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DeZim-Studie „Grenzen der Gleichheit: Rassismus und Armutsgefährdung“ veröffentlicht

Die DeZim-Studie „Grenzen der Gleichheit: Rassismus und Armutsgefährdung“ untersucht die Armutsgefährdung von rassistisch markierten Gruppen in Deutschland.

Eine der bedeutendsten Versprechen der modernen Demokratie und des Wohlfahrtsstaates ist die Abkopplung von Herkunft und Schicksal. Eine ganze Reihe von Institutionen, Praktiken und Gesetzen soll garantieren, dass nicht Umstände wie Geschlecht, religiöse Zugehörigkeit, Familieneinkommen oder Herkunft über den Lebensweg eines jeden Einzelnen entscheiden. Wäre das Leben einer Person von der Geburt bis zum Tod unmittelbar von diesen Faktoren abhängig, wäre dieses nicht frei und gleichberechtigt. In Deutschland entscheiden jedoch diese Faktoren maßgeblich, wie der Lebenslauf eines Menschen sich entwickelt wird.

Der Paritätische Gesamtverband  hat wiederholt in seinen Armutsberichten darauf hingewiesen (in 2017 und 2018 mitunter durch tiefgreifende Analysen), dass Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund ein höheres Armutsrisiko als die restliche Bevölkerung aufweisen. Nun hat der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) am 07.05.2024 den Kurzbericht „Grenzen der Gleichheit: Rassismus und Armutsgefährdung“ veröffentlicht, der die Armutsgefährdung von rassistisch markierten Gruppen in Deutschland untersucht.

In diesem Bericht werden die Zusammenhänge zwischen Rassismus und Armut zum ersten Mal im deutschen Kontext untersucht, da die bisherigen Armuts- und Reichtumsanalysen der Bundesregierung lediglich den Migrationshintergrund berücksichtigen. Zum ersten Mal wird nun die Bedeutung von Rassismus für das Armutsrisiko mitanalysiert. Dies wurde bei drei  rassistisch markierten Gruppen in den Blick genommen: bei asiatischen, muslimischen und Schwarzen Menschen mit den Daten des NaDiRa-Panels. Die Analyse integriert zudem eine geschlechtsspezifische Sicht, um Mehrfachbenachteiligungen zu verdeutlichen.

Hauptergebnisse:

  • Rassistisch markierte Menschen haben ein höheres Armutsrisiko als nicht rassistisch markierte Menschen. Asiatische Männer und Frauen haben trotz Vollzeiterwerbstätigkeit eine Wahrscheinlichkeit von 19 %, von Armut gefährdet zu sein. Muslimische Männer haben eine Armutsgefährdung von 33 % und muslimische Frauen von 21 %. Auch bei asiatischen und Schwarzen Männern ist das Armutsrisiko deutlich höher als bei nicht rassistisch markierten Männern. Asiatische Männer und Frauen haben im Durchschnitt eine Wahrscheinlichkeit von 19 %, potenziell von Armut gefährdet zu sein.
  • Hohe Bildung und eine Erwerbstätigkeit schützen rassistisch markierte Menschen nicht gleichermaßen vor Armutsgefährdung. Im Durchschnitt haben jeweils asiatische Männer und Frauen trotz Vollzeiterwerbstätigkeit eine Wahrscheinlichkeit von 19 %, potenziell von Armut gefährdet zu sein.
  • Der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft reduziert das Armutsrisiko signifikant.  In Deutschland geborene rassistisch markierte Personen haben ein geringeres Armutsrisiko im Vergleich zu im Ausland geborenen Personen derselben Gruppen. Für deutsche Männer mit Migrationshintergrund wird eine Armutsgefährdung mit einer 26-prozentigen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt, wenn sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.

Umso erstaunlicher und absurder ist die Entscheidung der Bundesregierung mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, die Ausnahmen der Lebensunterhaltssicherung faktisch fast komplet abzuschaffen. Das bedeutet, wer den deutschen Pass erhalten möchte, muss für sich und seine Angehörigen den Lebensunterhalt bestreiten können. Ausnahmen gelten nur z.B. für Gastarbeiter*innen oder für DDR-Vertragsarbeitnehmer*innen oder Personen, die ein Kind betreuen und verheiratet/verpartnert mit einer erwerbstätigen Person sind. Der Paritätische, das Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen und andere Akteure aus der Zivilgesellschaft haben sehr scharf kritisiert, dass der Ausschluss der Einbürgerung der Menschen, die unverschuldet ihr Lebensunterhalt nicht selbständig sichern können (z. B. Menschen mit Behinderung und ihre pflegenden Angehörigen), nicht zulässig ist. Mit dem vorliegenden Bericht wird noch ein Grund deutlich, warum es wichtig ist, dass auch arme Menschen einen Zugang zur Staatsangehörigkeit bekommen.

Folgerungen:

Institutionelle und individuelle Formen von Rassismus und Diskriminierung sind mit einem erhöhten Armutsrisiko verbunden. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass eine rassismuskritische Perspektive in die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung integriert werden muss. Es ist wichtig, gezielte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Förderung der Chancengleichheit für benachteiligte Gruppen zu ergreifen. Das bedeutet unter anderem Förderprogramme für die Bekämpfung von Rassismus zu entwickeln und fokussierte Förderung der rassistisch markierten Gruppen mit inkludierter geschlechtsspezifischer Perspektive.

Ebenso sollen gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung von Benachteiligungen von rassistischen markierten Menschen implementiert werden. Zusätzlich weist der Bericht darauf hin, dass eine einfache Unterscheidung nach Einwanderungsgeschichte nicht ausreicht, um die Armutsgefährdung rassistisch markierter Gruppen angemessen zu erfassen. Es bedarf einer differenzierteren Betrachtung, die die spezifischen Erfahrungen und Herausforderungen dieser Gruppen berücksichtigt.

Hier geht es zum Bericht.