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Projekt

Partizipation und Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung

Verschiedene Spielzeuge wie Holzbuchstaben und Knete stehen auf dem Tisch einer Kita zur Auswahl
Gautam Arora/Unsplash
Die meisten Kinder in Deutschland besuchen vor dem Schuleintritt eine Kita oder eine Tagespflegestelle. Sie erleben zum ersten Mal eine Gemeinschaft mit Menschen außerhalb ihres vertrauten familiären Umfelds und die Möglichkeit, im Miteinander weitere wichtige Erfahrungen zu sammeln. Im Kita-Alltag erleben sie Vielfalt und erfahren Demokratie. Hier setzt die Demokratiebildung in der Kindertagesbetreuung an. Interessierte und Fachkräfte der Kindertagesbetreuung finden auf diesen Seiten Videos, Dokumentationen, praktische Arbeitshilfen u.v.m. zu den Themen Partizipation, Kinderrechte, Vielfalt, Beschwerdemöglichkeiten für Kinder, Demokratiebildung in der Kita etc.

Verständnis von Partizipation und Demokratiebildung

Sowohl in der Kita als Teil der Kinder- und Jugendhilfe als auch in der (Grund)Schule wird Partizipation vor allem aus bildungstheoretischer Sicht begründet. In diesem Sinne spielt auch Demokratiebildung eine große Rolle. Gemeinsam erscheint in beiden Handlungsfeldern (u.a. mit dem Bezug auf Dewey) die Annahme, dass eine aktive Teilnahme von Kindern an der ,kleinen Gesellschaft' Grundschule oder Kita demokratisches Wissen und Können braucht. Dazu gehört z.B. die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu veröffentlichen, aber auch individuelle Bedürfnisse in der Auseinandersetzung mit anderen zu gemeinsamen Interessen zusammenzufassen und zu verhandeln, Konflikte auszutragen und Kompromisse zu schließen sowie eine solidarische Grundhaltung als Basis für Teilen und Teilhabe zu entwickeln. Menschen werden nicht als Demokrat*innen geboren, sie müssen sich Demokratie als Herrschafts- und als Lebensform erst zu eigen machen sowie die Ergebnisse einer solchen Aneignung auch immer wieder aktualisieren. Demokratische Partizipation ist also eine individuelle und kollektive Lernaufgabe, die pädagogische Institutionen wie Schule und Kita besonders herausfordert, indem sie verlässliche und überschaubare Gelegenheiten zur Verfügung stellen müssten, entlang derer Kinder Erfahrungen mit demokratischer Partizipation machen können. Dazu muss vorausgesetzt werden, was sich eigentlich erst als Ergebnis der Aneignung zeigt: Kinder werden zu Demokrat*innen, indem sie aktiv Demokratie erfahren. Partizipation erfordert also eine grundlegende Ergebnisoffenheit sowie sichere Orte und Gelegenheiten für Selbst- und Mitbestimmung.

Wie und wo diese Aneignungsorte konkret zu gestalten sind, darüber gibt es in den demokratiepädagogischen Debatten in Grundschule und Kita durchaus Unterschiede, die (auch) auf die verschiedenen Bedingungen und die Tradition von Kita und Schule zurückzuführen sind. Während das formale Bildungssetting Schule Bildung auch immer im Sinne von Qualifikation und Integration für und in Gesellschaft und Arbeitsmarkt betreibt, stellt die nicht-formale Bildungsinstitution Kita als Teil der Kinder- und Jugendhilfe die individuelle Persönlichkeitsentwicklung der Kinder in den Mittelpunkt: Schulen verfolgen ein "Curriculum", während Kitas sich an "Bildungsplänen" orientieren, die in der Regel mehr Spielraum zur flexibleren Umsetzung und Gestaltung von Lernorten bieten. Die unterschiedlichen Bildungsverständnisse werden auch in den Ansätzen von demokratischer Partizipation in (Grund)Schule und Kita sichtbar. So steht in der Schule die Idee, Demokratie zu lernen, mit dem Ziel, Verantwortung für den zukünftigen Bürger*innenstatus übernehmen zu können, im Mittelpunkt zahlreicher demokratiepädagogischer (Praxis)Konzepte. Für die Grundschule wird vor allem das Instrument des Klassenrats favorisiert, das anstrebt, Konflikte unter den Schüler*innen gemeinschaftlich zu thematisieren und zu lösen.
In der Partizipationsdiskussion um die Kita werden demgegenüber vor allem kinderrechtsorientierte Ansätze diskutiert, die zum einen eine grundsätzliche Klärung der Selbst- und Mitentscheidungsrechte der Kinder im Hier und Jetzt des konkreten Alltags der Einrichtungen anstreben oder auch dialogische Konzepte, die Diversität, Menschenwürde und Menschenrechte in der alltäglichen Interaktion mit den Kindern zum Thema machen.

Autorin:

Prof. Dr. phil. Kathrin Aghamiri