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Ausgabe 01 | 2023: Energie & Krise
Schwerpunkt
Ganz oben angekommen: Jana Höftmann-Leben und Falko Hoppe auf dem Dach ihrer Geschäftsstelle neben den Solaranlagen.
Ökologisch handeln im sozialen Bereich

Energiespartipps ohne Zeigefinger

Immer mehr Einrichtungen in der Wohlfahrt setzen auf Klimaschutz - für ihre Kunden und auch sich selbst. Eine davon ist die reha e.v. in Berlin-Mitte.

Zum Glück ist die Geschäftsstelle des Vereins die reha e.v. in Berlin-Mitte kein denkmalgeschützter Bau. Denn dann hätte es schwierig werden können. Der Denkmalschutz kann ambitionierte Ökologieprojekte schon mal ausbremsen, erzählt Geschäftsführer und Vorstand Falko Hoppe. An einem Dezembermittag stehen Jana Höftmann-Leben, Leiterin der Kommunikationsabteilung, und  Falko Hoppe auf dem Dach der Geschäftsstelle von die reha e.v. in Sichtweite des Fernsehturmes. Die Geschäftsstelle liegt in unmittelbarer Nähe der repräsentativen Karl-Marx-Allee. Um die beiden herum sind viele Quadratmeter voller Solarzellen. Aber wir sind hier nicht bei einem Energieerzeuger, sondern bei einer Einrichtung, die sich um Menschen mit Behinderung kümmert. Am Beispiel von sozialen Einrichtungen wie die reha e.v. kann man beispielhaft sehen, wie stark die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit Einzug in den Wohlfahrtsbereich genommen haben – und dass sich hier kein Widerspruch auftut.

Bei die reha e.V. betreuen 300 Mitarbeiter*innen über 500 Menschen mit geistigen Behinderungen und mit seelischen Beeinträchtigungen an über 30 Standorten, schwerpunktmäßig in Mitte, Pankow und Marzahn-Hellersdorf in der Hauptstadt. Ihre Kund*innen wohnen in ihren eigenen Wohnungen und werden von den Erzieher*innen oder Pädagog*innen in ihrem Alltag betreut – und das bereits seit 1990.

Die Geschäftsstelle in der Weydemeyerstraße in Berlin-Mitte.

Das Thema Klimaschutz ist bei die reha e.v. noch recht frisch. Es ereilte den Verein im Jahr 2016. „Da kam eine Leitbilddiskussion. Darin stand, dass wir nachhaltig mit unseren Ressourcen umgehen wollen“, so Jana Höftmann-Leben, die seit 2009 bei die reha e.v. ist. „Dann haben wir uns systematisch überlegt, wie wir die Menschen, die wir betreuen, mit dem Thema vertraut machen und haben uns ein Bildungsprojekt ausgedacht.“ So richtig los ging es dann 2017: „Die Klimakrise war täglich in den Nachrichten und allen war klar, dass man was tun muss und Klimaschutz im sozialen Bereich unterbringen muss“, so Jana Höftmann-Leben. Viele ihrer Kund*innen hätte die Nachrichtenlage auch verunsichert.

Eins jener Projekte, ist etwa „unser Klima.“ Die farbenfrohe Homepage trägt den Untertitel „Öko-Bildung in Leichter Sprache und inklusive Mitmach‑Angebote.“ Ohne Zeigefinger finden sich einfache Alltagstipps für jede*n. Etwa, dass man Standby-Geräte bei Nichtnutzung abschalten oder öfter mal die Treppe nutzen sollte. Analog gibt es die Hinweise auch auf bunten Postkarten. Ansprachen von oben herab bringen sowieso nicht viel, meint Falko Hoppe: „Unsere Kunden sind ja nicht die, die den SUV besitzen oder mit Dampfern und Flugzeugen reisen, also nicht die großen Klimasünder!“ Eine CO2-Fußabruckmessung in einem Haus ergab, dass viele der Bewohner*innen deutlich unter dem Durchschnitt liegen und bereits jetzt recht sparsam leben.

Friendly Reminder: Die Postkarten

Der Ton wird auch in der Geschäftsstelle von die reha e.v. gelebt. Wenn man Jana Höftmann-Leben nach der praktischen Umsetzung der Klimaschutz-Maßnahmen vor Ort fragt, zeigt sie auf das Thermometer im Raum. Es zeigt 19 Grad. Ihr würde es reichen. Aber andere Kolleg*innen hätten gern 25 Grad. Sie lacht, denn: „Ich bin hier auch nicht die Klimapolizei.“

Die Verknüpfung zwischen Alltag und neuem Thema kann dennoch eine Herausforderung sein: „Für viele ist es ja gar nicht so einfach, zu unserem Kerngeschäft und ökologischen Themen eine Verbindung herzustellen.“, so Falko Hoppe. Seine 500 Kund*innen leben verstreut über die ganze Stadt. Sie sind selber Mieter*innen und wohnen in ihren eigenen Wohnungen. Teils werden diese angemietet von die reha e.V. und der Handlungsspielraum ist begrenzt. Da kommt es oft eher auf den Vermieter an und etwa seinen Willen, für gute Isolierungen zu sorgen. Aber auch das Bewusstsein der Kund*innen muss gestärkt werden. Viele beziehen Transferleistungen. „Welchen Anreiz habe ich zu sparen, wenn ich das Geld vom Staat zurück bekomme?“ fragt Hoppe.

Anders sieht es bei den eigenen Besitztümern aus. „Wir haben vier vereinseigene Immobilien und auf drei davon eine Photovoltaik-Anlage“, erklärt Hoppe. Gemeinsam mit dem Energieanbieter Vattenfall und der Firma Auxolar haben sie diese Projekte umgesetzt. Auch zwei neue umweltschonende Heizungsanlagen wurden installiert. Eine Förderung haben sie nicht beantragt. „Es ist alles superbürokratisch in Deutschland“, ärgert sich Hoppe.

Das Projekt ist ein Erfolg. Ein Drittel des Stromes der Geschäftsstelle wird über die Anlage auf dem Dach bezogen. Potential für diese Form der Energiegewinnung gibt es noch genug, so Falko Hoppe. Viele Werkstätten, auch die vereinseigene faktura gGmbH, hätten Flachdächer oder andere Potentiale. Da könne man ansetzen.

In den Werkstätten ist auch die Ernährung ein Thema. „Zu fleischlastig“, so Frau Höftmann-Leben, würden sich viele Kund*innen ernähren. Das drückt den eigentlich guten CO2-Schnitt etwas nach unten. Auch hier wird mit Workshops nachgesteuert, wie man sich gesund, klimaschonend und lecker ernährt. Hier ist Überzeugungsarbeit nötig. „Unsere Klienten sind nicht die, die sich auf die Quinoa-Bowl freuen“, sagt Hoppe und lacht.

Die Vereinten Nationen geben 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung vor. Für die reha e.V. ist das ein Gradmesser. Fünf davon werden bereits umgesetzt, wie auf der Homepage nachzulesen ist: Gesundheit und Wohlergehen, hochwertige Bildung, bezahlbare und saubere Energie, nachhaltig produzieren und konsumieren und natürlich: Maßnahmen zum Klimaschutz. Beim Engagement, das die reha e.V. beim Klimaschutz hinlegt, dürften es schnell noch mehr werden.

Philipp Meinert

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