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Dürfen soziale Dienstleistungen ausgeschrieben werden?

Fachinfo
Erstellt von Joachim Rock

Neue Publikation zum Thema Vergaberecht gibt wichtige Hinweise für freie Träger

Vergaberecht ist nicht so trocken, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Und wichtig ist es auch. Ausschreibungen allerorten: Ob in der Sozialhilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der Arbeitsförderung oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nicht das „wirtschaftlichste“ Angebot erhält häufig den Zuschlag, sondern das billigste. Gute Träger gehen oftmals leer aus. Dürfen soziale Dienstleistungen überhaupt öffentlich ausgeschrieben werden? Dieser Frage geht die Juristin Dr. Ulla Engler in ihrem Buch „Die Leistungserbringung in den Sozialgesetzbüchern II, III, VIII und XII im Spannungsverhältnis zum europäischen und nationalen Vergaberecht.“ nach.

Anhand aktueller Beschlüsse und Entscheidungen der Verwaltungsgerichte und Oberlandesgerichte stellt die Autorin Leistungserbringung in zentralen Bereichen der Sozialwirtschaft dar und arbeitet Widersprüche zwischen Sozial- und Vergaberecht heraus. Dabei steht der Konflikt zwischen den Rechten der Betroffenen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis und den diese Rechte aushebelnden Vergabeverfahren im Mittelpunkt.
Dabei enttarnt die Rechtsanwältin sogleich ein gängiges Argument der Sozialhilfeträger: Das europäische Vergaberecht schreibt keinesfalls vor, dass soziale Dienstleistungen öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Es gibt lediglich Rahmenbedingungen für eine Umsetzung auf nationaler Ebene vor.
Das kenntnisreiche Buch behandelt die bestehenden Praxisprobleme sehr systematisch und beantwortet zunächst die Frage, wann Vergabeverfahren überhaupt rechtlich zulässig sind. Im Anschluss wird anhand der aktuellen Rechtsprechung ausführlich dargestellt, welche Rechte der Leistungsberechtigten und Einrichtungsträger durch Vergabeverfahren verletzt werden können.

Der Band ist hochaktuell. Deutlich wird in der gesamten Argumentation und der Auswahl der Beispiele die große Berufspraxis der Autorin, die als Rechtsanwältin beim Paritätischen Gesamtverband über praktische Erfahrung aus dem Sozialrecht und dem Vergaberecht verfügt und es versteht, Bezüge zwischen „beiden Welten“ darzustellen. Die Thematik wird unter Einbeziehung europarechtlicher Aspekte durchgehend prägnant und anschaulich vermittelt. Der Band eignet sich deshalb in besonderem Maße für alle geschäftsführend oder rechtsberatend in diesem Bereich Tätigen wie auch als grundlegende Überblicksdarstellung für Interessierte. Das Buch ist damit ein sehr empfehlenswerter Beitrag zu einer aktuellen und an Bedeutung zunehmenden Diskussion zum Thema Vergaberecht.

http://www.nomos-shop.de/productview.aspx?isbn=9783832953157.

Ulla Engler, Die Leistungserbringung in den Sozialgesetzbüchern II, III, VIII und XII im Spannungsverhältnis zum europäischen und nationalen Vergaberecht.
Nomos Verlag, 59,00 Euro
ISBN 978-3-8329-5315-7