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Über Verantwortungseigentum

Braucht es eine neue Rechtsform für Unternehmen, die sich dem Gemeinwohl und sozialen Zwecken verpflichtet sehen? Ja, sagt die „Stiftung Verantwortungseigentum“ und hat dazu einen eigenen Gesetzentwurf veröffentlicht. Befürworter*innen wie Gegner*innen des Vorhabens sind divers aufgestellt. Dr. Joachim Rock ist Leiter der Abteilung Arbeit, Soziales und Europa im Paritätischen Gesamtverband und hat in seinem neuesten Blogbeitrag eine klare Position zu dem Thema.

„Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ In schlichter Schönheit und schöner Schlichtheit haben die wenigen Mütter und vielen Väter des Grundgesetzes in dessen Artikel 14 Abs. 2 die Sozialpflichtigkeit des Eigentums festgelegt. Dennoch reichen die Verpflichtungen, die Eigentum mit sich bringt, heute nicht mehr besonders weit. Der Gesetzgeber etwa verzichtet seit 1997 gleich ganz darauf, Vermögen zu besteuern. Auch sonst gibt es nicht wenige Beispiele, wie Eigentum statt zum Wohle der Allgemeinheit eigensüchtigen Interessen zugeführt wird. Der neue Begriff des Verantwortungseigentums, der schnell in Mode gekommen ist, trifft deshalb offenbar einen Nerv. Beim Verantwortungseigentum handelt es sich jedoch nicht nur um ein abstraktes Ideal, sondern um den Vorschlag für eine mehr oder weniger neue Rechtsform. Konkretisiert wird diese inzwischen auf 67 Seiten, in einem am 12. Juni 2020 vorgelegten ausformulierten „Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“. Wie stets, lohnt auch hier die Frage, ob der rechtsförmige Inhalt des Gesetzentwurfes den hehren Idealen der Verpackung entspricht? Verantwortungseigentum, was ist das und wofür soll es gut sein?

Kurz beschrieben meint Verantwortungseigentum solches Unternehmenseigentum, bei dem etwaige Gewinne dem Zugriff der Gesellschafter des Unternehmens weitgehend entzogen sein sollen. Gewinne sollen im Unternehmen verbleiben und dadurch sein Bestand langfristig gesichert werden. Besonders sozial ausgerichtete Gründer*innen erscheint das Verantwortungseigentum als eine Möglichkeit sichtbar zu machen, dass der soziale Zweck, nicht das Privatinteresse, Motivation des eigenen unternehmerischen Handelns ist. Die Bindung soll nicht nur lebenslänglich sein, sondern ewig währen, solange das Unternehmen existiert. Der Bedarf dafür sei riesig und belaufe sich auf „mindestens 109.158 Unternehmen“(1), wie die Stiftung, um eine konkrete Zahl nicht verlegen, formuliert.

Wer positioniert sich wie? Wer klare Fronten sucht, sucht hier vergeblich.

Hinter den Vorschlägen steht die am 25. November 2019 in Vereinsform gegründete „Stiftung Verantwortungseigentum“. Schon die Gründungsveranstaltung, in deren Rahmen u. a. die CDU-Vorsitzende und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr Kabinettskollege, Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Reden beisteuerten, zeigte, dass es nicht an Unterstützer*innen fehlt. Auch Sarah Wagenknecht hatte zu dem Zeitpunkt längst ihre Sympathien für das Verantwortungseigentum deutlich gemacht, u. a. mit einer Rede auf dem Eigentumskongress 2018 der Purpose Stiftung. Bei einer Veranstaltung in der vergangenen Woche trugen weitere Sympathiebekundungen durch den SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und den Bundesvorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, dazu bei, den Eindruck von einer ganz großen Koalition für Verantwortungseigentum entstehen zu lassen.

Ablehnung und Kritik erfährt der Vorschlag hingegen von so unterschiedlichen Organisationen wie der Mittelstandsvereinigung der CDU und den Wohlfahrtsverbänden, die sich geschlossen dagegen positioniert haben, auch die FDP äußert sich mindestens distanziert. Wer klare Fronten sucht, sucht hier vergeblich. Das liegt vor allem auch daran, dass unterschiedliche, sich häufig auch widersprechende Erwartungen auf die neue Rechtsform projiziert werden. Nicht alle davon werden durch den vorliegenden Entwurf eingelöst.

Worum geht es den Unterstützer*innen des Verantwortungseigentums?

Gründungsmitglieder der „Stiftung“ Verantwortungseigentum waren 32 Unternehmen und Organisationen, von A (wie die Ableton AG) bis Y (your.company UG), darunter viele namhafte, gemeinnützige oder zumindest gemeinwohlorientierte Akteure, u. a. Alnatura, die BMW Foundation Herbert Quandt, Ecosia, die GLS Gemeinschaftsbank, Serlo e. V., Startnext, Weleda. Einige davon befinden sich bereits in Verantwortungseigentum, denn dieses kann man schon mit dem bestehenden rechtlichen Instrumentarium begründen. Nach Angaben der Stiftung befinden sich bereits über 200 Unternehmen in Deutschland in Verantwortungseigentum, mit zusammen etwa 1,2 Millionen Mitarbeitenden und etwa 270 Milliarden Euro Umsatz, darunter die Stiftungsunternehmen Bosch und Zeiss. Wahlweise werden diese Zahlen als Beleg für den Bedarf nach einer neuen Rechtsform wie auch als Ausweis dazu, dass die formulierten Ziele schon jetzt erreicht werden können, interpretiert.

Den Initiator*innen geht es vor allem um zwei grundlegende Anliegen: Die Kontrolle über das Unternehmen soll bei den Menschen bleiben, die dem Unternehmen verbunden sind. Um das zu gewährleisten, soll sichergestellt werden, dass keine Anteile gewinnbringend verkauft werden können. Darüber hinaus sollen Gewinne nicht an die Eigentümer ausgeschüttet werden dürfen, sondern in das Unternehmen reinvestiert werden. Bisher erreichen Unternehmen dies über Stiftungskonstruktionen. Dies sei, so die als Verein gegründete Stiftung Verantwortungseigentum, zu kompliziert, ohne dies jedoch nachvollziehbar zu belegen.(2) Stattdessen soll, anknüpfend an die klassische Unternehmensform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), eine neue GmbH in Verantwortungseigentum ermöglicht werden. Inzwischen liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem die neue Rechtsform begründet und bestehende Gesetze angepasst bzw. geändert werden sollen.

Gesetzentwurf lässt viele Fragen offen

Gut gedacht und auch gut gemacht? Die Tücke liegt auch hier im Detail. Schon ein erster Blick in den Gesetzentwurf zeigt, dass wesentliche positive Assoziationen, die der wohlklingende Titel bei gemeinwohlorientierten Akteuren erzeugt, weder eingelöst werden noch überhaupt beabsichtigt sind. Weder sollen Unternehmen in Verantwortungseigentum auf einen gemeinnützigen oder gemeinwohlorientierten Zweck festgelegt sein noch sind Schranken für die Gewinnerzielung vorgesehen, zudem bleibt der Verkauf von Unternehmensanteilen grundsätzlich möglich. Ein einmal in Verantwortungseigentum gegründeter Streichelzoo kann, wie renommierte Jurist*innen jüngst kritisierten)(3), in dieser Rechtsform jederzeit in einen Schlachthof umgewandelt werden, und einem Wohnungsunternehmen in Verantwortungseigentum stünde die Erhebung überteuerter Mieten frei. Im Gesetzentwurf der Stiftung wird ausdrücklich festgehalten, dass die Unternehmen „in der Regel auf wirtschaftlichen Erfolg und Gewinnerzielung ausgerichtet“ und „eine Verpflichtung auf einen besonders gemeinwohlförderlichen Zweck (…) im Gesetzentwurf nicht vorgesehen“(4) sei.

Die einzelne Beschränkung, die den Unternehmen auferlegt sein soll, ist eine Vermögensbindung („Asset-Lock“): Den Gesellschaftern dürfen keine Gewinne ausgezahlt werden, und bei einer Auflösung des Unternehmens dürfen nur die ursprünglichen Einlagen erstattet werden. Darüber hinaus soll ein Unternehmen in Verantwortungseigentum auch frei verkäuflich bleiben. So stellt die Stiftung fest, dass die Möglichkeit des Verkaufes „als Option einer verantwortungsvollen Eigentümerschaft gerade im Sinne des Entwurfes“(5) sei, solange keine Ausschüttung der Erlöse an die Gesellschafter erfolgt. Da damit sowohl Eigentümer als auch Zweck des Unternehmens beliebig austauschbar sein sollen, bleibt im Ungewissen, wo die besondere Verantwortung des Verantwortungseigentümers begründet sein soll. Die Verantwortung gegenüber Dritten und der Allgemeinheit wird mit Verantwortungseigentum nicht gestärkt, sondern geschwächt: „Die Kontrolle und Verantwortlichkeit gegenüber Dritten (…) wird mit der GmbH in Verantwortungseigentum verringert.“(6) Damit unterscheidet sich der Vorschlag auch von seinen internationalen Vorbildern, etwa den unternehmensverbundenen Stiftungen in Dänemark. Diese unterliegen der Stiftungsaufsicht.(7)

Rechtsform ohne Zweck und mit mangelnder Kontrolle

Missverständlich ist auch die Rede davon, dass hier eine neue Rechtsform geschaffen werden soll. Der Gesetzentwurf spricht stattdessen zutreffender von einer „Rechtsformvariante der GmbH“. Jurist*innen erinnert der Vorschlag eher „an ein Rechtsinstitut, das schon in der Aufklärung vehement bekämpft und in Deutschland spätestens durch die Weimarer Reichsverfassung im gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Interesse an der Mobilität großer Vermögen verboten wurde: Das mittelalterliche  ‚Fideikommiss‘, mit dem der Adel über Jahrhunderte versuchte, sein Familienvermögen vor dem Zugriff nachfolgender Generationen zu bewahren. Die Ideen der Stiftung Verantwortungseigentum weisen daher nicht in das 21. Jahrhundert, sondern in längst vergessene Feudalzeiten.“(8)

Die buchstäbliche Zwecklosigkeit der neuen Rechtsform mag vielen aber noch nicht als Gegenargument reichen, wenn damit an anderer Stelle überzeugende Vorteile zu erwarten wären. Zuerst einmal würden nach dieser Form gestaltete Unternehmen jedoch neue Defizite produzieren: Anders als eine Stiftung, die der staatlichen Rechtsaufsicht unterliegt, sollen die Gesellschafter sich hier selbst kontrollieren. Und anders als Stiftungen, die mit Ausnahme von Familienstiftungen häufig gemeinnützig oder zumindest gemeinwohlorientiert ausgerichtet sind, entfielen derartige Bindungen. Zwar sollen Vergütungen nicht unangemessen hoch sein, aber in Form von Gehältern, vertraglichen Leistungen oder der Vergütung für Kapitalzuführungen bestehen mannigfaltige Möglichkeiten der Gesellschafter, erhebliche Einkommen aus dem Unternehmen zu generieren: „Denkbar sind Beschlüsse der Gesellschafter über eigene Honorare und sonstige Vergütungen, entgeltliche Aufträge an Gesellschafter und andere wirtschaftliche Vorteile sowie eine erhebliche Gewinnbeteiligung, z. B. über partiarische Darlehen“, insgesamt böten sich „vielfältige wirtschaftliche hoch attraktive Gestaltungsmöglichkeiten“(9), kritisiert der ehemalige Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, Hans Fleisch. Dabei kontrollieren sich die Gesellschafter in erster Linie selbst. Die Messlatte für eine „unangemessen hohe“ Vergütung liegt bekanntlich ohnehin sehr hoch, viele würden sagen: unangemessen hoch.

Defizitär ist der Entwurf auch mit Blick auf die betriebliche Mitbestimmung. Lukas Scholle sieht darin „das größte Problem des Verantwortungseigentums: Weder der Gesetzentwurf noch die Initiatoren machen einen gemeinsamen Vorschlag für Vorgaben, die regeln, inwiefern Mitarbeiter bei der Mitentscheidung beteiligt werden (…). Im schlechtesten Fall gibt es einen Alleineigentümer, der seinen Mitarbeiter*innen einen Ausbeutungslohn und schlechte Arbeitsbedingungen aufzwingt, selbst aber ein hohes Geschäftsführergehalt bezieht.“(10)

Konstrukt mit Steuervorteilen

Die Stiftung Verantwortungseigentum betont, dass die neue Rechtsform „kein Steuersparmodell“ sein soll. Tatsächlich enthält der Entwurf auch keine Regelungen, die zusätzliche Steuervorteile begründen, und dennoch würde die Umwandlung eines Unternehmens in Verantwortungseigentum zu erheblichen Steuermindereinnahmen führen. Das liegt daran, dass die sehr niedrige Körperschaftssteuer durch die zusätzliche Besteuerung von Gewinnausschüttungen ergänzt wird. Diese entfiele bei Unternehmen in Verantwortungseigentum. Auch bei der Erbschaftssteuer wären erhebliche Mindereinnahmen zu erwarten, denn der Verantwortungseigentümer kann nur über seine ursprüngliche Einlage verfügen. Diese wird im Verhältnis zum Unternehmenswert vergleichsweise gering ausfallen, die Erbschaftssteuer fällt entsprechend ganz oder teilweise aus.

Schon das gegenwärtige Recht kennt das entsprechende Problem, aber – anders als die aktuellen Vorschläge – auch dessen Lösung. Da etwa Familienstiftungen ebenfalls nicht sterben können, wird ihr Vermögen alle 30 Jahre einer Erbersatzsteuer unterworfen. Sicher ist es nur einem Versehen geschuldet, dass das nicht analog auf das Verantwortungseigentum übertragen werden soll. Heute entgehen bei einer Unternehmensübertragung dem Fiskus nur dann Erbschafts- oder Schenkungssteuer, wenn das Unternehmen in eine gemeinnützige Stiftung überführt wird. Die neue Rechtsform würde dies ebenfalls ermöglichen, nur eben ohne jegliche gemeinnützige Zweckbindung.

Statt neuer Unternehmensform: Gemeinnützigkeit stärken und Bürokratie abbauen

Die Stiftung Verantwortungseigentum hat deshalb auch Recht, wenn sie argumentiert, dass sie das bestehende Gemeinnützigkeitsrecht nicht verändern wolle. Mit dem Verantwortungseigentum soll stattdessen eine Rechtsformvariante eingeführt werden, die mit der Gemeinnützigkeit vergleichbaren Rechten ausgestattet wäre, ohne ähnlichen Verpflichtungen zu unterliegen. Das Label erzeugt einen schönen Schein, der mit den tatsächlichen Inhalten wenig zu tun hat. Der Gesetzgeber tut deshalb gut daran, die Initiative zu den Akten zu legen und sich auf eine Stärkung der Gemeinnützigkeit und die Entbürokratisierung zu konzentrieren, getreu dem Merksatz Montesqieus: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu erlassen.“

(1) Stiftung Verantwortungseigentum 2020: Potenzial/Bedarf hinsichtlich einer neuen Rechtsform für Verantwortungseigentum. O.O., Februar 2020 , S. 1.

(2) Der ehemalige Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, Hans Fleisch, weist dagegen darauf hin, dass die meisten Stiftungen in Deutschland sogar ehrenamtlich gegründet und innerhalb weniger Wochen oder zumindest innerhalb eines halben Jahres anerkannt werden.

(3) Vgl.: Hüttemann, Rainer/Rawert, Peter/Weitemeyer, Birgit 2020: Zauberwort Verantwortungseigentum. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04.09.2020.

(4) Sanders, Anne/Dauner-Lieb, Barbara/Kempny, Simon/Möslein, Florian/Veil, Rüdiger 2020: Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum.O.O., Stand :12.06.2020, S. 24.

(5) Stiftung Verantwortungseigentum 2020: Verantwortungseigentum – eine Stärkung der unternehmerischen Zukunftsfähigkeit, kein Pakt gegen zukünftige Generationen. O.O., September 2020, S. 6.

(6) Fleisch, Hans 2020: Verantwortungseigentum und die Kampagne für eine GmbH in Verantwortungseigentum – der Faktencheck. Berlin, 12.10.2020.

(7) Vgl. Fleisch 2020 (FN 6).

(8) Hüttemann, Rainer/Rawert, Peter/Weitemeyer, Birgit 2020: Zauberwort Verantwortungseigentum. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04.09.2020.

(9) Fleisch 2020 (FN 6).

(10) Scholle, Lukas 2020: Verantwortungseigentum – eine ernstzunehmende Vergesellschaftung? Im Internet: jacobin.de/artikel/verantwortungseigentum-gmbh-gruner-kapitalismus/, Stand: 13.10.2020.

Autor:
Joachim Rock

Dieser Beitrag erschien zuerst als Blogbeitrag auf der Website www.der-paritaetische.de