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Bundesgesetzliche Regelung zur Einführung von Bezahlkarten verabschiedet

Im Bundestag wurden am 12.04.2024 Änderungen am Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) beschlossen, die den Einsatz von Bezahlkarten bundesgesetzlich regeln. Für den Paritätischen drohen hiermit Gängelung, Kontrolle und Diskriminierung von Geflüchteten im AsylbLG-Bezug. Der Beitrag stellt sowohl das Konzept der Bezahlkarte wie auch die beschlossenen Regelungen näher dar.

Mit dem heutigen Beschluss des Bundestags werden Bezahlkarten im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) als Form der Leistungserbringung aufgenommen. Aus Sicht des Paritätischen Gesamtverbands schafft die Bundesregierung somit den Rahmen für ein Instrument zur Gängelung, Kontrolle und Diskriminierung Geflüchteter im Asylbewerberleistungsbezug. Durch Begrenzungen des verfügbaren Bargeldbetrags oder Einschränkungen bei Überweisungen drohen ein Ausschluss von kostengünstigen Einkaufsmöglichkeiten und Teilhabemöglichkeiten, insbesondere für Kinder. Vertiefte Armut und Integrationshindernisse wären die Folgen. Auch droht ein enormer Verwaltungsaufwand durch die Feststellung von Bedarfsdeckungen oder die Bearbeitung von Widersprüchen und Klagen. Im Folgenden werden die Bezahlkarte und die beschlossenen Regelungen näher erläutert.

Bezahlkarten

Als Bezahlkarte wird eine im elektronischen Zahlungsverkehr nutzbare guthabenbasierte Karte mit Debitfunktion und ohne Kontobindung definiert. Es handelt sich dabei nicht um eine Girokarte, sondern eine Kreditkartenvariante. Die Bezahlkarte wird im Gesetz nicht mit Bargeld gleichgesetzt. Daher stellen Leistungen auf der Bezahlkarte, die nicht in bar verfügbar oder überweisbar sind, keine Geldleistungen dar. Auf der Karte vorhandene Beträge, die in bar abgehoben werden können, sind hingegen als Geldleistungen definiert. Kann eine Person mit ihrer Bezahlkarte beispielsweise 100 Euro im Monat in bar abheben, sind diese 100 Euro als Geldleistung definiert. Gleiches gilt auch für Beträge, die von der Bezahlkarte auf andere Konten überwiesen werden können.

Ein zentraler Aspekt von Bezahlkarten sind die Einschränkungen, die sie ermöglichen. So kann ein Maximalbetrag definiert werden, den die Inhaber*innen von Bezahlkarten am Geldautomaten abheben können. Auch ist es möglich Überweisungen ins Ausland und innerhalb Deutschlands zu unterbinden. Die Möglichkeit zum bargeldlosen Bezahlen kann auf bestimmte Postleitzahlgebiete beschränkt und auch festgelegt werden, dass bei bestimmten Händlern nicht eingekauft oder bestimmte Warengruppen nicht erworben werden können. Die Karten können zudem einfach gesperrt und Leistungen von den Behörden wieder rücküberwiesen werden. Auch gibt es datenschutzrechtliche Bedenken, wenn Behörden bspw. Überweisungen prüfen und freischalten.

In der nun beschlossenen Regelung werden Bezahlkarten vor allem in den §§ 2 und 3 AsylbLG als zusätzliches Mittel zur Gewährung von Leistungen definiert. Ob eine Bezahlkarte auch tatsächlich jeweils vor Ort eingeführt wird überlässt der Gesetzgeber jedoch den Leistungsbehörden. Gleiches gilt für die Ausgestaltung, wie bspw. den verfügbaren Bargeldbetrag. Die einzige durch den Gesetzgeber vorgegebene Beschränkung wurde auf Druck von Bündnis90/Die Grünen aufgenommen und besagt, dass für bestimmte Personengruppen Geldleistungen erbracht werden müssen, wenn bestimmte Bedarfe durch eine Bezahlkarte nicht gedeckt werden können (s.u.). Im Folgenden werden die Regelungen für die verschiedenen Gruppen von Leistungsbezieher*innen dargestellt.

Änderungen für Bezieher*innen von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG

Insbesondere Bezieher*innen von sogenannten Analogleistungen nach § 2 AsylbLG sind von der nun beschlossenen Regelung betroffen.

Für Bezieher*innen von Analogleistungen außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften galt bisher der Geldleistungsvorrang gem. § 10 Abs. 3 SGB XII. In der Regel wurden die Leistungen auf ein Konto der Leistungsbezieher*in überwiesen. Nun steht es im Ermessen der Leistungsbehörde, die Leistungen auch per Bezahlkarte zu gewähren. Je nach Ausgestaltung der Karte könnte dies für die Betroffenen eine erhebliche Verschlechterung bedeuten. Dabei wird den Behörden auch ein Ermessen hinsichtlich des verfügbaren Bargeldbetrags gewährt. Gemäß der nun beschlossenen Regelung, haben die Behörde jedoch nicht vollständig freie Hand. Wenn einzelne Bedarfe des in § 27a Abs. 2 S. 1 SGB XII genannten Regelbedarfs nicht gedeckt werden können – bspw. weil bestimmte Waren oder Dienstleistungen durch eine Bezahlkarte nicht erworben oder in Anspruch genommen werden können – müssen ersatzweise Geldleistungen erbracht werden. Dies kann beispielsweise durch eine Erhöhung des abhebbaren Betrags geschehen. Sollten Bezahlkarten mit Einschränkungen beim verfügbaren Barbetrag oder Überweisungen eingeführt werden, droht den Behörden daher ein enormer Verwaltungsaufwand für die Ermittlung und Prüfung der Bedarfsdeckung sowie durch Widersprüche und Klagen, die zudem auch die Sozialgerichte belasten können.

Für Personen im Analogleistungsbezug, die in Gemeinschaftsunterkünften wohnen, verändert sich rechtlich nichts, denn hier stand es den Behörden nach den örtlichen Umständen bisher schon frei, die Form der Leistungserbringung zu wählen. In der Praxis bedeutete dies jedoch oftmals die im Vergleich zu Sachleistungen unbürokratischeren Geldleistungen. Mit der Einführung von Bezahlkarten droht für diese Personen nun ebenfalls eine Verschlechterung, je nach Ausgestaltung vor Ort.

Änderungen für Bezieher*innen von Leistungen nach § 3 Abs. 3 AsylbLG

In § 3 Abs. 3 AsylbLG werden die Grundleistungen des AsylbLG für Personen außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen geregelt. Für diese Personen wird die Möglichkeit einer Bezahlkarte sowohl für den notwendigen wie den notwendigen persönlichen Bedarf eingeführt. Darüber hinaus wird jedoch zugleich der Geldleistungsvorrang beim notwendigen Bedarf aufgehoben und u.a. Sachleistungen und Wertgutscheine den Leistungsformen Geldleistung und Bezahlkarte gleichgestellt. Eine Begründung für die Aufhebung wird nicht genannt. In der Regel wurde dieser Personengruppe die Leistungen als Geldleistung gewährt, womit diesen Personen nun eine erhebliche Schlechterstellung droht.

Auch für diesen Personenkreis wurde eine Regelung für den Fall eingeführt, dass durch die Bezahlkarte Bedarfe nicht gedeckt werden können. Dies gilt allerdings nur für den notwendigen persönlichen Bedarf und Haushaltsenergie, nicht für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Kosten für Unterkunft und Heizung können jedoch als Direktzahlungen an den Vermieter gezahlt werden, allerdings bedarf es hierbei eines Antrags der betroffenen Person gem. § 35a Abs. 3 SGB XII oder Sonderfällen wie Mietrückständen, Krankheit oder Sucht. Auch hier droht den Behörden bei einer restriktiven Ausgestaltung der Karte somit ein großer Verwaltungsaufwand bei der Prüfung der Bedarfsdeckung wie auch der Freischaltung von Überweisungsmöglichkeiten.

Für Personen in Gemeinschaftsunterkünften soll im Grundleistungsbezug der notwendige persönliche Bedarf weiterhin soweit wie möglich als Sachleistung gewährt werden.

Änderungen für Bezieher*innen von Leistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG

In § 3 Abs. 2 AsylbLG werden die sogenannten Grundleistungen für Personen in Aufnahmeeinrichtungen geregelt. Hier gilt nach wie vor das Sachleistungsprinzip für den notwendigen Bedarf. In der nun beschlossenen neuen Fassung des AsylbLG wird die Bezahlkarte als weitere Form der Leistungserbringung für den notwendigen Bedarf an Kleidung sowie den notwendigen persönlichen Bedarf aufgeführt, wenn Sachleistungen nicht gewährt werden können bzw. deren Erbringung mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand einhergeht. Wie bei allen bisher behandelten Gruppen können hier praktisch Verschlechterungen eintreten, wenn zuvor in Abweichung vom Sachleistungsvorrang erbrachte Geldleistungen durch Bezahlkarten ersetzt werden.

Weitere Änderungen

In § 3 Abs. 5 S. 1 AsylbLG wird nun geregelt, dass im Falle der Leistungserbringung in Form einer Bezahlkarte jedes volljährige Haushaltsmitglied über den ihr zustehenden Leistungsumfang selbständig und unabhängig verfügen können muss. Laut Gesetzesbegründung sollte daher in der Regel jedes volljährige Haushaltsmitglied über eine eigene Bezahlkarte verfügen. In § 11 AsylbLG wird zudem geregelt, dass die Reisebeihilfen auch in Form von Bezahlkarten gewährt werden können.