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Ausgabe 04 | 2021
Verbandsrundschau

Aus den Landesverbänden

Hier berichten wir von Aktivitäten, Aktionen und Neuigkeiten aus unseren Paritätischen Landesverbänden.

Bayern

Es ist nicht alles Gold, was bunt ist - Interview mit Tessa Ganserer

Tessa Ganserer

Viele bayerische Politiker*innen haben sich zum Fußballspiel Deutschland-Ungarn zu Vielfalt und Offenheit bekannt. Doch es ist nicht alles Gold, was bunt ist: Queere Menschen erleben in Bayern Ablehnung und Diskriminierung. Deshalb setzt sich der Paritätische in Bayern für einen bayerischen Aktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt ein – wie auch Tessa Ganserer. Die bayerische Landtagsabgeordnete kandidiert im September für den Bundestag. Mit ihr haben wir darüber gesprochen, was in der Queerpolitik verändert werden muss, und wie bunt Bayern aus ihrer Sicht ist.

Die Queer-Bewegung hat viel erreicht in den letzten Jahren. Was ist noch offen? Was steht auf Ihrer Agenda, wenn Sie im September in den Bundestag gewählt werden?

Um alle rechtlichen Benachteiligungen zu beenden, muss das entwürdigende Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden. Für lesbische Mütter bedarf das Abstammungsrecht einer Reform. Wir brauchen einen nationalen Aktionsplan für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sowie die institutionelle Förderung queerer Verbände und Organisationen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss einen besseren Schutz vor Diskriminierung und einfachere Klagemöglichkeit für davon Betroffene bieten.

Bei der Fußball-EM haben viele Menschen in Bayern mit Regenbogenfahnen ein Zeichen gegen die Politik von Viktor Orban und für Vielfalt gesetzt. Ist Bayern, was Queer-Politik angeht, so offen, wie es bei der EM den Anschein hatte?

Der Stadtrat in München wollte mit der Regenbogen-Beleuchtung der Allianz Arena ein Zeichen gegen die menschenrechtsverachtende Politik von Viktor Orban setzen. Durch das Nein der UEFA drehte sich die Debatte schnell um Akzeptanz im Sport. Dass sich dabei Ministerpräsident Söder mit Regenbogen-Maske zeigte, fand ich an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten, denn seine Regierung zeichnet sich nicht durch ihre Queer-Freundlichkeit aus. Die CSU hat Orban jahrelang hofiert und im Bundestag gegen jegliche Initiative zur rechtlichen Gleichstellung queerer Menschen gestimmt. Die von der Grünen Landtagsfraktion in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass jeder zweite queere Mensch in Bayern entsprechende Diskriminierungen erlebt. Doch Bayern hat als einziges Bundesland noch keinen Aktionsplan für Akzeptanz.

Sie erhalten im Netz viele Hasskommentare. Wie gehen Sie persönlich damit um?

Strafrechtliches bringe ich konsequent zur Anzeige, denn wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Hass die Gesellschaft vergiftet. Allgemein muss Hasskriminalität im Netz wirksamer bekämpft werden.

Berlin

Aktionen zur Bundestagswahl

Digitale Fachveranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion mit Mitgliedern und den Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien des Berliner Abgeordnetenhauses am 9. Juni 2021 zum Thema: Was braucht die Zivilgesellschaft? Ergebnis der Diskussion: Wir müssen die soziale Infrastruktur stärken, um langfristige Folgen der Pandemie zu bewältigen. Zivilgesellschaft stärken heißt Demokratie stärken!
Foto: Kathrin Zauter/Paritätischer Berlin
Ausrollen der Regenbogenfahne an der Berliner Landesgeschäftsstelle Berlin gemeinsam mit Mitgliedsorganisationen anlässlich der Pride Week am 15. Juli 2021: „Mit der Regenbogenflagge setzen wir ein Zeichen für Vielfalt, Offenheit und Toleranz. Berlin ist eine bunte, weltoffene Stadt, in der Menschen jeder sexuellen Orientierung, Nationalität und Hautfarbe zu Hause sind.“
(Foto: Kathrin Zauter/Paritätischer Berlin)

Bremen

Sozial-ökologischer Umbau in der Wohnpolitik jetzt!

Das BlauHaus in Bremens Überseestadt ist ein gutes Beispiel für geförderten flächeneffizienten Wohnungsbau. Gemeinschaftliches Leben, Wohnen und Arbeiten ist hier möglich. Initiatoren waren die Paritätische Mitgliedsorganisation Blaue Karawane und die Bremer Wohnungsbaugesellschaft GEWOBA.

Gemeinsame Position der Bremer Landesverbände des BUND und des Paritätischen zur Zukunft des Wohnens im Stadtstaat

Mit dem BUND und dem Paritätischen haben der größte Umweltverband und der größte Wohlfahrtsverband im Land Bremen gemeinsam zehn Leitlinien für eine sozial gerechte und ökologische Stadtentwicklung erarbeitet. Das gemeinsame Positionspapier fordert eine zukunftsgewandte Stadtentwicklungspolitik, die eine ausreichende Wohnungsversorgung weniger privilegierter Haushalte gewährleistet und dies mit der Reduzierung des Flächen-, Rohstoff- und Energieverbrauches verbindet. Aus Sicht der Verbände hängt der Erfolg des sozial-ökologischen Umbaus des Landes Bremens maßgeblich von der Wohnpolitik ab.

„Wir treten mit Nachdruck für eine sozial-gerechte, ökologische Neuausrichtung der Wohnpolitik im Land Bremen ein“, so Hermann Schulte-Sasse, Vorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Landesverband Bremen e.V.  „Eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus und des gemeinschaftlichen Bauens auf hohem energetischem Standard bei gleichzeitiger Stärkung der Stadtnatur bietet die Chance, zielgerichtet die Lebensqualität in Bremen für alle gesellschaftlichen Gruppen zu verbessern und ökologisch-zukunftsfest zu sein.“

„Bremen möchte in zwei Jahrzehnten klimaneutral sein. Die Wohnpolitik des Landes wird aufgrund der hohen Emissionen im Gebäudesektor damit zur Bewährungsprobe beim Klimaschutz“, so Jasper Meya, Vorstand des BUND Bremen. „Gleichzeitig brauchen wir die noch unversiegelten Flächen für eine intakte Stadtnatur, für die Erholung der Menschen und zur Anpassung an den Klimawandel. ‚Bauen, bauen, bauen‘ kann damit gerade im Stadtstaat keine nachhaltige Strategie als Antwort auf die Anspannung im Wohnungsmarkt sein.“ Die Verbände fordern eine Begrenzung des neuen Wohnungsbaus auf bereits versiegelte Flächen wie in der Bremer Überseestadt. Dieser Neubau muss dann konsequent flächeneffizient ausgerichtet werden, primär durch Geschosswohnungsbau mit nachhaltigen Baustoffen.  Die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum sollte vor allem durch Entwicklung, Erweiterung und Aufstockung im Bestand erfolgen. Dazu gehört auch die Umwandlung von nicht mehr benötigten Büro- und Gewerbeimmobilien, z.B. im Innenstadtbereich, sowie das Erschließen von leerstehenden Wohngebäuden.

Hessen

Corona-Folgen für Kinder und Jugendliche angehen

Soziale Ängste und Distanziertheit, Verzögerungen in der Sprachentwicklung sowie einen erschwerten Bindungsaufbau. Das sind nur einige der Folgen der Corona-Pandemie, die Pädagog*innen aktuell bei vielen Kindern unter sechs Jahren beobachten. Und für viele Jugendliche hat die Krise den Übergang von der Schule in Ausbildung und Erwerbsarbeit erheblich erschwert, besonders für junge Menschen in prekären Lebenslagen.

Der Paritätische Hessen appelliert daher an die politisch Verantwortlichen, bei der Rückkehr zur Normalität Kinder und Jugendliche besonders zu unterstützen. „Um Defizite anzugehen brauchen Kindertagesstätten zusätzliche Zeit und Ressourcen“, sagt Landesgeschäftsführerin Dr. Yasmin Alinaghi. „Und Jugendliche brauchen die klare Botschaft, dass sie mit den Auswirkungen der Krise auf ihre Bildungsbiographie nicht zurückgelassen werden.“

Für den Elementarbereich fordert der Paritätische, dass Kitas übergangsweise zusätzliches Personal beschäftigen dürfen – aufgrund des Fachkräftemangels auch geeignete Mitarbeitende ohne staatliche Anerkennung. Dies wurde durch die Pandemie-Verordnungen bereits ermöglicht und sollte für einen gewissen Zeitraum beibehalten werden. Die Einrichtungen hätten somit mehr Zeit für die individuelle Förderung von Kindern, Wiedereingewöhnungen oder Elterngespräche.

Für den Übergang ins Arbeitsleben sind außerbetriebliche Ausbildungsplätze für junge Menschen nötig, die besondere Unterstützung brauchen, etwa weil sie nicht auf familiäre Bildungsressourcen zurückgreifen können oder belastet aufgewachsen sind. Weil das duale Ausbildungssystem ihnen oft nicht gerecht wird, genügt es nicht, dass Betriebe Subventionen bekommen, um Ausbildungsplätze zu erhalten und zu schaffen. Ebenso ist das Programm „Schutzschirm für Ausbildungssuchende“ des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein Ersatz für fehlende (außerbetriebliche) Ausbildungsplätze.

Niedersachsen

Der Paritätische verabschiedet seine Vorsitzende: Birgit Eckhardt geht in den Ruhestand

Birgit Eckhardt hält ihre Abschiedsrede (Foto: Nour Shaker/Fokuspokus Media)

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. hat am 26. Juni seine Vorsitzende Birgit Eckhardt in den Ruhestand verabschiedet. Birgit Eckhardt war seit 1997 im Verband tätig und gehörte seit 2013 dem Vorstand an – zunächst als Stellvertretende Vorsitzende, ab 2015 als Vorsitzende des Paritätischen. Aufgrund der Corona-Pandemie fand die Feierlichkeit in einem begrenzten Rahmen statt. Rund 90 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Gesellschaft, von Mitgliedsorganisationen des Verbandes und zahlreiche Weggefährt*innen verabschiedeten die scheidende Vorsitzende im Hannover Congress Centrum.

Ministerpräsident Stephan Weil bedankte sich bei Birgit Eckhardt in seiner Videobotschaft und betonte: „Was mir immer besonders gut gefallen hat an Ihrer Arbeit ist das ganz klare Verständnis, wie eigentlich eine Gesellschaft funktionieren sollte, dass wir zusammenhalten müssen, dass Spalter keine Chance haben dürfen und dass wir miteinander auch immer wieder für Demokratie eintreten müssen.“ Weil attestierte Birgit Eckhardt, diese Werte „in vielen Jahren harter Arbeit“ stets hochgehalten zu haben, auch dank ihrer klaren Haltung seien sich Land und Freie Wohlfahrt in diesen Punkten „stets als verlässliche, wechselseitige Partner begegnet“.

Der Landesminister für Umwelt und Bauen, Olaf Lies, glaubt nicht daran, dass Birgit Eckhardt der Freien Wohlfahrt ganz den Rücken kehrt: „Jemand, der sich so lange, so intensiv für den sozialen Zusammenhalt eingesetzt hat, dem das Miteinander in der Gesellschaft wichtig ist, der wird natürlich nicht aus einem Beruf ausscheiden und das Thema vergessen, der wird weiter intensiv an der Sache arbeiten.“ Staatssekretär Heiger Scholz aus dem Sozialministerium grüßte ebenfalls per Videobotschaft und berichtete von gemeinsamen Treffen: „Ich erinnere mich daran, dass Sie sagen: Ich hab‘ mir da was aufgeschrieben. Und dann gab es Anregungen, dann gab es Mahnungen. Wir haben Verabredungen getroffen, wir haben auch über Bande gespielt. Auch das ist im Zusammenspiel zwischen Ministerium und Freier Wohlfahrt ganz wichtig.“

Viele Weggefährt*innen verabschiedeten Birgit Eckhardt und gaben in ihren Grüßen Einblicke in die gemeinsame Vergangenheit. Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, ließ es sich nicht nehmen, Birgit Eckhardt zum Ende ihrer Vorstandstätigkeit eine besondere Auszeichnung zu überreichen – die Ehrenurkunde des Paritätischen Gesamtverbands. „Sie tragen den Verband im Herzen, Sie leben das Miteinander“, sagte Schneider bei der Verleihung. „Sie sind durch und durch Paritäterin.“

Die Verbandsratsvorsitzenden des Paritätischen, Ulla Klapproth und Kurt Spannig, betonten unter anderem, dass der Paritätische unter Birgit Eckhardt einen stetigen Zuwachs bei den Mitgliedsorganisationen verzeichnen konnte, „gegen den allgemeinen gesellschaftlichen Trend“. Birgit Eckhardt selbst verabschiedete sich wortwörtlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge. „Ich gehe mit Wehmut“, sagte sie. „Aber ich freue mich auf mehr Zeit mit meiner Familie.“

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