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Ausgabe 02 | 2022: Vorfahrt für Gemeinnützigkeit
Schwerpunkt
Ein Flüchtlingscamp (Symbolbild)

Billiger ist nicht besser

Harald Löhlein über gewerbliche und gemeinnützige Anbieter in der Flüchtlingsunterkunft

Die Bilder sind noch gut in Erinnerung, als 2016 die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland stark anstieg und es zunächst enorme Probleme gab, die Schutzsuchenden zügig zu registrieren, zu versorgen und vor allem, sie angemessen unterzubringen. Viele landeten zunächst – teilweise für Monate- in Turnhallen oder anderen provisorischen Unterkünften. Es war nicht zuletzt das enorme zivilgesellschaftliche Engagement, das dazu beigetragen hat, die Situation für die Betroffenen halbwegs akzeptabel zu gestalten.

Gemeinnützige Träger wurden vernachlässigt

Auf der Suche nach den dringend benötigten Unterkünften kam vor allem den gemeinnützigen Organisationen eine besondere Bedeutung zu. Das waren nicht nur die großen „Blaulicht-Organisationen“, sondern auch viele kleinere oder größere Träger vor Ort, die einsprangen und innerhalb kürzester Zeit Unterkünfte zur Verfügung stellten. Viele dieser Organisationen waren auch bereit, sich dauerhaft bei der Unterbringung Geflüchteter zu engagieren, doch in vielen Fällen kam es anders: nach der ersten Phase der „Notversorgung“ gingen Kommunen und Länder wieder dazu über, die Unterbringung auszuschreiben. Oft wurden die gemeinnützigen Träger dann nicht mehr berücksichtigt, ihr bisheriges großes Engagement zählte nicht, was zählte war der Preis.

Und da waren die privaten Anbieter oft günstiger. Teilweise durften die gemeinnützigen Organisationen die privaten Träger noch durch die Räume führen, die später dann von diesen übernommen wurden. Mal abgesehen davon, dass viele gemeinnützige Träger enttäuscht waren, weil man sie in der Not zwar um Unterstützung gebeten, dann aber wieder ausgebootet hatte, hatte dieser Trägerwechsel auch für die Bewohnerinnen und Bewohner oft negative Auswirkungen. Denn den gemeinnützigen Organisationen geht es eben nicht nur um die Unterbringung und Versorgung, sie kümmern sich in einem umfassenderen Sinne um die Betroffenen, insbesondere um deren Einbindung in den Sozialraum.

Qualität vor Preis

Das können sie auch gut, weil sie nicht nur Träger einer Unterkunft sind, sondern ein breiteres Tätigkeitsfeld aufweisen. Wie wichtig diese umfassende Unterstützung ist, wurde aktuell während der Corona-Epidemie besonders deutlich, bei der sich die gemeinnützigen Organisationen nicht nur um den Zugang zu medizinischer Versorgung, sondern eben auch um die soziale Betreuung und Einbindung der Geflüchteten kümmern. Daraus folgt: Qualitative Leistungskriterien, die aufgebaute Integrationsinfrastruktur, Kontinuität in der Leistungserbringung, das sollten zentrale Kriterien sein, wenn es darum geht, soziale Arbeit zu organisieren, nicht aber der Preis!

Wie wichtig ein unabhängiger, gemeinnütziger, nicht-staatlicher Sektor ist, dass zeigt sich insbesondere auch in der Beratung von Asylsuchenden. Zwar wurde in der letzten Legislaturperiode eine „unabhängige Asylverfahrensberatung“ im Gesetz verankert, das Bundesministerium des Innern verstand darunter aber bis September 2021 die Beratung durch das „unabhängige“ Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Im neuen Koalitionsvertrag ist dies Gott sei Dank korrigiert. Nun soll sie endlich kommen, die tatsächlich unabhängige Beratung – nicht durch staatliche Stellen, sondern durch unabhängige gemeinnützige Organisationen.

Harald Löhlein ist Leiter der Abteilung Migration und Internationale Kooperation 

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