Zum Hauptinhalt springen
hier klicken um zum Inhalt zu springen
Ausgabe 05 | 2023: Pflege
Schwerpunkt

Senior*innen ganz natürlich gegen die Hitze schützen

Die Temperaturen steigen weltweit. Das ist sowohl individuell spürbar als auch empirisch nachgewiesen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Betroffen von den dramatischen Klimaveränderungen sind alle Menschen, aber nicht alle gleichermaßen. Ältere als vulnerable Gruppe sind stärker von Hitze bedroht als jüngere. Auch Pflegeeinrichtungen stehen vor großen Herausforderungen, um die Gesundheit ihrer Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen. In Marzahn- Hellersdorf geht man dieses Projekt nun energisch an.

Der Wohnpark am Cecilienplatz liegt mitten im Herzen von Hellersdorf. Verlässt man den U Bahnhof Kaulsdorf-Nord, gelangt man direkt zu einem Wochenmarkt. Wenige Meter weiter befindet sich die Pflegeeinrichtung mit ihren 145 Plätzen. Sie ist untergebracht in einem bunten und für die Gegend typischen Plattenbau, umringt von einer kleinen Parkanlage. Nicht umsonst heißt der Gebäudekomplex auch „Wohnpark.“ Das Pflegewohnzentrum Kaulsdorf-Nord gGmbH besteht bereits seit 30 Jahren und umfasst mehrere Einrichtungen, der Wohnpark am Cecilienplatz ist eine davon. Hier gibt es neben der Einrichtung mit 145 Pflegeplätzen auch ein betreutes Wohnen mit 44 Ein- und Zwei-Raum Wohnungen. Alleinlebende oder Paare mit unterschiedlichen Pflegebedürfnissen sollen hier ihren Lebensabend gemeinsam verbringen können. Pflegende Angehörige, deren Kräfte schwinden, bekommen Hilfe bei der Pflege ihrer oder ihres Liebsten.

Volkmar Dornfeld

Doch damit die Senior*innen weiterhin eine gute Zeit haben, sind einige bauliche Anpassungen nötig. Volkmar Dornfeld ist die Person, der die Probleme der Erderwärmung für die Einrichtung angehen möchte. Er wartet vor dem Haupteingang des Gebäudes in der Lily-Braun-Straße. Es ist Anfang September und man braucht immer noch keine Jacke. In den kommenden Wochen soll der Sommer noch einmal richtig zurückkehren, was ein Vorzeichen für den Grund unseres Austauschs sein soll. Seit über 10 Jahren arbeitet Herr Dornfeld nun im Pflegewohnzentrum und ist Quereinsteiger. Als seine eigenen Eltern pflegebedürftig wurden, verließ er seinen Posten in der Wirtschaft und widmete sich aus Überzeugung der Arbeit in Pflegeeinrichtungen. „Ich habe viele Jahre Firmen strukturiert und  war viel unterwegs. Aber dann dachte ich mir, dass es vielleicht noch etwas anderes gibt“, erklärt er.

Die Belastungen für Ältere durch die Erderwärmung sind immens. Volkmar Dornfeld blättert im Hitzemaßnahmenplan des Bundesumweltamtes, der ihm auf dem Tisch liegt. „Ob Herz-Kreislauf-Probleme, Komplikationen mit Medikamenten oder Verstärkung eh schon vorhandener Krankheiten. Da sind ältere Menschen überproportional betroffen“, so Dornfeld. Hinzu kommen veränderte Verhaltensweisen. Im Alter trinken viele Menschen weniger, sei es wegen des nachlassenden Durstes oder auch aus Schamgründen. Viele bekämen Angst, es nicht mehr so schnell auf die Toilette zu schaffen. In extremen Fällen kann die Hitze auch dazu führen, dass die älteren Menschen früher versterben.

Um die Bewohner*innen der Einrichtung umfassend zu schützen, könne man nicht einfach Klimaanlagen installieren, die eventuell sogar gesundheitlich kontraproduktiv und durch den hohen Energieverbrauch umweltschädlich seien. Volkmar Dornfeld hat mit den Kolleginnen und Kollegen des Wohnparks ein umfangreiches Konzept erstellt, wie der Wohnpark am Cecilienplatz gegen die global steigenden Temperaturen zukünftig besser gewappnet sein kann. Gefragt sind Einzelmaßnahmen, die zusammen einen großen Effekt bringen können.

Daran wird nun intensiv gearbeitet. Und einiges ist auch bereits schon umgesetzt. Bäume wurden gepflanzt und Betonflächen entsiegelt. Das Pflegewohnzentrum plant noch mehr. Auf die Beauftragung einer teuren Agentur wurde bewusst verzichtet. Denn: „Warum soll ich da noch einmal ein Büro beauftragen, welches die Situation unserer Klient*innen wohl bei weitem nicht so gut kennt wie unsere Mitarbeiter*innen und darüber hinaus viel Geld kostet, dass direkt in passgenauen Maßnahmen investiert werden könnte?“

Viele der geplanten Maßnahmen sind einfach, aber effektiv. Wo mit ganz natürlichen Mitteln gearbeitet werden kann, wird das auch gemacht. Volkmar Dornfeld wünscht sich etwa Pergolen über den Sitzgelegenheiten. Die Kletterpflanzen ergeben dann ein nicht nur optisch ansprechendes, sondern auch schattenspendendes Blätterdach. Ebenso sollen bestimmte Bereiche der Fassade weiter begrünt werden. Draußen zeigt Herr Dornfeld noch auf einen angebauten Balkon auf der Südseite, der sich dafür eignen kann. Diese sind nicht nur ein schönes Must-Have, sondern ein zentraler Platz für viele Bewohner*innen, erklärt er. „Die Balkone sind wichtig für Bewohner*innen, die nicht mehr so mobil sind.“ Daher sollen sie bald komplett mit Rankpflanzen bewachsen sein.

Hier ranken bald Kletterpflanzen.

Die ganzen pflanzlichen Sonnenschirme müssen natürlich auch bewässert werden. Geplant ist eine Erweiterung der vorhandenen Bewässerungsanlage, die nicht nur gießt, sondern auch einen Kühleffekt hat, wenn sie eingeschaltet wird. Versorgt werden soll die Anlage nicht nur über die bereits gebaute Zisterne und das in Zukunft sicher knapper werdende Trinkwasser, sondern auch über einen noch zu bauenden Brunnen, der ebenfalls Teil des Konzeptes ist. Alles andere wäre laut Volkmar Dornfeld nicht im Sinne der Sache: „Wertvolles Trinkwasser zum Gießen zu verwenden, kann man vielleicht noch im Kleingarten vertreten, aber nicht bei so einer großen Anlage, hier braucht es nachhaltige Lösungen.“

Es sind noch weitere kleinere Vorhaben geplant. Die Fenster der Bewohnerzimmer sollen mit transparenten Folien ausgestattet werden. Tests ergaben, dass dies die Raumtemperatur um bis zu 5 Grad Celsius senken könnte. Auch Mulden und Wildwiesen, in denen bei Starkregen das Wasser besser versickern kann, sind in Planung. Aus eigenen Mitteln kann das Pflegewohnzentrum dies alles jedoch nicht ermöglichen. Deshalb bewirbt es sich auf ein Förderprogramm des Bundes, um diese Maßnahmen zu finanzieren.

Am Ende begehen wir noch ein wenig die Örtlichkeiten. Herr Dornfeld zeigt mir noch einmal konkret, was er plant und was er zuvor anhand seines Konzeptes erklärt hat. Wir verabschieden uns. Er hat noch zu tun und auch ich muss wieder ins Büro. Während ich noch ein paar Außenaufnahmen mache, spricht mich eine kommunikative Bewohnerin, die gerade einen kleinen Spaziergang macht, an und wir unterhalten uns noch ein bisschen. Worüber? Natürlich über das Wetter.

Philipp Meinert

Inhaltsverzeichnis
zurück zum Seitenanfang