Teilhabeberatung: Hürden abräumen!
11.11.2020, von , 8 Kommentare

Auch unter dem Dach des Paritätischen Gesamtverbandes sind viele ergänzende unabhängige Teilhabeberatungsstellen (EUTB), so ihr offizieller Name, angesiedelt. Wünschenswert wäre, wenn sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren könnten: Die Beratung.
Leider sind viele EUTB mit teils gravierenden Problemen konfrontiert. In Schleswig-Holstein wird vermutlich fast die Hälfte der Beratungsstellen ihre Arbeit einstellen müssen. Dabei ist der Bedarf groß, die EUTB werden immer häufiger frequentiert.
Vor allem kleine und unabhängige Vereine werden überfordert
Was ist das Problem? Die Berater*innen müssen vielfältige und mitunter komplexe Zusammenhänge erläutern, die Ratsuchenden teilweise zuhause beraten und Netzwerke aufbauen, um an andere zuständige Stellen verweisen zu können. All das braucht Zeit. Und die ist immer wieder knapp, so die Berichte, die uns aus vielen Bundesländern erreichen: Wir hören von intransparenten Bescheiden, die mit teils erheblicher zeitlicher Verzögerung eintreffen. Teilweise ist unklar oder widersprüchlich, was förderfähig ist. Berater*innen können nicht nach Tarif bezahlt werden, es gab Fälle, in denen mit Beginn einer neuen Förderperiode die tariflichen Einstufungen sogar abgesenkt werden sollte. All dies kann nicht im Sinne der Erfinder*innen sein. Es ist klar, dass Fördergelder transparent abgerechnet werden müssen. Ebenso klar ist, dass der Schwerpunkt der Arbeit der EUTB auf der Beratung liegen sollte.
Schwierigkeiten scheint es aber auch an anderen Stellen zu geben: Um eine Beratungsstelle einzurichten und zu betreiben, müssen barrierefreie Räume angemietet werden, jemand muss die Buchhaltung machen, Mitarbeiter*innengespräche führen, Daten- und Brandschutzfragen klären, das Team im Blick behalten, das Beratungsangebot bei potenziell Ratsuchenden bekannt machen und vieles andere mehr. Dies bleibt im wesentlichen ehrenamtliche Vereinsarbeit, gerade für die kleine und unabhängige Vereine wird das zum Problem. Das gilt auch für die Vorgabe, Eigenmittel einzubringen – also Spenden zu werben. Dabei war der Anspruch, dass gerade unabhängige Selbsthilfevereine solche Beratungsstellen einrichten und betreiben sollten.
Die Beratungsstellen sollen weitermachen – dann müssen auch die Bedingungen stimmen
Vor gut einem Jahr hat sich der Deutsche Bundestag entschieden, die Finanzierung der EUTB langfristig zu sichern. „Ich bin froh, dass es gelungen ist, die unabhängige ergänzende Teilhabeberatung für Menschen mit Behinderung, die wir im Bundesteilhabegesetz auf den Weg gebracht haben, jetzt dauerhaft zu entfristen“, erklärte Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales am 7. November 2019 im Bundestag. Die Entfristung allein ist aber nicht ausreichend.
Die Finanzierung der Beratungsstellen muss so ausgestaltet werden, dass der dafür nötige Aufwand auch zu meistern ist – unabhängig davon, wie groß der Verein ist, der die Beratung anbietet. Wenn sich aber herausstellt, dass sie nur von geduldigen Liebhabern der Abrechnungskunst betrieben werden können, die problemlos finanziell selbst etwas dazu schießen können, wird sich die Zahl der Beratungsstellen dezimieren.
Was die Beratungsstellen jetzt brauchen
Was sich die EUTB wünschen: Eine vereinfachte Verwaltung, zeitnahe Abrechnung, klare Verantwortlichkeiten sowie bessere Fortbildungsmöglichkeiten für die Berater*innen und insbesondere bei kleinen Vereinen der Verzicht auf die finanzielle Beteiligung über Eigenmittel. Auch Unterstützung in der Öffentlichkeitsarbeit wird von vielen genannt.
In den ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen wird gute Arbeit geleistet, sie sind viel wert. Ihre Arbeit muss nun auch wirklich langfristig gesichert werden.
Wir, die EUTB im Bildungspark Heilbronn gGmbH, schließen uns den Punkten in den vorherigen Kommentaren ausnahmslos an. Möchten aber nochmal besonders die Finanzierung für ehrenamtliche Berater hervorheben. Für ehrenamtliche Tätigkeiten ist keine Vergütung auf EA-Pauschale möglich, ebenso wenig können Fahrtkosten abgerechnet werden, wenn ehrenamtliche Berater für einen Austausch zusammen kommen. Gerade dieser Austausch macht u.E. aber einen wesentlichen Punkt in der Arbeit aus. Für die Stärkung und Unterstützung der Ehrenamtlichen sehen wir Nachbesserungsbedarf.
In unserem Angebot arbeiten gut ausgebildetet Sozialpädagogen, die auch peers sind zu einem Hungerlohn, weil der Idealismus für eine gute Sache so groß ist - nur wie lange noch, wenn man aufgrund der geringen Bezahlung nicht am Sozialen Leben teilhaben kann....
Wir bekommen für dieses Geld auch keine Mitarbeiter*innen, und sind unterbesetzt.
Wir sind in Karlsruhe Träger der EUTB und haben als Träger des Selbsthilfe-Büros die EUTB als logische Ergänzung des Beratungsangebots gesehen. Unsere Mitarbeiterinnen machen eine wertvolle Arbeit. Der Verwaltungsaufwand den die gesub fordert ist jedoch außergewöhnlich und detailverliebt. Die Formulierung, dass nur "geduldigen Liebhabern der Abrechnungskunst" das Überleben als Träger der EUTB möglich ist, kann ich komplett unterstreichen.
Vielen Dank für den Einsatz für eine angemessene Überprüfungskultur von staatlichen Mitteln für subsidiär erbrachte Leistungen von freien Trägern.
Vielen Dank an Carola Pohlen für diese treffende Problemanzeige. Ich möchte die fehlende tarifliche Anerkennung nur unterstreichen, die bei uns dazu führt, dass wir pro 100 Prozent Stelle rund 15.000,- € Personalkosten selbst tragen müssen. Änderungsanträge sind extrem aufwändig. Zusätzliche Förderungen reduzieren die EUTB-Förderung ... Die Liste der Klagen ist lang. Wir müssen lautstark auf diese Probleme aufmerksam machen. Denn sie gefährden den Erfolg der EUTB-Arbeit.
Der Träger der EUTB im Landkreis Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald können ebenfalls die hier beschriebenen Sorgen und Nöte vollständig bestätigen. Es geht um die Existenz der EUTB!
Wir von der EUTB 360 Grad in Neumünster, können diese Initiative nur begrüßen und unterstützen. Durch die aktuell versendeten Zwischennachweisprüfungen der GSUB wird abermals das komplizierte Verwaltungsverfahren und die häufig negative Auslegung der GSUB deutlich.
Nachdem ich als Mensch mit Behinderung den Vorsitz eines kleinen, unabhängigen und extra für die EUTB gegründeten Vereins in Schlewig-Holstein inne hatte, bin ich sehr erleichtert, dass endlich Bewegung in die Sache kommt, und dass auch endlich die kleinen Vereine großes Gehör finden. Das war ein Ehrenamt mit Vollzeitcharakter und einer undurchschaubaren und ausbrennenden Bürokratie. In Schleswig-Holstein werden 10 Beratungsstellen geschlossen und auch unser kleiner Verein kämpft noch immer um das "Überleben" mit unserer so wichtigen EUTB.
Wir von der EUTB des Berliner Behindertenverbandes können die Schwierigkeiten bestätigen.