Zum Hauptinhalt springen
Projekt

Gemeinsam aktiv: Kooperation zwischen (migrantischen) Akteur*innen Sozialer Arbeit stärken

Illustration einer vielfältigen Gruppe von Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, unterschiedlicher Hautfarben, Menschen mit und ohne Behinderung, alt und jung ...
Hier finden Sie informationen zum Projekt "Gemeinsam aktiv: Kooperation zwischen (migrantischen) Akteur*innen Sozialer Arbeit stärken".

Handlungsempfehlungen die sich aus der Umfrage unter Migrant*innenorganisationen ergeben

Diese Handlungsempfehlungen werden von zwei grundlegenden Fragen geleitet und sind aus den Aussagen der Interviews und aus den Antworten der Befragungen entstanden: Wie kann die Kooperation zwischen MOs und anderen Trägern/Behörden vor allem auf kommunaler Ebene verbessert werden? Und wie können Hürden abgebaut werden, die der stärkeren Partizipation von MOs als Träger der sozialen Arbeit entgegenstehen? Diese Fragen werden in zwei Handlungsbereichen beantwortet: Handlungsmöglichkeiten der Öffentlichen Hand/ Leistungsträger und Handlungsmöglichkeiten der Verbände, insbesondere der Wohlfahrtsverbände.


Was kann die Öffentliche Hand tun

1. MOs in der Entwicklung von Förderrichtlinien und Programmen von Anfang an einbeziehen

Bei der (Weiter-)Entwicklung von Fördermaßnahmen –richtlinien und -programmen der sozialen Arbeit sollten MOs stärker eingebunden sein, sowohl hinsichtlich der Ausrichtung von inhaltlichen Schwerpunkten als auch der Fördermodalitäten. Die Erfahrungen und Erkenntnisse der Organisationen sollen stärker in die Konfiguration der Förderpolitik einfließen. Der Bedarf der unterschiedlichen Zielgruppen kann auf diese Weise stärker in der Ausgestaltung der Schwerpunkte der Förderung eingebunden werden. Ebenso können hiermit bei den Fördervoraussetzungen die Realitäten der MOs stärker berücksichtigt werden. 

2. Modalitäten / Förderprogramme vereinfachen

Viele der Befragten monieren die Komplexität und Höhe der Anforderungen und bürokratische Hürden von Ausschreibungen, daher ist eine Vereinfachung notwendig. Die bürokratischen Hürden für die Antragstellung sollten reduziert werden, bzw. an die Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten vieler MOs angepasst werden. So hat es sich bewährt, niederschwellige Interessensbekundungen vorzuschalten. Aus dem Bereich Projektförderung wird im Bundesprogramm Gesellschaftlicher Zusammenhalt (BGZ) eine einfache Interessensbekundung der Antragstellung vorabgeschaltet, was die Teilnahme von MOs erhöht hat. Vorteilhaft ist zudem der verstärkte Einsatz von Pauschalierungen, wenn es dann auch bei der Abrechnung bei Pauschalierungen bleibt.

3. Nicht intendierte Barrieren beseitigen

Förderrichtlinien sollen überprüft werden, ob sie nichtintendierte Barrieren für die Förderung von MOs beinhalten. Ein Beispiel hierfür ist die Anpassung der Förderrichtlinien für die Jugendverbandsarbeit nach dem Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP). Ab 2016 war es nicht mehr notwendig, dass Jugendverbände Mitgliedsorganisationen in den neuen Bundesländern haben, um an der Förderung partizipieren zu können. Auf diese Weise können nun Migrant*innenjugendverbände gefördert werden, die historisch bedingt keine Strukturen in den neuen Bundesländern aufweisen.

4. Beratung zu Förderprogrammen/Modalitäten flächendeckender anbieten, Transparenz erhöhen

Laut der Aussagen aus den Interviews und aus den Ergebnissen der Befragungen wurde deutlich, dass die geringe Teilhabe an den Förderstrukturen auch aufgrund der Unübersichtlichkeit der Förderlandschaft bzw. Möglichkeiten der Förderung begründet ist. Das kann auch durch eine Einrichtung bzw. den Ausbau von geeigneten Beratungsstellen für MOs verbessert werden. Diese sollten aus der öffentlichen Hand finanziert werden. Dazu gibt es bereits positive Erfahrungen wie z.B. die House of Resources, die bundesweit MOs beraten und begleiten. Aber auch auf Länderebene existieren ebenso solche Stellen, wie etwa in Hessen, Berlin und NRW. Diese Erfahrung könnte in anderen Bereichen, außerhalb der Integrationsarbeit, repliziert werden. Eine solche Beratungsstelle sollte eine Schnittstelle zwischen den fördernden Stellen und MOs sein, damit vereinfacht wird, dass die MOs tatsächlich in der Förderung angenommen werden. Die entscheidende Aufgabe dieser Stellen ist es, ein Vertrauensverhältnis zwischen den beteiligten Personen herzustellen.

5. MOs in Netzwerke/Strukturen stärker einbeziehen

Darüber hinaus ist es wichtig, MOs in den vorhandenen Netzwerken/Zusammenschlüssen/Ausschüsse dauerhaft einzubinden. Ein erster Schritt besteht darin, die MOs in der Kommune/Land zu identifizieren und anzusprechen die potenziell einen Beitrag zu den jeweiligen Handlungsfeldern der sozialen Arbeit leisten können. In vielen Orten existieren bereits Zusammenschlüsse von MOs, die als Ansprechpartnerinnen fungieren können. Das gelingt, wie in der Umfrage oft erwähnt, durch eine klare politische Vorgabe für eine stärkere Beteiligung von MOs. Ein weiterer Punkt ist der Einsatz von qualifizierten Vermittler*innen, die eine erste Kommunikation zwischen den beteiligten Stellen ermöglichen und durch eine auf Diversität ausgelegte Personalpolitik. Ebenso eine bessere Kommunikation der Stellen/Behörden und ggf. mehrsprachige Öffentlichkeitsarbeit. Auf Seiten der Behörden muss ein Problembewusstsein für die fehlende Teilhabe von MOs an den Regelstrukturen geschaffen werden, hierzu können Informationen für Entscheidungsträger*innen bereitgestellt werden. Die bestehenden Stellen der Integrationsbeauftragten können hierzu eine entscheidende Rolle spielen. 

6. Unterstützung beim Aufbau von Basisstrukturen

Damit MOs in stärkerem Maße Träger sozialer Dienste und Einrichtungen werden können, müssen sie zunächst (befristet) beim Aufbau ihrer eigenen Strukturen unterstützt werden. Sie waren historisch aus der Förderung teilweise faktisch ausgeschlossen, allerdings fand in den letzten Jahren ein Umdenken statt. Bei der Unterstützung der Basisstrukturen der MOs, kann es sich nicht um eine flächendeckende voraussetzungslose Förderung handeln, sondern um eine anfängliche Förderung für MOs, die bestimmten Kriterien (z.B. im sozialen Bereich tätig sein, qualifiziertes Personal haben, bestimmte Projekterfahrungen, etc.) erfüllen und eine konkrete mittel- und langfristige betriebswirtschaftliche Planung aufweisen. Hierzu hat es in den vergangenen Jahren vereinzelt Programme gegeben, zum Beispiel das Programm „Strukturelle Förderung von Migrantenorganisationen“. Eine solche Implementierung von ähnlichen Programmen auf kommunaler Ebene, könnte ein wichtiger Baustein sein. Eine Kooperation zwischen Kommunen, Ländern und Bund soll die Möglichkeit eruieren, wie ausreichende Mittel für die Stärkung der Infrastruktur der MOs in die finanzschwächeren Kommunen fließen könnten. Anzustreben ist, dass nach einer Übergangphase die Angebote der MOs in der Regelförderung der sozialen Arbeit vor Ort überführt werden. Dafür ist eine enge Abstimmung mit den zuständigen Stellen notwendig. Für die Kommunen ist es wichtig, um ihren Aufgaben effektiv und inklusiv nachgehen zu können, dass sich die Diversität der Trägerschaft in den Angeboten widerspiegelt und sichergestellt wird, dass die Angebote von den spezifischen Zielgruppen tatsächlich in Anspruch genommen werden. Grundsätzlich ist eine weitgehende Abkehr von der nur jährlichen Förderung, hin zu einer mehrjährigen Förderung eine zentrale Voraussetzung, um verlässlich qualitativ hochwertige Angebote der sozialen Arbeit machen zu können.

7. Bei Förderprogrammen Eigenmittelanforderungen reduzieren

Für viele MOs stellt - wie auch für viele andere NGO - der in den jeweiligen Förderprogrammen zu erbringende Eigenanteil eine erhebliche Hürde dar. Um die Beteiligungsmöglichkeiten von MOs zu erhöhen, sollten entweder die notwendigen Eigenanteile reduziert werden oder gesonderte Finanzmittel beantragt werden können, die dann ersatzweise eingesetzt werden sollen.

8. Rassismus bekämpfen

Viele der Interviewpartner*innen sehen in den vorhandenen Vorurteilen gegenüber MOs ein Zeichnen von strukturellen Rassismus in den Behörden. Dieser Zustand sollte auf struktureller Ebene und auf der Praxisebene behandelt werden. Hierzu sind Fortbildungen für das Personal sowie langfristige Pläne für die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus notwendig. Diese Maßnahmen sind bereits im Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus (s. Maßnahme 83) beschlossen worden, nun geht es darum, konkrete Programme unter der Beteiligung der MOs zu entwickeln und durchzuführen.


Was können Verbände tun

1. Kooperation auf gleicher Augenhöhe

Die Asymmetrie von Kooperationsprojekten wurde bei den Interviews und Befragungen oft erwähnt. Sie ergibt sich häufig aus der Konstellation von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden bei den jeweiligen Kooperationspartner*innenn. Es ist daher bei allen Kooperationen darauf zu achten, wie ein solches Ungleichgewicht weitgehend vermieden bzw. ausgeglichen werden kann, z.B. durch Übernahme der Aufwendungen, von Fahrtkosten, etc. Es ist stets auf eine Unterstützung beim Zugang zu weiteren Ressourcen zu achten.

Kooperationsprojekte sollen ebenso garantieren, dass eine gemeinsame, gleichberechtigte Durchführung von Projekten zwischen den beteiligten Stellen stattfindet. Dazu gehört auch, dass es eine faire Aufteilung der dem Projekt zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen gibt. Grundsätzlich muss ein Problembewusstsein entstehen, dass es zu einer asymmetrischen Beziehung kommen kann und dass es notwendig ist, in der Planung der Kooperation Transparenz über die Aufgaben im Projekt zu schaffen und wie eine Perspektive für die Kooperationspartner*innen in Zukunft aussehen könnte.

2. Einbindung der Migrant*innenorganisationen an den Fachdiskussionen

Neben den klassischen Qualifizierungsmaßnahmen für MOs, für die – insbesondere auf kommunaler Ebene - nach wie vor ein Bedarf gesehen wird, ist für die Zukunft vor allem die stärkere Vernetzung der MOs mit anderen Träger*innen der sozialen Arbeit, mit den Strukturen und Gremien sowie mit Zuwendungsgeber*innen in den verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit die zentrale Aufgabe. Um diese Anbindung zu gewährleisten ist es notwendig, in den jeweiligen Handlungsfeldern der sozialen Arbeit Strategien zu entwickeln, wie MOs stärker in die fachlichen Diskussionen eingebunden werden können. Es kann grundsätzlich die Teilnahme von MOs an Fachgremien gefördert werden unabhängig davon, ob eine Förderung durch das jeweilige Förderprogramm zu dem Zeitpunkt besteht oder nicht. Im Paritätischen besteht seit 2007 ein Zusammenschluss von MOs, der diese Aufgabe übernimmt. Auf Bundesebene gibt es bereits solche Ansätze der Zusammenarbeit zwischen der BAGFW und der MOs z.B. im Bereich der Sprachmittlung, bei der die Möglichkeiten der Förderung der Sprachmittlung in der gesundheitlichen Fürsorge zusammen mit den relevanten Stellen diskutiert werden.

3. Die Sichtbarkeit der Arbeit der Migrant*innenorganisationen fördern, Zusammenabeit begleiten

70% der befragten MOs sagen, sie kennen das System der Wohlfahrtspflege in Deutschland. 52% sind Mitglied in einem Wohlfahrtsverband. Deswegen fällt den Wohlfahrtsverbänden eine besondere Verantwortung zu, MOs bei der Einbindung in den Strukturen der sozialen Arbeit zu unterstützen. Wohlfahrtsverbände müssen die fachbezogenen Kooperationsprojekte ausweiten. Voraussetzung dafür ist, dass es in den Wohlfahrtsverbänden ausreichende Informationen über die Landschaft der MOs vor Ort gibt und diese als Vermittler*innen zwischen der Förderseite und der MOs fungieren. Diese Vermittlerrolle sollte in Zukunft stärker wahrgenommen werden, insgesamt sollte die Sichtbarkeit des MOs erhöht und das Empowerment der MOs gefördert werden. In den paritätischen Landesverbänden und beim Gesamtverband existieren verschiedene Projekte und Stellen, die diese Aufgabe seit Jahren umsetzen, wie zum Beispiel die Fachberatung MigrantInnenselbsthilfe in NRW oder das Projekt „Perspektivenwechsel: Interkulturelle Öffnung in der Behindertenhilfe“ des Paritätischen Gesamtverbandes, welches die Teilhabe der MOs an den Strukturen der Behindertenhilfe analysiert hat.

4. Vorurteile gegenüber Migrant*innenorganisationen abbauen – rassismussensibel agieren

Laut der Aussagen der Interviewpartner*innen existieren, genau wie bei den Behörden und Leistungsträgern, Vorurteile gegenüber MOs in der Wohlfahrtspflege. Um dem zu begegnen, sind Fortbildungen für das Personal sowie langfristige Pläne für die Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus notwendig. Ein stetiger Reflexionsprozess über die eigenen Strukturen muss vorangetrieben werden, um eine Diversitätsorientierung und Rassismusbewusstsein zu fördern. Das bedeutet ebenfalls, tiefer in die strukturelle Ebene zu schauen und zum Beispiel in Gremien und Personal Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte und/oder Rassismuserfahrung verstärkt zu ernennen bzw. einzustellen.