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Ausgabe 01 | 2024: 100 Jahre Der Paritätische
Sozialpolitik
Paritätische Veranstaltung

Verhütung ist Menschenrecht!

Der Paritätische Gesamtverband hat am letztjährigen Weltaidstag, dem 1. Dezember 2023, zur Fachveranstaltung „Verhütung ist Menschenrecht!“ eingeladen. Im Zentrum der Diskussionen stand die Vereinbarung aus dem aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung, wonach es Krankenkassen ermöglicht werden soll, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden sollen die Kosten übernommen werden. Mit über 50 Personen wurde vor Ort diskutiert. Die Veranstaltung wurde gefördert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA.

Durch die Veranstaltung führte die Autorin und Journalistin Teresa Bücker, die gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden des Paritätischen Gesamtverbands, Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, und der Referatsleiterin für nationale und internationale Zusammenarbeit, Forschung und Entwicklung der BZgA, Angelika Hessling, die Tagung eröffnete. Sie nahmen die Teilnehmenden mit in die 1980er Jahre, erinnerten an die Kampagne „Gib Aids keine Chance“ und daran, wie neu und schwierig es damals noch war, öffentlich über Sex und Verhütung zu reden und warum Verhütungsmittel für Menschen mit geringem Einkommen noch immer nicht kostenfrei sind, obwohl bereits in den 1980er Jahren erste gerichtliche Prozesse dazu geführt wurden.

Foto: Stephanie von Becker
Teresa Bücker (Moderatorin) eröffnet die Fachtagung

Der Paritätische macht sich bereits seit vielen Jahren für das Thema der Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln stark. Bereits 2019 lud er in Kooperation mit dem Bundesverband von pro familia die Fachöffentlichkeit zu einer Tagung ein. Die Kolleg*innen von pro familia, Sigrid Weiser, Katharina Rohmert und Dr. Jutta Pfliefke, waren deshalb auch 2023 vor Ort mit dabei und sprachen u.a. zur Situation in den Beratungsstellen vor Ort sowie zu regionalen Kostenübernahmeprogrammen für Verhütungsmittel und einem möglichen Rechtsanspruch auf Verhütung, insbesondere auch für Menschen mit niedrigem Einkommen. Gleichzeitig muss die Diskussion um Verhütung als Menschenrecht immer auch im Zuge der aktuellen Diskussionen um die mögliche Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs gesehen werden.

Foto: Stephanie von Becker
Infostand „Forschung, Sexualaufklärung und Familienplanung“ der BZgA

Der Paritätische hat deshalb im April 2023 bei einer verbandlichen Positionierung zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs erneut gefordert: „Der kostenfreie Zugang zu Verhütungsmitteln muss für Menschen mit existenzsichernden Transferleistungen bzw. für Menschen mit geringem Einkommen gesichert sein. Die Frage der Kostenfreiheit von Verhütungsmitteln ist nicht nur eine Frage der Verhinderung einer Schwangerschaft – sie ist genauso eine Frage der Gesundheitsprävention und sexueller Selbstbestimmung und betrifft Menschen aller Geschlechter und geschlechtlicher Identitäten.“

Auch Prof. Dr. Rolf Rosenbrock stellte bei der Tagung klar: Verhütung darf nach Paritätischem Verständnis nicht als „Frauensache“ oder die Sache gebärfähiger Menschen abgetan werden, sondern ist für alle Menschen da und soll allen Menschen offenstehen, die gerne verhüten möchten – unabhängig von ihrer finanziellen Situation.

Auch die aktuellen Studienergebnisse der BZgA, die bei der Fachtagung am 1. Dezember von Dr. Sara Scharmanski und Tilmann Knittel vorgestellt wurden, stützen diese Überzeugung: Der Kostenaspekt ist bei der Entscheidung für eine Verhütungsmethode demnach umso wichtiger, je geringer das Einkommen einer Person ist. Auch bei der Anwendung von Verhütungsmethoden zeigen sich deutliche, von der finanziellen Situation abhängige Unterschiede: Frauen, die aufgrund geringen Einkommens Transferleistungen beziehen, verhüten im Vergleich zu Frauen in wirtschaftlich besserer Situation seltener mit der Pille oder der Spirale – und verzichten insgesamt häufiger auf Verhütung.

Neben Fachvorträgen der BZgA war mit Dr. Ines Scheibe auch eine Mitbegründerin des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung anwesend, die aus der Beratungspraxis der vergangenen Jahrzehnte berichtete. Ergänzt wurden diese Einblicke durch einen Kurzvortrag von Prof. Dr. Ulrike Busch, die einen historischen Abriss zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln vermittelte.

Foto: Stephanie von Becker
v.l.n.r. Heike Engelhardt (Bundestagsabgeordnete der SPD-Fraktion), Heidi Reichinnek (Bundestagsabgeordnete der Fraktion Die Linke), Saskia Weishaupt (Bundestagsabgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen) und Teresa Bücker (Moderatorin)

Ein besonderes Highlight war schließlich die politische Diskussion mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags, Heike Engelhardt (SPD), Saskia Weishaupt (Bündnis90/Die Grünen) und Heidi Reichinnek (Die Linke), die zur Realisierung des Vorhabens im Koalitionsvertrag diskutierten. Die Politiker*innen forderten die Verbände nochmals auf, lauter in ihren Forderungen zu werden und berichteten, dass sich ein entsprechendes Gesetzesvorhaben bereits auf Bundesebene in Abstimmung befände.

Katrin Frank und Luca Torzilli, Paritätischer Gesamtverband

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