungserzählungen vor anderen und sich selbst leichter gerechtfertigt werden, wenn sie als vermeintlich „böse Verschwörer*innen“ ausgemacht werden. Eine unbequeme Auseinandersetzung mit eigenem Fehlverhalten, Vorurteilen und Scheitern wird vermieden.

Einige Protagonist*innen der Verschwörungsszene nutzen die Verschwörungsgläubigkeit anderer für die eigenen persönlichen oder politischen Ziele, um sich monetär an ihnen zu bereichern oder um Hass gegen Feindbilder zu schüren. Insbesondere in der rechtsextremen Szene werden Verschwörungserzählungen (“Der große Austausch”) kultiviert, um die eigene politische Agenda zu befördern.


Weiterführende Informationen:

Verschwörungsideologien - Hype oder Gefahr?, MBT Hessen, 2021

Umgang mit Verschwörungsideologien im Unterricht und in der Schule, Amadeu-Antionio-Stiftung 2020

Fest an Verschwörungserzählungen glaubendende Menschen auf der Ebene von faktenbasierter Argumentation zu begegnen ist in den allermeisten Fällen nicht erfolgversprechend, da Widersprüche und abweichende Meinungen im verschwörungsideologischen Weltbild nicht akzeptiert und sogar als Angriffe gewertet werden können. Der Verweis auf Erkenntnisse, welche die Gültigkeit der Verschwörungserzählung in Frage stellen, kann von Verschwörungsgläubigen oft als Beweis gedeutet werden, selbst Bestandteil der Verschwörung oder durch diese verblendet zu sein. Gespräche auf dieser Ebene können daher schnell eskalieren.

Im öffentlichen Kontext, wenn Dritte präsent sind, z.B. in einer Chatgruppe oder einem Treffen mit Klient*innen bzw. Angehörigen, sollte man gegenüber Personen, die hartnäckig Verschwörungserzählung verbreiten, ganz klar Position beziehen und zum Ausdruck bringen, dass man den Wahrheitsgehalt der vorgebrachten Äußerungen aufgrund mangelnder Plausibilität und fehlender Seriosität der angeführten Quellen bezweifelt. Damit kann erreicht werden, den ebenfalls Mithörenden oder Mitlesenden eine kritische Perspektive zu vermitteln, indem die Äußerungen nicht unwidersprochen stehen gelassen werden. Schweigen und Ignorieren kann in diesen Situationen sonst als stillschweigende Zustimmung interpretiert werden. Widerspruch kann der Situation zudem eine positive Dynamik geben, denn wenn widersprochen wird, fühlen sich meist auch andere ermutigt, ebenfalls ihre Zweifel und ihre Ablehnung des dahinter stehenden Weltbildes zu äußern. Damit kann ein aktiver Beitrag zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer Verschwörungserzählung geleistet werden.

Verschwörungserzählungen beinhalten das Versprechen, die Unübersichtlichkeit der Welt für ihre Anhänger*innen zu ordnen. Sie propagieren dafür ein streng dualistisches Weltbild, das die oft widersprüchliche und komplexe gesellschaftliche Realität in ein einfaches Schema  einteilt. Nichts geschieht darin zufällig, alles wird durch das Wirken von gut und böse, Freund und Feind bestimmt. Um dem etwas entgegensetzen zu können, sind keine vertieften Kenntnisse notwendig. Demgegenüber sollte auf problematische Aspekte verwiesen werden, die ein solches Weltbild mit sich bringt.

Manche Institutionen mahnen einen verantwortungsvollen Umgang mit Personen an, die Verschwörungsglauben anhängen. Sie warnen insbesondere vor der Ab- bzw. Ausgrenzung, da dies zu einem Teufelskreis der Radikalisierung führen könne. Als Folge der Abgrenzung könnten sie noch stärker an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und sich in ihrem Verschwörungsglauben weiter radikalisieren. Deshalb sei darauf zu achten, dass der Dialog auf Augenhöhe stattfindet und die Person mit Verschwörungsglauben nicht herablassend behandelt wird.

Beim beim Umgang mit Verschwörungsgläubigen im beruflichen und ehrenamtlichen Kontext darf der Eigenschutz nicht vernachlässigt werden. Legen Sie klar fest, welches Ihre Ziele und Aufgaben sind, welche Grenzen Sie ziehen und was Sie im Fall einer direkten Auseinandersetzung erreichen können.


Weiterführende Informationen

Hinweise zum Umgang in Gesprächssituationen der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Zu jeder Verschwörungserzählung gibt es inzwischen Faktenchecks, die jeweils Entstehung und Inhalte reflektieren und die Behauptungen widerlegen. Es gibt also die Möglichkeit, sich auf die Expertise von Wissenschaftler*innen und Journalist*innen zu stützen und sich je nach Bedarf mit den Informationen zu versorgen.

Um Verschwörungserzählungen zu widersprechen, ist es nicht erforderlich und auch nicht ratsam, in eine ausführliche inhaltliche Diskussion zu gehen. Verschwörungsideologisch “geschulte” Menschen nutzen häufig eine ganze Flut von Informationen, um in der Diskussion die Oberhand zu behalten. Es wird empfohlen, ganz bewusst die inhaltliche Debatte zu meiden und stattdessen eine klare Grenze zu ziehen. “Ich glaube das nicht”, “Ich halte das für unglaubwürdig”, “Ich halte das für eine unseriöse Quelle” reichen dann aus, um klarzustellen, dass zu diesem Zeitpunkt und auf dieser Grundlage keine Debatte gewünscht ist.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit Nachfragen zu arbeiten. Gerade wenn man sich selbst unsicher fühlt, ist es ratsam, in ein 4-Augen-Gespräch zu gehen und das Gegenüber durch das Stellen von Fragen zur Erklärung der behaupteten Sachverhalte zu bringen. Unlogische Stellen und ungeklärte Zusammenhänge können so aufgedeckt und als Widersprüche markiert werden. Mit relativ einfachen Mitteln (“Warum sollten sich so viele Wissenschaftler weltweit miteinander verschworen haben? Was hätten sie davon?”) kann auch ohne eigenes Vorwissen wirkungsvoll gehandelt werden, insbesondere wenn dem Gegenüber selbst Lücken oder Widersprüche in der Erzählung auffallen. In vertraulicher Atmosphäre sind auch leichter Fragen möglich, die sich um das Befinden der Verschwörungsgläubigen Person drehen. Ein Ansatzpunkt kann z.B. sein, ob die Beschäftigung mit diesen, meist bedrohlich-beängstigend aufgemachten Themen der Person guttue. Die Adressierung des Befindens kann Anstöße zum Nachdenken und Reflektieren geben.

Die Auseinandersetzung mit Verschwörungsgläubigen im privaten Umfeld erfordert Zeit und Geduld. Ein zentraler Faktor ist, wie weit die Person im Glauben an die Verschwörungserzählung schon fortgeschritten ist. Je früher die Intervention erfolgt, desto größer sind die Chancen, mit Argumenten und der Konfrontation mit Fakten noch durchzudringen.

Die Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen veritas und die Amadeu-Antonio-Stiftung bieten Leitfäden und Unterstützung zum Umgang mit Verschwörungserzählungen im privaten Umfeld an.

Aktivist*innen der verschwörungsgläubigen Szene (z.B. “Querdenker”) verfolgen u.a. das Ziel, durch den gezielten Einsatz von Desinformationen Zweifel an der Wirksamkeit von Maßnahmen des Infektionsschutzes, wie z.B. Antigen- oder PCR-Tests, Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und Schutzimpfungen gegen das Coronavirus zu erzeugen. Davon betroffen sind unter anderem Impfzentren und der öffentliche Raum, aber auch Einrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten oder Pflegeheime, die Ziele von Aktionen aus dem verschwörungsideologischen Spektrum werden können. Die Mittel reichen von Flugblatt- oder Aufkleberaktionen im Umfeld, über Kundgebungen vor Ort bis zum massenhaften Versenden von Briefen, Mails oder Anrufen. Das kann zur Verunsicherung bei Einrichtungen, Fachkräften oder Klient*innen und ihren Angehörigen führen. In manchen Fällen werden auch einzelne Personen, z.B. Einrichtungsleitungen, individuell für aus Sicht der Corona-Leugner oder Impfgegner nicht angemessene Maßnahmen verantwortlich gemacht.

Werden entsprechende Aktivitäten bekannt, sollten sie nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Wie die Erfahrungen zeigen, ist im Kontakt mit Aktivist*innen aus sogenannten Querdenker-Gruppen auch mit Beleidigungen und Bedrohungen zu rechnen. Oft werden im Rahmen der Aktivitäten vor Ort Video- und Tonaufnahmen angefertigt und live über Plattformen gestreamt, was zusätzlich negative Konsequenzen für die ungefragt Gefilmten haben kann.

Folgende Checkliste kann als Hilfestellung verwendet werden:

  • Eigene Handlungsstrategie festlegen

Das eigene Vorgehen sollte darauf Abzielen, Klient*innen, Fachkräfte und Angehörigen zu schützen und die Störung des Betriebs der Einrichtung zu minimieren. Maßnahmen des Infektionsschutzes und die Durchsetzung von Regeln wie Hausordnungen sollten konsequent angewandt, Regelverstöße entsprechend geahndet werden.

  • Beteiligte sensibilisieren und Handlungssicherheit geben

Neben der Entwicklung einer klaren Handlungslinie ist die gezielte Information der Fachkräfte, Ehrenamtlichen und Klient*innen bzw. deren Angehörigen über die Situation und wie die Einrichtung damit umzugehen gedenkt, wichtig.

  • Beratung suchen

In jedem Fall sollten zur Vor- bzw. Nachbereitung Beratungseinrichtungen zum Umgang mit Verschwörungserzählungen oder Rechtsextremismus herangezogen werden. Hier gibt es eine Auflistung der Beratungsstellen.

In sozialen Organisationen finden sich eine Vielzahl an unterschiedlichen Weltanschauungen und Meinungen zu aktuellen, gesellschaftspolitischen Themen. Die Erfahrungen mit Verschwörungserzählungen im Kontext der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass es einer stimmkräftigen Minderheit gelingen kann, Verunsicherung zu schüren und Konflikte zu erzeugen. Um der negativen Beeinträchtigung des Klimas am Arbeitsplatz entgegenzuwirken, ist eine klare Positionierung durch die deutliche Zurückweisung von Falschinformationen und menschenfeindlichen Bezügen in Äußerungen elementar. Regelverstöße, die auf dem Anhängen von Verschwörungserzählungen beruhen, müssen konsequent geahndet werden. Das verschafft Kolleg*innen, Ehrenamtlichen und Nutzer*innen von sozialen Einrichtungen Handlungssicherheit und stärkt sie in auftretenden Konflikten. Der Paritätische Hessen hat im Dezember 2021 ein Papier mit Empfehlungen zum Umgang mit Verschwörungserzählungen in der Sozialen Arbeit veröffentlicht.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Freiheit des politischen oder weltanschaulichen Bekenntnisses grundrechtlich geschützt sind, sofern sie sich nicht auf Organisationen beziehen, die rechtskräftig verboten sind oder sich in einer Form äußern die strafrechtlich relevant sind. Ausschlaggebend für Maßnahmen, die aus arbeitsrechtlicher Perspektive getroffen werden können, sind jedoch konkrete Verhaltensweisen im Arbeitsalltag von Einrichtungen. Solche Mittel werden möglich, wenn zum Beispiel angekündigt wird, Maßnahmen zum Infektionsschutz nicht einzuhalten oder in anderer Weise das Betriebsklima zu beeinträchtigen.

Weitere Hinweise in der Handreichung “Wahrnehmen - Deuten - Handeln” des Paritätischen Gesamtverbands (S.29 folgende)

Beim Umgang mit Verschwörungsgläubigen im beruflichen und ehrenamtlichen Kontext darf der Eigenschutz nicht vernachlässigt werden. Legen Sie klar fest, welches Ihre Ziele und Aufgaben sind, welche Grenzen Sie ziehen und was Sie im Fall einer direkten Auseinandersetzung erreichen können.

In persönlichen Krisensituationen, wenn Menschen das Gefühl eines Kontrollverlustes haben, z.B. nach Verlust des Arbeitsplatzes oder dem Ende einer Liebesbeziehung, kann die Hinwendung zu Verschwörungsideologien an psychologische Grundbedürfnisse anknüpfen. Verschwörungserzählungen bieten scheinbar Orientierung und Gruppenzugehörigkeit und können zumindest anfänglich das Selbstwertgefühl stärken. Das falsche Versprechen einer schnellen Stabilisierung kann die Bereitschaft steigern, auch nach objektiven Maßstäben absurden Geschichten glauben zu schenken. 

Das kann auf Verhaltensebene entsprechend schädliche Folgen haben, wenn die Bereitschaft, fachkundige Ratschläge zur Bewältigung der persönlichen Situation anzunehmen, beeinträchtigt wird. Als Beispiel kann der Inhaber eines Transportunternehmens genannt werden, der sich angesichts einer finanziellen Notlage der sogenannten Reichsbürgerbewegung anschloss. Durch die Gruppenzugehörigkeit ermutigt, bestritt er  Legitimität der Gesetze des deutschen Staates. Seine Weigerung, weiter Steuern und Abgaben abzuführen, machte sein Unternehmen scheinbar wieder konkurrenzfähig.

Für Beratungsgespräche gilt, wie in anderen Gesprächssituationen auch, dass die Infragestellung der oben skizzierten Motivationslage wenig hilfreich ist und die Gefahr birgt, dass Gespräche schnell eskalieren können, wenn Menschen sich in ihren Grundüberzeugungen angegriffen fühlen. Berater*innen sollten daher nicht auf verschwörungsideologische Aussagen und Motivlagen eingehen und gleichzeitig auf der Verhaltensebene klar signalisieren, dass es sinnvoller ist, nach Lösungen für konkrete Problemstellungen zu suchen, statt Schuldige für die eigenen Lage ausfindig zu machen. 

Ein festgefahrenes Beratungsgespräch kann unter Umständen durch die Nutzung von offenen Fragen fortgesetzt werden, z.B. mit der Frage, welche Wege die Gesprächsperson sieht, wie die Kommunikation respektvoll und auf Augenhöhe geführt werden kann.

Beim Umgang mit Verschwörungsgläubigen im beruflichen und ehrenamtlichen Kontext darf der Eigenschutz nicht vernachlässigt werden. Legen Sie klar fest, welches Ihre Ziele und Aufgaben sind, welche Grenzen Sie ziehen und was Sie im Fall einer direkten Auseinandersetzung erreichen können.

Junge Menschen nutzen technisch versiert und mit großer Selbstverständlichkeit Online-Angebote und haben leicht Zugang zu einem breiten Spektrum von Inhalten im Netz und Messenger-Diensten. Gleichzeitig mangelt es ihnen meist an Wissen und Erfahrung, Informationen einzuordnen. Verschwörungsideologien und -erzählungen mit ihren einfachen Erklärungsmustern für die komplexe gesellschaftliche Realität sind in Form von Websites, Bildern und Videos im Netz weit verbreitet und können ein Einfallstor sein, um auf junge Menschen anziehend zu wirken.

Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt es sich als Kontakt- und Vertrauensperson von jungen Menschen, über Inhalte, Strategien und problematische Menschenbilder von Verschwörungserzählungen informiert zu sein und diese gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen altersgerecht zu thematisieren.

Hinweise zur Gestaltung von präventiver Bildungsarbeit mit Jugendlichen zum Thema Verschwörungserzählungen geben zahlreiche Handreichungen und Arbeitshilfen, die hier abrufbar sind.

Eine gute Übersicht für konkrete Gesprächssituationen gibt die Amadeu-Antonio-Stiftung mit den Tipps für die Reaktion auf verschwörungsideologische Sprüche von Jugendlichen:

 

  • Nehmen Sie ernst, dass Heranwachsende sich für politische Verhältnisse und Ereignisse interessieren, die durch Verschwörungsdenken scheinbar erklärt werden.
  • Zeigen Sie Haltung und markieren Sie eine Grenze, wenn antisemitische oder rassistische Äußerungen fallen. Verweisen Sie auf Ihre gemeinsame Grundhaltung gegen Unrecht und für die Menschenrechte.
  • Nehmen Sie ernst, dass Jugendliche durch die aktuellen Maßnahmen in ihren altersgemäßen Bedürfnissen besonders stark eingeschränkt werden, und zeigen Sie auf, wo auch Sie unter bestimmten Regelungen leiden.
  • Fragen Sie generell bei Verschwörungserzählungen (Chemtrails, IS als Erfindung Israels, …) weiter nach: Was willst du eigentlich wissen? Warum ist dir das so wichtig, wie bist du betroffen? Geht es um Angst, um Ungerechtigkeitsempfinden, um Wut …? 
  • Überlegen Sie gemeinsam: Wie können wir uns (über die Herkunft eines Virus, über den IS, …) breit informieren, nach verschiedenen Antworten suchen und sie beurteilen? Was gibt es vielleicht, was wir mit anderen gegen das Problem tun können

 

Weiterführende Informationen

Amadeu-Antonio-Stiftung: Umgang mit Verschwörungsideologien im Unterricht und in der Schule, 2020

Comenius-Institut, narrt, pti, 2021: Zum Umgang mit Verschwörungserzählungen

Sind Kinder in Konfliktsituationen beteiligt, die sich aus der Verschwörungsgläubigkeit der Eltern ergibt, besteht die Gefahr, dass sie schnell in einen Loyalitätskonflikt geraten. Eltern, die Verschwörungserzählungen anhängen, geben als Vertrauenspersonen ihre Ängste und Überzeugungen an ihre Kinder weiter und können damit massive Verunsicherung bei diesen auslösen. Das kann im Alltag z.B. bedeuten, dass das Kind nicht draußen spielen darf, weil die Eltern Kondensstreifen am Himmel gesehen haben, die sie für giftig halten. Gleichzeitig nehmen Kinder wahr, dass in ihrer Umgebung, wie in der Schule die Klassenkamerad*innen und Lehrer*innen die Dinge anders behandelt werden. Damit stehen sie alltäglich zwischen den beiden Welten, in denen sie sich bewegen. Damit muss dann im individuellen Fall auf fachlicher Ebene umgegangen und bei Bedarf externe Beratung herangezogen werden.

Im Umgang mit verschwörungsideologischen Sekten, wie z.B. im Fall von Qanon-Anhänger*innen, die in Erwartung eines großen Umsturzes besonders radikal auftreten, sollte frühzeitig geprüft werden, ob eine Gefährdung des Kindeswohles vorliegt. Hier ist dringend geraten, sich an einschlägige Beratungsstellen, u.a. die in vielen Bundesländern verfügbaren Sektenberatungen zu wenden.

Hier finden Sie eine Übersicht zu den bundesweit verfügbaren Beratungsstellen.


Weiterführende Informationen:
Larissa Denk, Fabian Kaufmann & Ulrich Peters: Handreichung: Instrumentalisierung von Kindern in der Pandemieleugner*innenszene

Hier eine Übersicht ausgewählter Online-Angebote, die Faktenchecks für gängige Verschwörungserzählungen und Fake News zur Verfügung stellen.

 

Tagesschau Faktenfinder

Unterzieht aktuell gängigen Falschnachrichten einer kritischen Prüfung und stellt dem leicht verständliche, gut recherchierte Fakten gegenüber.

Mimikama

Der gemeinnützige Verein zur Aufklärung von Internetmissbrauch ist im deutschsprachigen Netz aktiv. Er entlarvt Falschmeldungen, macht Desinformationen kenntlich, weist auf Manipulationen hin, die Menschen auf Social Media begleiten bietet Nutzer*innen Hilfestellung.

CORRECTIV.Faktencheck

Der Faktencheck des unabhängigen, investigativen Journalismus-Portals deckt tagesaktuell Falschinformationen, Gerüchte und Halbwahrheiten auf.

AFP Faktencheck

Umfangreiches und tagesaktuelles Faktencheck-Angebot der internationalen Nachrichtenagentur AFP.

Volksverpetzer

Seit 2015 aktives, privat betriebenes Blogprojekt, das sich kritisch und satirisch zugespitzt mit Hass und Hetze, Desinformationen und Verschwörungsmythen auseinandersetzt und diese in den Kontext aktueller gesellschaftlicher Debatten stellt.

Faktenfuchs

Der Faktencheck des Bayerischen Rundfunks BR24.

dpa Faktencheck

Der Faktencheck der deutschen Presse-Agentur (dpa).


Quellen- und Literaturverzeichnis

Amadeu-Antonio-Stiftung (2021): Down the rabbit hole. Verschwörungsideologien: Basiswissen und Handlungsstrategien.

Amadeu-Antonio-Stiftung (2020): Umgang mit Verschwörungsideologien im Unterricht und in der Schule

Amadeu Antonio Stiftung (2015): „No World Order“. Wie antisemitische Verschwörungsideologien die Welt verklären.

Blume, Michael (2020): Verschwörungsmythen. Woher sie kommen, was sie anrichten, wie wir ihnen begegnen können. Ostfildern: Patmos.

Bundeszentrale für politische Bildung, 2020: Verschwörungserzählungen

Butter, Michael (2018): „Nichts ist, wie es scheint“. Über Verschwörungstheorien. Originalausgabe. Berlin: Suhrkamp 

Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS): Die Bundestagswahl 2021.  Welche Rolle Verschwörungsideologien in der Demokratie spielen, 2021

Comparative Analysis of Conspiracy Theories (COMPACT) Education Group (2020): Leitfaden Verschwörungstheorien

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Verschwörungstheorien - Warum sind sie so verbreitet und was kann man dagegen tun?

Lamberty, Pia (2020): Antisemitismus und Verschwörungserzählungen.

MBT Hessen (2021): Verschwörungsideologien - Hype oder Gefahr?

Nocun, Katharina (2021): "Fake Facts" (Vortrag)

Nocun, Katharina/Lamberty, Pia (2020): Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Quadriga Verlag.

Nocun, Katharina/Lamberty, Pia (2021): True Facts. Was gegen Verschwörungserzählungen wirklich hilft. Quadriga Verlag.

Pfahl-Traughber, Armin (2002): „Bausteine“ zu einer Theorie über „Verschwörungstheorien“. Definitionen, Erscheinungsformen, Funktionen und Ursachen. In: Helmut Reinalter (Hrsg.): Verschwörungstheorien. Theorie – Geschichte – Wirkung. Studien-Verlag, Innsbruck/Wien/Bozen.