Zum Hauptinhalt springen
Schwerpunkt

Wohnen

Wohnhäuser von oben
Mika Baumeister/Unsplash
Wohnen ist ein existenzielles Grundbedürfnis eines jeden Menschen. Doch in städtischen und ländlichen Regionen mangelt es zunehmend an bezahlbarem und vor allem würdigem Wohnraum. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Paritätische Gesamtverband für eine soziale Wohnungspolitik ein. Es ist die Aufgabe dieser Politik, allen Menschen einen ihren individuellen Bedürfnissen angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

AKTUELLE ASPEKTE ZUR WOHNRAUMUNTERVERSORGUNG

Die Wohnungsmärkte spiegeln hierzulande eine strukturelle und soziale Schieflage wider. Während Menschen in strukturschwachen Gebieten mit Leerstand, abnehmender Infrastruktur, mangelnder Mobilität, Abwanderung und Schrumpfung der Regionen konfrontiert sind, sind in den Städten die Menschen mittlerer und geringer Einkommen sowie Menschen in besonderen Bedarfslagen vielerorts Mietsteigerung und Verdrängung ausgesetzt.

Bund, Länder und Kommunen müssen ihre Steuerungsmöglichkeiten wahrnehmen, um jedem Menschen bezahlbaren und passenden Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Insbesondere den Kommunen kommt in der Boden- und Baupolitik sowie in der öffentlichen Wohnungsbewirtschaftung eine besondere Verantwortung zu. Dazu gehört auch, dass der Verkauf öffentlicher Wohnungsbestände eine wohnungspolitische Fehlentscheidung war, die mit Verweis auf die Marktorientierung in der Wohnraumversorgung und zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte vollzogen wurde. Vor dem Hintergrund der Verdrängung sollten gesetzliche Regelungen zukünftig sicherstellen, dass Wohnraum der öffentlichen Hand nicht an private Wohnungsunternehmen verkauft wird.

In jüngerer Zeit werden mit der Vergesellschaftung von Grund, Boden und Wohnungsunternehmen sowie der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zwei weitere Themen intensiv diskutiert, welche in Ergänzung zu den beiden bisher erfolgten Positionierungen des Paritätischen Gesamtverbandes (/typo3/Positionspapier zur sozialen Wohnungspolitik sowie Positionierung zur Mietpreisbremse, 2017) durch dieses dritte Positionspapier aufgegriffen werden.

Zum Hintergrund:

Angesichts der teils prekären Lagen auf den Wohnungsmärkten hat die Frage nach der Vergesellschaftung bzw. Sozialisierung von privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen nach Artikel 15 Grundgesetz in der gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Debatte an Bedeutung gewonnen. Artikel 15 Grundgesetz sieht vor, dass Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden können. Anders als Artikel 14 des Grundgesetzes kann nach Artikel 15 das jeweilige Gut unabhängig von individuellen, erwerbswirtschaftlichen Interessen in die Gemeinwirtschaft  überführt und dieses nicht als bloßes erwerbswirtschaftlich tätiges Unternehmen der öffentlichen Hand weitergeführt werden. Damit dient es unmittelbar der Deckung eines gesellschaftlichen Bedarfs oder der Verfolgung sonstiger Gemeinwohlzwecke.

Zur Vergesellschaftung müssen Wohnungsunternehmen nach der h. M. eine „Sozialisierungsreife“ aufweisen, d.h. ihnen muss ökonomische Relevanz zukommen. Dies wird angenommen, wenn sie spürbare Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben, welches bei erwerbswirtschaftlich tätigen Großunternehmen zutrifft.

Für die verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit der Vergesellschaftung bedarf es zudem einer Entschädigung. Das Sozialisierungsgesetz muss dazu Art und Ausmaß der Entschädigung festlegen, wobei eine gerechte Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen ist. Dies bezieht sich auf die Art (finanzielle Entschädigung, Ausstattung mit Rechten etc.) und die Höhe der Entschädigung, wobei nach der Rechtslehre umstritten ist, ob diese an den Verkehrswert gebunden ist.

Forderung:

Um Verdrängung entgegenzuwirken, ist die Vergesellschaftung von Grund, Boden und von solchen Wohnungseigentümern und -unternehmen als gerechtfertigte Möglichkeit offensiver zu nutzen, die mit Wohnraum spekulieren, horrende Mietpreissteigerungen durchsetzen, Wohnraum verwahrlosen lassen oder nicht ausreichend instand setzen. Voraussetzung ist, dass die Entschädigungssumme die öffentlichen Haushalte nicht überfordert und dass mit der Vergesellschaftung tatsächlich positive wohnungspolitische Effekte erzielt werden.

Nicht gemeint sind damit ausdrücklich private und verantwortlich agierende Wohnungsvermieter und -eigentümer.

Zum Hintergrund:

Vielerorts sind Mieter von der Umwandlung ihrer Mietswohnungen in Eigentumswohnungen betroffen. Die angestrebte Umwandlung und der Verkauf der umgewandelten Wohnungen können für die Mieter neben hohen finanziellen Belastungen vor allem soziale Risiken über den möglichen Verlust der Wohnung bedeuten, insbesondere wegen drohender Eigenbedarfskündigung des Vermieters.

Bevor die umgewandelte Wohnung erstmals an einen Dritten verkauft wird, kommt dem Mieter ein gesetzliches Vorkaufsrecht zu (§ 577 BGB)/typo3/. Soweit der Mieter wegen finanzieller Überlastung von dem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch macht, wird die Wohnung an einen Dritten verkauft.

Der Erwerber der umgewandelten Wohnung tritt zwar mit allen Rechten und Pflichten in den bestehenden Mietvertag ein, allerdings erhöht sich in der Praxis das Kündigungsrisiko für den Mieter wegen Eigenbedarfs. Trotz Wohnraumengpässen wird die Eigennutzung zum Teil nur vorgetäuscht, um die Wohnung gewinnbringend weiterzuvermieten oder zu verkaufen. Da umgewandelte Wohnungen „entmietet“ gewinnträchtiger zu veräußern sind, versuchen einige Vermieter und Eigentümer, die eine Umwandlung anstreben, die Mieter noch vor dem Verkauf zu vertreiben oder ihnen zu kündigen.

Zwar kommt Mietern überlassener und verkaufter Wohnungen ein besonderer Kündigungsschutz zu, nach welchem eine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder Hinderung wirtschaftlicher Verwertung drei Jahre nach der Umwandlung ausgeschlossen ist (Kündigungssperrfrist, § 577a I BGB). Die Landesregierungen werden ermächtigt diese Kündigungssperrfrist auf bis zu 10 Jahre zu verlängern (§ 577a II BGB). Allerdings erweist sich der Kündigungsschutz für Mieter als nicht ausreichend. So gilt bspw. die Kündigungssperrfrist nicht bei sog. „sonstigen berechtigten Interessen“ des Vermieters, wie bspw. die Vermietung an Au-pair-Schüler. Aufgrund der Rechtsprechung ist der Begriff des Eigenbedarfs mittlerweile ein stark erweiterter Begriff, wodurch auch bspw. entfernte Verwandte hierzu gezählt werden können.

Eine weitere zentrale Regelungslücke weist das Baugesetzbuch auf, welches trotz einer regional festzustellenden Wohnraumunterversorgung die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen auf einfachem Wege zulässt. Zwar ermöglicht es Landesregierungen mittels Rechtsverordnung die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Milieuschutzgebieten unter Genehmigungsvorbehalt der Kommune zu stellen. Allerdings führt eine Ausnahmeregelung (§ 172 IV Satz 3 Nr. 6) zur Aushöhlung dieses Schutzes, indem Mietwohnungen unmittelbar umzuwandeln sind, wenn sie der Eigentümer den Mietern ab Begründung des Wohneigentums innerhalb von sieben Jahren zum Vorkauf anbietet. Ob es sich dabei aber um einen für sie bspw. realistischen Kaufpreis handelt, ist dahingestellt. Es entfällt sogar das dreijährige Eigenbedarfskündigungsverbot des § 577a Abs. 1 BGB bzw. verkürzen sich die verlängerten Kündigungsschutzfristen nach § 577a Abs. 2 Satz 1 BGB um fünf Jahre (§ 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB).

Forderung:

Um angesichts der Schwierigkeiten in der sozialen Wohnraumversorgung den Wohnraum der Betroffenen zu sichern und Verdrängungsprozessen entgegenzuwirken, ist der Mieterschutz bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen auszuweiten und die Möglichkeiten der Umwandlung, insbesondere bei Eigenbedarfskündigungen, einzugrenzen. Dazu ist der Begriff des Eigenbedarfs gesetzlich klarzustellen und enger zu definieren. Damit soll verhindert werden, dass unter Eigenbedarf entfernte Verwandte oder andere entlegene Zwecke fallen und dass die Eigenbedarfskündigung mit dem Ziel der teuren Weitervermietung bzw. des -verkaufs missbraucht wird. Die Begrifflichkeit ist auf wesentliche Aspekte wie die Vermietung an engste Familienangehörige zu beschränken.

Zur Stärkung des Mieterschutzes ist die Kündigungssperrfrist nach § 577 a BGB auf alle ordentlichen Kündigungen des (vertragstreuen) Mieters auszuweiten.

Es sind förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen und zu stärken, welche die Mietenden bei der Ausübung ihres gesetzlichen Vorkaufsrechts unterstützen (bspw. durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW).

Es ist den Landesregierung zu ermöglichen eine Umwandlungsverordnung für alle Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu erlassen, nicht nur für Milieuschutzgebiete. Die Ausnahmeregelung in § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB ist abzuschaffen, die trotz kommunalen Genehmigungsvorbehaltes die unmittelbare Umwandlung einer Miets- in die Eigentumswohnung vorsieht. Dabei sind die Kündigungsschutzfristen aufgrund von bspw. Eigenbedarf für die Mietenden auszubauen.