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Ausgabe 02 | 2022: Vorfahrt für Gemeinnützigkeit
Schwerpunkt
Mit der Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit könnten wieder günstige Wohnungen entstehen (Symbolbild)

Gemeinnützigen Wohnungssektor einführen

Die Abschaffung des gemeinnützigen Wohnungssektors in Deutschland in 1990 führte zu gravierenden Versorgungsschwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt. Der aktuelle Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition bietet nun eine Chance zur Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit.

Bis 1990 gab es in Deutschland einen gemeinnützigen Sektor im Wohnungsbau. Mit dem Missmanagement-Skandal um die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft „Neue Heimat“ wurde die Wohnungsgemeinnützigkeit abgeschafft. Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen stellten bis dahin den größten Wohnungsbausektor und sorgten für ein breites Segment an leistbaren Wohnraum. Gemeinnütziger Wohnungsmarkt bedeutet, dass die Unternehmen nur eine bestimmte Rendite erwirtschaften dürfen und alles darüber hinaus in den Wohnungsbau reinvestieren müssen. Im Gegenzug sind sie steuerbefreit. Außerdem müssen sie günstig vermieten, es gibt Verkaufsbeschränkungen, und die Wohnungen sind dauerhaft belegungsgebunden.

Mit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit wurde die Wohnraumversorgung, die eigentlich als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge verstanden werden sollte, dem Markt überlassen, was sich als zentraler Fehler herausstellte. Mit der Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit, dem erheblichen Rückgang des Sozialen Wohnungsbaus und dem Auslaufen von Belegungsbindungen reduzierten sich die ca. 3 Millionen gebundenen Sozialwohnungen bis heute auf 1,13 Millionen. In den Großstädten mangelt es an über 1,5 Millionen bezahlbaren und angemessenen Wohnungen. Das viel zitierte „Bauen, bauen, bauen“ schafft - so wie es gegenwärtig praktiziert wird - keine Entspannung auf den Wohnungsmärkten, da vielerorts im hochpreisigen Sektor gebaut wird.

Angesichts der Versorgungsprobleme auf den Wohnungsmärkten erhielt die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit (NWG) in den letzten Jahren verstärkt an Aufmerksamkeit. In der vergangenen Legislaturperiode brachten die Bundestagsfraktionen Die Linke einen Antrag und Bündnis 90 / Die Grünen einen Gesetzentwurf zur Einführung einer NWG in den Bundestag ein, die unter der Großen Koalition abgelehnt wurden. Positiv stimmte daher der Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Koalition, welcher die Einführung einer NWG als Vorhaben nennt.

Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit bietet eine Chance die Steuerungsfähigkeit für den Wohnungsmarkt wieder erlangen zu können und kann, je nach Ausgestaltung, dauerhaft preiswerten Wohnraum für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen, Alleinerziehende, Rentner*innen, Menschen mit Behinderung und andere, die bisher das Nachsehen auf dem Wohnungsmarkt haben, gewährleisten. Bei der Einführung einer NWG sollte es auch Stiftungen erlaubt werden, ihre gemeinnützigen Gelder in den Wohnungsbau zu investieren, um guten Wohnraum zu schaffen. Sie ist aber nur ein Baustein. Wir brauchen auch wieder erheblich mehr Sozialwohnungen, ca. 150.000 pro Jahr, und eine sozial gerechte Bodenvergabe, wenn günstig gebaut werden soll.

Jennifer Puls
ist Referentin für übergreifende Fachfragen

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