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Projekt

Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung

Verschiedene Spielzeuge wie Holzbuchstaben und Knete stehen auf dem Tisch einer Kita zur Auswahl
Gautam Arora/Unsplash
Die meisten Kinder in Deutschland besuchen vor dem Schuleintritt eine Kita oder eine Tagespflegestelle. Sie erleben zum ersten Mal eine Gemeinschaft mit Menschen außerhalb ihres vertrauten familiären Umfelds und die Möglichkeit, im Miteinander weitere wichtige Erfahrungen zu sammeln. Im Kita-Alltag erleben sie Vielfalt und erfahren Demokratie. Hier setzt die Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung an. Interessierte und Fachkräfte der Kindertagesbetreuung finden auf diesen Seiten Videos, Dokumentationen, praktische Arbeitshilfen u.v.m. zu den Themen Partizipation, Kinderrechte, Vielfalt, Beschwerdemöglichkeiten für Kinder, Demokratiebildung in der Kita etc.

Kinderrechte/ Partizipationsrechte

Kinder haben Rechte

Was vor vielen Jahren oftmals noch Widerspruch ausgelöst hat, ist heute überwiegend unstrittig: Kinder haben Rechte. Sie sind - ebenso wie Erwachsene - Grundrechtsträger. Sie haben ein Recht darauf, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten, sich eine Meinung zu bilden und diese frei zu äußern sowie vor Diskriminierung geschützt zu werden. Kinderrechte konkretisieren sich vor allem in der Rechtstellung von Kindern, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Dies hat schon 1968 in einem Urteil klargestellt, dass auch Kinder Träger subjektiver Rechte sind.

Im Text des Grundgesetzes werden Kinder allerdings nicht explizit als Rechtssubjekte genannt, sondern tauchen nur im Zusammenhang mit dem Elternrecht auf. So heißt es im Grundgesetz Art. 6:

"Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."

Seit vielen Jahren wird kritisiert, dass Kinder im Text des Grundgesetzes nicht explizit und nur als Objekte der Pflege und Erziehung ihrer Eltern auftauchen und nicht als Rechtssubjekte. Auch bleibe die besondere Bedeutung der Grundrechte für Kinder und ihre Spezifika unklar. Viele Kinder- und Familienverbände fordern daher seit Jahren die Stärkung der Kinderrechte im Grundgesetz. Dabei beziehen sie sich vor allem auf die Rechte von Kindern, wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention formuliert sind. Diese allerdings - so die überwiegende Kritik der Nicht-Regierungsorganisationen - werden selbst in einem so weit entwickelten und wohlhabenden Land wie Deutschland unzureichend umgesetzt. Auch daher müssen die Kinderrechte gestärkt werden, indem man die wesentlichen Grundelemente und die zentralen Staatenverpflichtungen in den Grundgesetztext formuliert. Dem wird entgegnet, dass die Rechtstellung von Kindern völlig unstrittig sei und eine derartige Gesetzesinitiative reine Symbolpolitik. Schlimmer noch, könne so in das sensible Verhältnis zwischen Eltern, Kind und staatlicher Gemeinschaft eingegriffen werden.

Mit dem 1989 verabschiedeten "Übereinkommen über die Rechte des Kindes", kurz der UN-KRK, verpflichten sich die unterzeichnenden Vertragsstaaten zur Einhaltung der in der Konvention formulierten Kinderrechte. (Bis auf die USA haben weltweit alle Länder das Abkommen ratifiziert.) Die Kinderrechtskonvention gilt für Kinder und Jugendliche im Alter von 0-18 Jahren. Deutschland trat dem Abkommen 1992 bei. Seitdem ist Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, Kinderrechte wo nötig in deutsches Recht zu überführen und die Kinderrechte umzusetzen. Die UN-KRK stellt als Weiterentwicklung der "Erklärung der Rechte des Kindes" der Vereinten Nationen von 1959 Kinderrechte erstmalig auf eine völkerrechtlich verbindliche Grundlage. Festgeschrieben sind die Rechte auf Schutz, Bildung, Familie, Gleichberechtigung, Nichtdiskriminierung oder das Recht auf Beteiligung.

Bild © National Coalition Deutschland – Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention

Neben der UN- Kinderrechtskonvention benennt auch die "Charta der Grundrechte der Europäischen Union" (als Bestandteil des Vertrags von Lissabon) verbindliche Kinderrechte. So regelt Art. 24

"(1) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt."

(2) Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein"

Für die Kinderrechte ist eine Vielzahl an Gesetzen in Deutschland von Bedeutung, schließlich wird das Wohlergehen von Kindern von vielen Rechtsbereichen tangiert. Allen voran finden die Kinderrechte aber im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) ihre Konkretisierung. Für die Partizipation von Kindern, die Demokratiebildung oder die kinderrechtsorientierte Pädagogik wird hier beispielhaft auf folgende gesetzliche Regelungen hingewiesen:

Gesetzlicher Rahmen im SGB VIII

Schon im sog. Präambel-Paragrafen wird an erster Stelle formuliert:

§ 1 (1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

Im selbigen Sozialgesetzbuch werden im § 8 grundlegende Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte beschrieben. Im § 45 Abs. 2 Nr. 3 ist die Erlangung einer Betriebserlaubnis konkret daran geknüpft, dass ein Konzept zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen vorliegt. Da Schutz und Beteiligung in einem engen Bezug zueinanderstehen, sollte ergänzend zu den hier aufgeführten gesetzlichen Grundlagen noch genannt werden:

• § 8a Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

• § 8b Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen

• § 79a Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe
 

§ 8 Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

(1) Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen. Sie sind in geeigneter Weise auf ihre Rechte im Verwaltungsverfahren sowie im Verfahren vor dem Familiengericht und dem Verwaltungsgericht hinzuweisen.

(2) Kinder und Jugendliche haben das Recht, sich in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an das Jugendamt zu wenden.

(3) Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf Beratung ohne Kenntnis des Personensorgeberechtigten, wenn die Beratung auf Grund einer Not- und Konfliktlage erforderlich ist und solange durch die Mitteilung an den Personensorgeberechtigten der Beratungszweck vereitelt würde.

Nach § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII ist Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe [...].

(2) Die Erlaubnis zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen wenn

[...]

4. zur Sicherung der Rechte und des Wohls von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung eines Konzepts zum Schutz vor Gewalt, geeignete Verfahren der Selbstvertretung und Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung gewährleistet werden.

§ 79a Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe

Um die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe nach § 2 zu erfüllen, haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe Grundsätze und Maßstäbe für die Bewertung der Qualität sowie geeignete Maßnahmen zu ihrer Gewährleistung für ... weiterzuentwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen. Dazu zählen auch Qualitätsmerkmale für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und ihren Schutz vor Gewalt. ...

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