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Ausgabe 06 | 2022: Jugend partizipiert
Schwerpunkt
Jugendliche während der Medienarbeit für Raum 3 in Kiel.
Interview

Miria vom Antidiskriminierungsprojekt Raum 3 in Kiel

“Raum 3 - Empowerment junger Muslim*innen durch Medienarbeit” ist ein Projekt der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. in Kiel. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt bekommen muslimisch gelesene Jugendliche und junge Erwachsene durch Medienarbeit die Möglichkeit sich selbst zu empowern, besser mit Rassismus, Ausgrenzung und Anfeindungen aufgrund ihrer Religion umzugehen, sich gegenseitig zu unterstützen. Miria ist 23 Jahre alt und Teil des Projektes. Die junge Frau hat afghanische Wurzeln, wurde in Deutschland geboren und wird dennoch von vielen als “Fremde” angesehen. Im Interview erklärt sie, wie Raum 3 ihr dabei hilft.

Du bist aktiv beim Projekt Raum 3 der Türkischen Gemeinde in Kiel. Wie würdest du Raum 3 denjenigen erklären, die davon noch nie etwas gehört haben?

Raum 3 ist ein Empowerment-Projekt für muslimisch gelesene Menschen. Dort lernen wir, wie man mit Rassismus umgehen kann und dass man als betroffene Person nicht alleine ist. Viele rassistische Muster habe ich gar nicht erkannt, als ich jünger war. Aber dadurch, dass mir andere erzählt haben, dass ihnen das gleiche passiert ist oder was überhaupt rassistische Muster sind, weiß man besser, wie man beim nächsten Mal reagieren sollte und dass man Rassismus nicht einfach erdulden muss.

Hast du ein Beispiel für persönliche rassistische Erfahrungen?

Es gibt zunächst einmal diesen sogenannten positiven Rassismus, wenn ich zum Beispiel dafür gelobt werde, wie gut ich Deutsch spreche, obwohl ich hier geboren bin. Bevor ich bei Raum 3 war, habe ich eigentlich gar nicht bemerkt, dass das gar kein Kompliment ist (lacht). Eine andere Erfahrung habe ich vor einigen Jahren in einem Bus machen müssen. Da sind Fahrkartenkontrolleure direkt zu mir gekommen und wollten meine Fahrkarte sehen. Ich habe dann auch meine gültige Fahrkarte vorgezeigt. Aber die Kontrolleure unterstellten mir, dass sei gar nicht meine Fahrkarte und wollten Beweise von mir, dass sie es ist. Einer der Kontrolleure packte mich auch direkt am Arm. Ich wurde dann auf ein Polizeirevier mitgenommen und regelrecht abgeführt. Ich dachte damals noch, dass sowas normal sei. Die Polizisten haben meine Daten aufgenommen und ich habe sehr lange gewartet. Und erst als ich selbst fragte, ob ich denn gehen könnte, erlaubte man es mir. Dass man mir noch nicht einmal gesagt hat, dass ich gehen könne, fand ich schon extrem. Diese Erfahrungen haben mich sehr geprägt.

Wie sieht die konkrete Arbeit im Projekt Raum 3 aus?

Wir haben verschiedene Gruppen. Eine macht einen Podcast, andere machen Rap und behandeln darin auch immer Rassismusthemen im eigenen Medienstudio. Einen Tanzworkshop gibt es auch. Ich führe zum Beispiel gerne Interviews. Wir haben Dennis Schanz, den Drehbuchautoren der Netflix-Serie Skyline, per Zoom befragt. Es gibt auch Workshops, bei denen junge Menschen zusammenkommen können. Wichtig ist, dass wir kreativ mit Rassismuserfahrungen umgehen. Wir reden nicht nur darüber, sondern verarbeiten sie künstlerisch.

Der Fokus liegt sehr auf Medienarbeit. Warum?

Ja, weil Medien einen großen Einfluss auf die Menschen haben. Auch auf diejenigen, die keine Berührungspunkte mit muslimischen Menschen oder anderen Kulturen haben. Viele Gedankenmuster sind festgesetzt und Medien können das weiter verfestigen. Zwar werden immer mal wieder People of Colour und muslimisch gesehene Personen in Filmen gezeigt, aber sie sind immer noch unterrepräsentiert und dann sind sie meist auch noch Bösewichte, was die Klischees verstärkt. Das ist für uns nicht vorteilhaft. Ich habe eine Ausbildung gemacht, meine Fachhochschulreife und zahle Steuern. Trotzdem halten mich viele noch für Inkompetent. Es wird das Schlechte, was es auch gibt, immer noch verallgemeinert.

Wen wollt ihr denn erreichen?

Wir wollen nur die erreichen, die offen sind. Wenn sie vielleicht rassistische Denkmuster haben, aber bereit sind, diese zu ändern und bereit sind, uns zuzuhören, sind diese Menschen in unserer Zielgruppe. Vielleicht können wir denen eine kleine Gehirnwäsche geben (lacht).

Dann komme ich noch einmal auf die Situation mit der Fahrkartenkontrolle zurück, die du beschrieben hast. Wie würdest du in so einer Situation denn heute reagieren, nach allem, was du bei Raum 3 gelernt hast?

Auf jeden Fall würde ich mich weigern, mit auf das Polizeirevier zu gehen. Dann würde ich darauf bestehen, nicht angefasst zu werden, zur Not auch lautstark, damit andere Menschen um mich herum auf mich aufmerksam werden. Ich würde darauf bestehen, einfach nach Hause zu gehen.

Das Interview führte Philipp Meinert

'Raum 3 wird gefördert vom Bundesprogramm Demokratie leben! des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Landesdemokratiezentrum beim Landespräventionsrat des Ministeriums für Inneres, Kommunales, Wohnen und Sport Schleswig-Holstein. Für inhaltliche Aussagen tragen allein die Autor*innen die Verantwortung.

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